3.

Wie Lewfrid von seiner můter genomen ward, inn die statt zu seinem pfettern gefürt und fast zertlichen aufferzogen wirt.

[273] Als nun Hermanus der kauffman wol gedencken mocht, sein angenommener pfetter und son hett jetz die můterlich milch gnůgsam genossen, weil er mer dann eines jars alt was, schicket er nach meyer Erichen unnd seinem weib, befalch auch, daß sie das kind mitbringen solten. Sollichs geschah mit gůtem willen. Sie kamen beid auff einen suntag zů morgen sampt dem kind. Herman hat ein herrlich malzeit zůbereitten lassen, zů dem berüfft er all seine gůten freund.

Als nun jederman zů tisch gesessen, hatt er erstlich vor ihn allen angefangen zů reden unnd gesagt: ›Ihr mein allerliebsten angenemesten freund und gönner, damit man nit sprechen oder zum wenigsten gedencken möcht, mein zůsagen und versprechen wer hinder dem wein und im schlafftrünck beschehen,[273] so ist mein bitt an euch allsam in gemein, wöllend mich vernemen und meinem zusagen und versprechen gewisse zeugen sein. Dann ich mich mit meiner gemaheln Lyseta underret und mit irem gůten willen beschlossen hab, das diß kind, so zugegen stat, uff disen tag und hinfürbaß für und nit anderst dann mein eygener son, welchen ich von meiner liebsten gemahel überkommen, sol gehalten werden. Er solle aber sich hierumb seiner elteren nicht entschlagen, sonder von allem meinem gesind dohin gewisen werden, das dise sein natürlich vatter und můter seyend. Sodann sollend sie beide ihren freyen teglichen zůgang zů disem ihrem son haben, welchen ich biß zu seinen mannbaren jaren aufferziehen und mit aller notdurfft versorgen will, dannoch mit einer ehrlichen tochter versehen unnd außsteüren als mein einig und eigener son. Des zu zeugnuß hab ich euch zu disem malzeit berůffen. Darumb sind frölich mit mir!‹

Diß versprechen unnd zůsagen gefiel ihn allen fast wol. Alsbald trůg man die speiß und tranck für, und ward das mal mit grossen freuden vollendet. Also nam Hermannus der kauffmann das kind, befalh daß Lysete, seinem weib, inn gůter pfleg zu halten. Daß richt sie auß nach befelch ihres mans. Hirt Erich aber unnd sein weib wiewol sie wußten, das ihr kindt gantz wol und ehrlich versehen, noch schieden sie mit grossem trawren auß der statt; dann sich das můterlich hertz inn ihn erreget. Als sie aber teglichen inn des kauffmans hauß woneten, vergassen sie ihres trauwrens, dieweil sie ihren son teglichen vor augen sahen.

Sobald nun Lewfrid unnd des kauffmanns son ein wenig zů verstand kamen, ließ sie Hermannus in die schůlen gohn, do sie dann in gar kurtzer zeit fleißig und gar wol studierten, so das sich menigklich jung unnd alt, ab ihrem fleiß verwundren ward, und in sonderheyt ab Lewfriden. Derselb so gantz hohen sinnreichen verstand hat, als wann er zwentzig jar elter gewesen wer. Davon dann alle andren schůler ein sonder auffsehens auff in hatten, sie wurffend in gemeinlich auff für ihr konig und regierer. Lewfrid demnach er nun zů künig erwölet ward, fieng er an die empter zů besetzen, ein jeden, nach dem und er ein verstand hat. Als er nun seine[274] sach und reich nach dem fleißigsten ordiniert, hat die gantz menig der schůlerlin neben der zeit ihrer lernung ein gar fleißiges auffsehens auff in gehabt.

Es was aber noch ein schůl in der statt Salamanca, in welche schůlen gar vil mehr knaben, so vom adel waren, giengen dann in Lewfriden schůlen. Dieselbigen rotteten sich zusamen, verachteten die ander schůl mitsampt ihrem künig, darumb das er eines hirten son und nit vom adel geboren. Semlich verachtung verschmahet die andren jungen fast übel, brachten das für ihren künig. Der meynet auch, im gesche gar unbillichen, ermanet deßhalben seine diener, solchs an seiner widerpart zů rechen, deß sie ihm dann gemeingklich versprachen zů thůn.

Nun was ein junger edler knab in Lewfriden schůlen; sobald derselbig etwas vernam, füget er sich zů. Lewfridens widerpart, sagt und zeiget ihn an allen rahtschlag, so wider sie practiciert. Bald wurffen sie auch einen künig und ihnen auff, der was gar ein junger frecher unnd stoltzer edeller knab. Alsbald sagten die beiden schůlen sonder vorwissens ihrer schůlmeister einander ab, bestimpten ein platz, auff welchem sie auff künfftigen sonnentag zůsamenkommen wolten und ein schlacht mit einander volnbringen. Lewfrid was des gar wol zůfriden, er rüstet sich auff das allerbest, so er mocht, mit seinen gesellen, damit er seim gegentheyl möcht angesigen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 273-275.
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