37.

Wie Lewfrid von seinem vatter und můtter erkant wirt, deßgleichen auch von Hermano dem kauffman, was grossen freüden do fürgangen.

[361] Hie wend wir ein wenig gschwigen des graffen und seiner tochter und wend anzeygen, mit was grossen freüden der gůt frumb hirt Erich und sein gemahel Felicitas umbgeben würden, als sie vernummen hand, das ihr son zů land kommen frisch und gesund, auch ein sollicher schöner und gerader jüngling worden waß.

Es begab sich, demnach des kauffmans son Walter mit grossem frolocken von seinen eltern empfangen, auch von ihnen gefragt ward, ob sie Lewfriden nit erfarn hetten. Des alles bericht Walter von anfang biß zům end, namlich wie er und sein knecht von etlichen reübern gefangen und geplindert, nackend an einen baum gebunden worden weren, unversehens von Lewfriden erlößt; sagt in auch, was sich an des künigs hoff mit Lotzman dem lewen verloffen het unnd wie derselbig[361] noch bei Lewfriden wer. Er sagt aber nicht, das Lewfrid schon inn der statt an der herberg were; dann ihm Leuwfrid semlichs verbotten hatt. Auff den künfftigen sunnentag ließ ihm Leuwfrid seinen wirt ein köstlich malzeit bereiten unnd überlegt mit Walteren, das er ihm seinen vatter und můtter darzů berüffen, deßgleichen auch seinen schůlmeister, von dem er also sunder urlaub hinweggescheiden wer. Das geschah also.

Walter kam des sontags zů morgen zů seinem vatter und sagt: ›Lieber vatter, wiß, das ich heüt von einem deß künigs diener botschafft von Lewfriden vernummen hab! Derselbig deß künigs diener laßt dich früntlich bitten, du wöllest sampt der můter und meinem schůlmeister zů im kommen, das morgenmal mit im essen; dann er hab gar vil mit euch von Lewfrids wegen zů reden.‹ Hermannus der kauffman sagt: ›Des bin ich seer wol zůfriden. Wiewol ich seines thůns ein gnůgsammen bericht von dir empfangen, wil ich dannocht gern vernemen, was er seinem schůlmeister zů embieten habe.‹ Demnach hat Hermannus sein ordnung mit seinem weib gemacht, sind also mit grossen freüden zů dem imbiß gangen; auch ist der schůlmeister von Waltern zů dem mal gebracht worden. Under disen dingen hat Lewfrid ein botten auff den mayerhoff zů seinem vatter und můter geschicket, ihn auch sagen laßen, wie er ein bottschafft von ihrem sůn an sie zů werben hab.

Der gůt meyer, so in langer zeit von seinem sůn nichs vernummen, hat sich sampt seinem weib eylens auff den weg gemacht und der statt zů geeylet, in die herberg kommen. Lewfrid, so noch von niemandt er kandt, stund bei Hermanno und seinem schůlmeister, unnd trůg man jetzund schon die erst richt auff den tisch. Und als sie kaum nidergesessen waren, kumpt nieyer Erich unnd sein haußfraw Felicitas in den saal gegangen, dem frembden gast nachfragen wurden. Der wardt ihn zůhandt gezeygett; er aber gleißnet, als ob er sie gar nicht kennet. Sein gesell Walter sagt zů ihm: ›Frünt, hie mügendt ihr eüwers gesellen Leuwfriden vatter unnd můter sehn. Die kommen gekleydt nach ihrer begangenschafft; dann sie nicht wie Leuwfrid an fürstenhöfen vil zů schaffen gehabt.‹ – ›Ich sihe sie fast gern,‹ sagt Lewfrid, nam sie[362] damit beidesamen, satzte sie zů der taffel, und ward das mal mit grossen freuden volendet, biß man jetz die letst tracht gab. Unnd ward gar vil von Lewfriden zů allen theylen geredt; niemandt aber gedacht in so nahend sein. ›Ach,‹ sagt Felicitas, ›ließ mich gott den tag erleben, das ich meinen liebsten son einmal sehen solt, mir möcht kein grössere zeitliche freud zůhanden gohn.‹ Fing damit bitterlichen an zů seufftzen und die zeher auß ihren augen zů vergiessen.

Semlichs bewegt Lewfriden der maß, das er von der tafel můßt auffston. Nam sich eines geschefftes an, ging zů seinem pferdt, bei dem lag Lotzman der lew in der strewin an einer kettin gebunden. Lewfrid sagt zů im: ›Kum her, mein lieber gleitsman und getrewer gefert! Jetzund will ich dir deinen ersten meister zeigen.‹ Laßt in damit von der kettin und fůrt in mit im in den sal zů seinen liebsten gesten und sagt: ›Nun sihe dich wol unnd eben umb, mein lieber Lotzman! Ist auch jemans an diser tafeln, so dir bekant ist?‹ Zůhand ist der lew zů Erichen, seinem alten herren, gegangen, sich mit gar freundtlichen geberden gegen im erzeiget. Den hat Erich zůstund erkennet, in mit grossen freuden gesehen und angeredt.

Hermanus der kauffmann sagt überlaut: ›Warlich, lieben fründ, mich will schier geduncken, Lewfrid sey nit ferr von uns. Es betriegen mich dann meine gedancken, so ist er inn disem sal.‹ Leuwfrid wolt sich nit mehr verbergen, umbfieng seinen vatter unnd sagt: ›Gegrüßt seyest du, mein allerliebster vatter, biß wol zů můt! Dann hie ist Leuwfrid, wellichen du begerst zů sehen. Unnd du, mein hertzliebste můter, gehab dich wol! Dann jetzund sihest du Leuwfriden, deinen son.‹ Do ward seer grosse freud inn dem saal.

Dann, als er sie allsamen freundtlich gegrüßt hat, sind sie wider zůsammen gesessen. Hatt Lyseta, des kauffmans weib, angefangen und gesagt: ›Ach mein Lewfrid, wie hast du an deinem hertzen mügen haben, uns so lang auffzůhalten, das du dich nit zů erkennen gegeben hast! Nun weystu doch, daß du nit minder von mir unnd meinem herren geliebt bist als von deinen hiezůgegen natürlichen vatter und můter.‹ Drauff sagt Lewfrid: ›Deß bin ich sonder zweifel. Das ich aber mich so langsam zů erkennen geben hab, ist[363] allein darumb geschehen, das ich in sorgen stund, ir alle trügen noch grossen zorn gegen mir von wegen meines heimlichen hinscheidens. Dieweil ich aber allen gunst und liebe von euch, meinen eltern, vernim, auch mein schůlmeister mir gentzlich vergeben hat, welcher dann nit kleine ursach hat über mich zů zürnen, bin ich jetzund mit freuden umbgeben.‹ Also ward die übrig zeit mit grossen freuden verzert, und belib Lewfrid etlich tag bey seinem herren.

Die beleiben also bey einander; so wend wir weiter sagen, wie es dem graffen und seiner tochter gangen ist.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 361-364.
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