5.

Wie Lewfrid an eines graffen hoff in die küchen kam und küchenbůb ward, wie in der meisterkoch fast lieb gewan; weiter von seinem wolsingen.

[278] Lewfrid mit grossem leyd von dannen zoch; dann im was unverborgen, sein vatter und můter wirden in mit grosser kümernus suchen, als dann auch geschah. Seinem herren, dem kauffmann, ward auch hertzlichen leyd umb den knaben; sonderlich als er seinen schůlsack ersucht, fande er den brieff, wellichen Lewfrid geschriben und hinder im gelassen het; darumb er dann kein hoffnung mer hat, das der knab widerkommen solt. Nit minder traureten seine schůlgesellen umb iren könig. Dis blib also.

Lewfrid, der gůt jung, zog so lang, biß er sein bargelt, so ihm zů gůten jaren worden, gantz verzeret; er was auch gar weit auß dem land, also das er gůter hoffnung was, in wird niemants mer erfragen noch erfaren. Er kam in ein schöne statt, darinn was ein mechtiges schloss, daruff ein graf hof hielt. Lewfrid gedacht in im selb: ›Möcht mir durch das glück so vil gnad verlihen werden, das ich auff das schloß an[278] hof kommen möcht, ich wolt mich gantz muckerlich halten, damit ich mit der zeit ein reysiger knecht werden möcht.‹ In solchen gedancken gieng er für die porten des schloß.

Nun was kurtz darvor dem meisterkoch ein kuchenbůb entlauffen. Sobald Lewfrid für die porten kam, klopffet er an, fragt den pfortner, ob man keines jungen knaben inn dem schloß bedorfft. Der portner gab im ein gůte partecken, sagt im, er solt ein weil warten, er wolt in dem koch ansagen. Also kam er bald sampt dem koch. Sobald er aber von dem koch ersehen ward, sagt der koch: ›Lieber son, ich sorg, du seyest mir zů jung; sonst wolt ichs mit dir wagen.‹ – ›Lieber meyster,‹ sagt Lewfrid, ›ir solt euch mein jugent und kleine person nit irren lassen. Ich will mein befelch dapffer wissen außzůrichten, als wer ich gleichwol noch so groß.‹ Der koch verwundert sich ab der klůgen red des jungen, nam ihn bey der hand, fůrt in mit ihm inn die kuchen. Darinn ubt sich Lewfrid gar dapferlich; dann alles, das im sein meister underhand gab, griff er so frischlich an, als wann er all sein tag darbey wer gewesen. So er auch etwas schaffet, sang er gar dapffer und frölich darzů; damit kürtzet er allen denen die zeit, so umb ihn waren. Sein meyster gewan ihn fast lieb und wert, so hielt er sich gegen allem hoffgesind gantz underdienstbar. Wann sich dann begab summerszeiten, das er sein geschefft nach dem nachtmal außgericht, hatt er gewonheyt, hinden am schloß inn einem schönen garten ein liedlin oder zwey von heller stimmen zu singen, welchem gesang alles hoffgesind allwegen fleißig oren gab; dann Lewfrid der jüngling ein gar liebliche und süsse stimm hat.

Der graff hat ein schöne tochter mit namen Angliana. Dieselbig hat ir zimmer hinden an dem schloß, darinn hat sie gar vil schöner junckfrawen, so ir zůgegeben wurden als einer zuchtmeisterin, zucht und höflicheyt bey iren zů lernen, deren sie dann von irer můter seligen fast wol underricht worden was. Sie hat den preiß in aller künstlichen arbeyt als mit sticken, stricken, wircken, nähen unnd was von seiden und gold gearbeit werden. Sie über- und fürtraff die Arachne, welche understůnd mit Palladi zů wircken; mit gesang und seytenspil sonder lauten unnd harpffen wer sie zwar Sapho[279] nit gewichen. Sie was auch mit jederman freundtlich, gegen allem hoffgesind sanfftmütig. Das gemach, inn welchem sie sampt ihren junckfrawen wonet, hat alle liechter und fenster in gemelten garten; derohalben Angliana sampt ihren hoffjunckfrauwen nit wenig lust von des jünglings gesang empfiengen. Der graff aber, so er in seinem gemach was, mocht den jüngling nit hören.

Diß bestund also den summer fort auß, biß jetzund der herbst vergangen und der trüb winter mit seinen dicken unnd schwartztrüben wolcken doherfůr. Der zeit ward Lewfrid nit mehr inn dem garten gehört. So sich aber begab unnd das hoffgesind bey einander inn der hoffstuben winterszeit kurtzweil hatt, brachten sie allwegen Lewfriden mit gůten worten an, das er sein stimm hören ließ, davon im dann sein meister, der koch, ein sondere freüd nam. Also kam Lewfrid in ein solche übung mit dem hoffgesind, welchs ihm vil und mancherley schöner reutterliedlin zůstelleten, so das er den winter anfieng von im selb künstliche text und liedlin zu tichten, hatt auch ausserthalb seiner geschefft kein ander sinnen noch gedencken. Das hoffgesind gewan in so lieb, das ein jeder umb ihn sein wolt, ward ihm auch von den jungen edelleuten vil gůter schencken zůgestellet, also das er sich in kurtzem gar wol bessert. Wann ihm dann etwas verehret ward von gold oder geldt, gab er es allwegen seinem meister inn sein behaltnus. Und wann er sovil zusamen mochte bringen, machte er im schöne kleider, überkam derhalben neben der hoffkleydung sehr köstliche und schöne kleyder.

Diß belib jetz also. Fürbaß wöllend wir sagen, waß sich weiters mit Lewfriden verloffen hab.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 278-280.
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