7.

Wie Lewfrid eines tags von dem graffen in dem gartten bey einem rosenstock funden ward, als er nach seiner alten gewonheyt gar lieblichen sang, und wie in der graff auß der kuche nam.

[283] Demnach der winter jetz vergangen, der lieblich und süß mey all felder erfrischt und mit zierlichen blümlein bekleidt, fing Lewfrid sein alten brauch zů müßigen zeiten wider an; dann er hat das fewr der liebe zum theil abgekület mit dem, das er alle ort, weg und steg vermeiden thet, wo er gedencken möcht, das im Angliana zů gesicht käm.

Eines tags begab sichs von ungeschicht, das er in dem garten saß under einem roßenheldt, besorget sich gar nit, das zů solcher zeit jemans mer inn den garten kommen solt. Er sang von heller stimm so lieblich, das ihm die vögel mit ihrem gesang antwort geben müßten. Von ungeschicht begab sichs,[283] das der graff mit ettlichen frembden herren inn gemeldtem garten spatzieren giengen. Wenig von dem jüngling wissens hatt; dann er sein vormals gar kein achtung gehabt, so hat er auch sein stimm nie gehört. Die frembden herren, so mit dem grafen in den garten waren kumen, vermeynten, es wer ein sonder anschickung von dem graffen, der thet in das zů einer kurtzweil. Als aber der graf nit minder verwunderen ab dem lieblichen singen hatt, nam es sie nit wenig wunder; denn der graff stund auff im selb gantz stilschwigend und gar nichs redend, biß Lewfrid ein gesetz außgesang. Sagt der graff: ›Fürwar diß ist mir ein seltzammer snmmervogel in meinem garten, dem gleich ich nie mer keinen darin gespirt hab,‹ Mit disen worten nähnet er sich der rosenhurst, find also den jüngling Lewfriden drunder sitzen frölichen singen. Der graff gantz stillschwigend sampt den andern herren hinder dem rosenhag stilstunden, biß Lewfrid sein lied gar absolviert und außgesungen hatt. Demnach sind sie zů im in das rosenheld gangen.

Lewfrid, als er seinen herrn, den graffen, erblicket, ist gar übel erschrocken, also das er vor grossem schrecken nit kund auffston. Diß nam der graff und die andern herren eben war. Der graff sprach in gar tugentlichen an und sagt: ›Jüngling, biß eines gůten můts! Diser fundt soll dir noch zů grossem gelück reychen. Dann ich sihe wol, du bist meines hofgesindes; solchs zeygt mir dein kleidung an. Bey wem du aber seyest, ist mir verborgen. Darumb solt du mir nicht verbergen und mir dein befelch anzeigen. Ist er zů gering, so verschaff ich, das er dir gebessert wirt.‹ Also sagt im Lewfrid alle sach. Der graff sagt: ›Du solt deiner gůten stimm und wolsingens geniessen und an ein andern und bessern dienst kummen, dann du jetzund bist. Ich will dich in Angliana, meiner tochter, zimmer zů einem kammerbůben ordnen; da magstu besser tag haben dann in der kuchen.‹[284]

Also nam in der graff von stund an, fůrt in mit im zů seiner tochter. Sobald Lewfrid junckfrawen Angliana ansichtig ward, von stund an ist der flammen der liebe in im von newem entzündt unnd vil mer in liebe gegen ir brinnen worden dann vormals nie. Doch hatt er das gantz verborgenlich können vertrechen, ist im aber ein grosse freüd gewesen, das er jetzund ein diener der junckfrawen werden solt. Der graff sagt: ›Angliana, liebste tochter, mir ist unverborgen, das du in deinem zimmer eines züchtigen knaben von nöten bist. Darumb hab ich dir disen jungen jetzund herbracht, den magstu in deinem dienst brauchen nach deinem gefallen; dann sunst soll er mit keinen andren geschefften beladen werden.‹ – Diß hat der graff mit seiner tochter geredt. Lewfrid was ein überaus schöner jüngling, darbey gantz züchtiger geberd. Das hatt die junckfraw zůhand gar flisig wargenummen, hat derhalben irem vatter mit züchtigen worten früntlichen danck gesagt, das er sie in allen dingen so gantz vetterlichen versehen thet.

Als nu der graff einen abscheit mit seiner tochter machet, gieng er wider von ir, nam mit im Leufriden. Der was in allerhöchsten freuden; er gieng zů seinem meister, dem koch, sagt im, wie sich die sachen zůge tragen hetten. Der koch, wiewol er Lewfriden nit gern in der kuchin mangelt, dannocht günnet er im wol, das er also ein gnedigen herren an dem graffen hat; er ermant in auch, das er seines diensts mit allem fleiß warten solt, damit er hinnach an ein höher und besser ampt komen möcht. Das versprach im Lewfrid, dancket im auch aller gůthat, so im, dieweil er bey im gewesen was, von im widerfaren, nam damit seinen abscheid von im und trat mit freuden an sein newes ampt und befelch. Den fieng er mit solcher geschickligkeyt an, sam were er all sein tag in frawenzimmern und an fürstenböfen gewesen.

Angliana hat hiezwischen auch erfaren, das Lewfrid eben der jüngling was, so zu summerszeiten in dem garten gesungen. Deßhalben hat sie ein sondere freud, das Lewfrid ir diener werden solt. Nit weniger freweten sich auch ire junckfrawen; dann sie verhofften, Lewfrid wird in zů zeiten mit seinem gesang freud und kurtzweil machen, wie dann auch zů mermolen geschehen thet. Diß belib also.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 283-285.
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