10.

Wie Fridbert und Felix auff die hohe schůlen gezogen, dermassen so wol studiert, das er in kurtzer zeit magister ward, demnach bald doctoriert und ward obrister kantzellarius am hoff zů Preüssen, Felix aber ein weitberümpter doctor in der medicin, kam derhalb zů grossen wirdin.

[33] Schimpflich stund es, solten die untugenden der zweyer jungen also außgestreichen werden und aber die gůten sitten und fleißigs anhalten zů der lernung nit auch mit ihrem verdienst an tag brocht werden. Nemend war, nachdem Wilbaldus sampt dem Lottario in ir schalckeit verharret, also fluchtig mit einander darvon gelauffen und niemant dann die[33] můter wissen getragen, wo sie kummen oder an welchem ort sie sich enthalten haben, ist der gůt alt ritter Gottlieb schwerlich in seinem hertzen bekummert gewesen. Doch hat er ihm etwas trostes genummen von seinem angenummen son Fridberto, welcher sich dann in so fleißiger arbeit täglich in der schůl und zů hauß ob seinen büchem halten thet, das er all ander seins alters und nierers alters weit übertreffen ward, des im dann sein schůlmeister unnd pedagogus groß freüd namen.

Der schůlmeister ward auff ein hochzeitlichen tag von dem alten ritter zů gast geladen, damit er von im befragt wirde, wie im Fridbertus gefiel, ob er etwas verhofft auß im zů werden. Des im der schůlmeister antwurt: ›Strenger herr, von seiner geschickligkeit ist nit zů reden; dann er übertrifft alle andre meine schůler, so ich hab under meiner rhůten. Schad ist es, das man in nit zůr hohen schůlen fürdret. Fürwar so im gott sein läben laßt, er würt ein fürtrenich man werden, in was facultet man in doch studieren laßt.‹

Die wort fasset der gůt alt ritter in sein hertz, und mit einem grossen seüfftzen sagt er: ›O Fortuna, wie bistu so ein unstanthaffte göttin! Wer soll sich an dich lassen! Fürwar niemans. Dann so mehr du einem under augen anlachest, so mehr soll er sich hinder yhm deines außgezognen schwerts besorgen. So mer dein glantz herlich erscheinet, so grösser ist die dunckelheit, nebel unnd finsternis under dir verborgen, welche dein glantzenden schein schneller bedecken dann das trieb gewilck die sunnen. Bin ich nit menicklich ein genůgsam exempel? Disen Fridbertum hab ich auß lauter grosser erbermd auß seines vatters sewstellen, scholleten ackern und rauher wonung genummen, das er meinem einigen son, so mir von gott geben was, solt ein gesell sein, damit er sich nit ursach hett zů beklagen, ich ließ ihm kein gesellschafft zů. Zůdem hab ich sie beid mit einem züchtigen pedagogen versehen, welchem ich meines sones halben kein schuld mehr geben kan; dann er sein möglichsten fleiß angewendt hat. Was ist aber geschehen? Diser meines meyers son, den hastu, o Glück, mit deinen gnaden angesehen; den andren meinen son, so von adelichen geblüt erboren, den hastu schmehlichen under deine füß getreten. Darumb dir dann gar nichs zů getreüwen.[34] O du untrewes Glück, wie hastu mich armen ritter in so grosses ellend gesetzet; dann ich all mein hoffnung auff disen son gestelt hab. Dieweil die ding aber anders nit ergon mögen, so wil ichs gott, meinem schöpffer, befelhen und meinen son gantz auß meinem hertzen schliessen, disen meinen angenummen son Fridbertum für meinen rechten unnd lieben son haben, dieweil es veilicht also gottes willen geordnet hat.‹

Von disen worten des ritters weib so grossen schmertzen empfieng, das sie von dem tisch auffston und zů bett niderligen můßt, ir zeit mit solchem klagen, weinen und schmertzen verzeret, das sie in ktirtzen tagen ein hart grimmen in irem leib überkam, welches sie jar und tag gar schwerlich trenget, zůletz verzertes fleischs auß diser zeit verscheiden ist. Davon dem gůten alten ritter new leiden zůstund; nam im gentzlichen für, sein leben on ein weib zů verschleissen.

Fridbert was sein son und haußhalter sampt seinem zůchtmeister Felixen, welchen Fridbertus schon an dem zeil erreichet hat und im jetz anfieng fürzůlauffen. Sein vatter was jetz mit tod abgangen, hat hinder ihm verlassen sön tmd töchtern, so all schon erwachsen waren und den ackerbaw für sich selb füren kundten. Gottlieb, der alt ritter, nam zů ihm Patrix, des Fridberti můter, was jetzund ein zimlich alt betagt weib. Sie hat aller haußhaltung befelch als über mägt und andre haußgeschefft. Was aber die knecht betraff, sollichs versahe Fridbertus, der fieng jetz an gantz mannlich zů werden und eines klůgen verstands. Also macht sich Gottlieb aller ding zů rhů, dienet allein gott dem almechtigen; doch so fürsach er sein ampt an des hochteüschmeisters hoff fürbas hin. Wiewol er semlichen dienst gern von ihm geschopffet, noch wolt in sein herr des nit entladen von wegen seiner tuget und frumkeit. Ihn hat von wegen seines alters alles hoffgeseind in grossen würden unnd ehren; dann er sich mit dem ringsten als mit dem grösten gar freüntlich halten kond.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 33-35.
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