30.

Wie Walter eines tags mit Lewfriden in junckfraw Angliana gemach gangen und ein schochbret auff dem tisch ligen fand, und wie er mit der junckfrauwen im schoch zoh in beysein des graffen.

[344] In grossen freuden lebten die zwey liebhabenden gar lange zeit. So gewann auch der graff Lewfriden dermassen so lieb, als wann er sein leiblicher son gewesen wer; dann im der lew noch stetigs beywonet unnd zů aller zeit, war er gieng, nachfolget. Davon ihm der graff manche seltzame rechnung machet unnd stetigs gedacht an die wunderbarlich geburt des jünglings Leuwfriden, allweg zů ihm selb saget: ›Diß würt fürwar ein gewisse bedeütung sein, das diser jüngling eines grossen nammens werden würt.‹ Nun hat Leuwfrid den bescheydt von Angliana der junckfrauwen schon empfangen, so das er sich befleissen solt zů zeiten in das frawenzimmer[344] zů kommen, damit man sie beid dest weniger in argwon verdencken solt, wie ir dann die junckfraw Florina gerahten hatt.

Eines tags begab es sich, das Leuwfrid mit seinem gesellen Waltern in der junckfrawen gemach und zimmer kommen was. Angliana kurtz darvor mit ihren junckfrawen im schochzabel gezogen hat, das brett sampt den steinen auff dem tisch hatt stohn lassen. Walther, welcher des spils ein besonder meister was, von stund an das bret erblicket und sagt zů Lewfriden: ›O brůder, jetzund erquicket sich mein hertz und gemüt, so ich nur diß reich schochspyl! ansehen thůn. Ach das mir doch von dem gelück verluhen werden möcht, das ich einmal genůg diß spiel ziehen unnd mein kurtzweil darinn haben solt!‹ Angliana die wort von Walthern gehöret hatt. Dieweil sie nun meynet, das ir in gemeltem spil nit bald jemans obligen möcht, sagt sie mit freuden: ›Walter, mein lieber freund, seidt ihr des spils bericht, so ziehend mir eins oder zwey für die lange weil, warumb euch liebt.‹ – ›Gnedige junckfraw‹ sagt Walter, ›ich bin ein schůler des spils. Darumb mir nit gar wol gebüren will umb ein gewinnes zů ziehen; dann ich sorg, euwer gnad werd mir zů scharpff sein.‹ – ›Das laßt bleiben,‹ sagt Angliana, ›laßt uns ein zeitlang kurtzweilen!‹

Also sassen sie zůsamen an ein taffel. Angliana brauchet, was sie kondt. Walther aber, ein gantz listiger jüngling, nam fleißig war, was züg und fortheyl die junckfraw sich gebrauchet. Das erst, ander und dritt spiel ließ er sie gewinnen. ›Gnedige junckfraw,‹ sagt Walther, ›ich befind bey mir selb, wo mir nit gwinn oder verlust an disem spil stoht, so wird ichs nimmer recht gelernen. Darumb soll es hinfürbaß etwas gelten.‹ – ›Deß bin ich seer wol zůfriden,‹ sagt Angliana, ›es gelt recht wol, was ihr wöllend.‹

Walther hatt an seinem finger gar ein schönes ringlin; das nam er darab und sagt: ›Gnedige junckfrauw, diß fingerlin[345] stand zů gewinn. So ewer gnad das gewinnet, solt irs on alles widersprechen haben. Gewinn aber ich das spil, solt ihr diß ringlin selb wirdigen und mir, so vil das werdt ist, für mein gewinn zůstellen.‹ Diß gedings was Angliana seer wol zů můt; dann sie ihr das ringlin nit zůvor genomen hett. Sobald sie aber in das spil kamen, gebrauchte sich Walther aller seiner geschwindigkeyt und kunst, so er vormal je geleret hatt; dann eh die junckfraw Angliana ihr spyl inn ordnung bringen möcht, war sie schoch und mat, so das sie keinen stein mer anrüren kundt. Des sie dann gantz schamrot saß.

In disen dingen kompt der graff in seiner tochter gemach, findet die beiden jüngling darin und Walthern, des kauffmans son, Lewfridens geschwornen brůder, mit Angliana, seiner tochter, im schoch ziehend. Die jüngling beyde erschracken auß der massen gar seer. Das der graff bald waargenummen hatt, sagt derhalben mit lachendem mund zů den beiden jünglingen: ›Ihr gesellen, die sach gefalt mir gar übel an euch. Ich sihe wol, das ir meiner tochter Angliana zů scharpff sind mit dem schochspyl. Dann sie euch beiden nit geschickt genůg sein kan; zwen wissend allzeit mehr dann einer allein. Dem aber sey, wie ihm wöll, ich sihe, mein tochter hatt sich in disem spyl gar verzogen; dann ihr spyl staht auff alle weg schoch und matt. Liebe tochter,‹ sagt der graff, ›wölst dich diß spils verzigen haben und ein newes anfahen. Alsdann will ich dir mit meinem raht zů steur kommen und in gwinn und verlust mit dir ston.‹

Bald hatt Angliana ir spil auffgehaben und von newem angefangen mit Waltern zů ziehen, der sich dann erst geflissen hatt, damit er dem graffen und seiner tochter angesigen möcht. Also haben sie nit lang gezogen, Walter mit seiner geschwinden fürtrechtigkeyt hatt den graffen sampt seiner tochter schoch gebotten. Der graff sich ab den geschwinden zugen nit gnůg verwunderen kundt, das ander spil angefangen, mit zwifachem gelt den gewinn gebessert. Walter aber gantz unerschrocken gewesen, sein kunst und ernst ye mehr gebraucht, dem graffen alle spil zůmal abgewunnen. Als nun der graff gesehen hatt, das er nichts hatt an Walthern erlangen mögen, sind sie auffgestanden, urlaub von Angliana[346] genommen, mit freuden zů dem nachtmal gangen. Leuwfrid unnd Walther aber bey dem graffen zů tisch gesessen seind, in grossen freuden das nachtmal vollbringen thetten.

Das aber andere des graffen gesind nit wenig verschmohen thet, dorfft sich aber keiner under ihn allen mercken lassen. Dann sie alsamen wol abnemen mochten, das in der graff sonderlichen liebet; dann sie gemeinlich auff der lisabonischen reyß auff der hochzeit wol gesehen und gehört hatten, als der künig an den graffen begert hatt, ime Lewfriden an seinem hoff zů lassen, des ihme aber der graff abgeschlagen. Darumb sie wol sehen und gedencken kundten, das dem graffen groß an im gelegen was; schwiegen derhalb zůr sachen, so lang daß Lewfrid von dem glück gantz schäl angesehen ward, als ihr dann nachmals vernemmen werden.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 344-347.
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