17.

Wie Wilibaldo ein wolff under sein vieh kam und im vil schaden thet, also das er seinem meister entlauffen můßt.

[53] Wilibaldus, der armůtselig glückvogell, was jetzund schon gewonet, bey dem vieh auff dem fäld sein zeit zů verzeren.[53] Etwann zů zeiten saß er an der sunnen, seine schů flicken, darnach bletzet er im selb seine hoßen; auch, fiengen im all seine kleyder abgon. Wo im dann ein loch in sein rock kam, büßet er ein andren bletz daruber, achtet nit der farben, ob sie seinem rock vergleichen oder nit. Er nam auch für gůt;, so im die leuß mit hauffen in seine kleider nistetten. Rauhes und schwartzes brod was sein speiß; und wann in gott ziblen und knoblauch bereit, hat er ihm wohl für gůt, meynet, er het ein gůten imbiß gehat. Also můß man solchen schleckmüleren kochen, so vormals aller gůten beißlein gewont waren. Do giengs nimmer auff brabendisch zů: malmasier und mett was dem gůten Wilbaldo gantz teür worden; dann er můßt sich der kalten brunnen und fliesenden bechlein behelffen. In seines vatters haus mocht er nit läben als ein edelmann mit schönen kleyderen geziert, nach dem für andre jungen in ehren gehalten mit köstlicher reicher speiß unnd dranck fürsehen. Das aber schmackt ihm vil baß, ließ sich auch mehr in des bawren hauß dann in seines vatters küche benügen.

Es wolt aber das unstet und wanckelmütig gelück noch nit vernügt sein. Dann als der arm hirt Wilibaldus eines tags mit seinem vieh zů feld lag, zů allem unglück keinen hund bey im hat, fůr nit weit von einem wald uff gůter weyd. Als es nun umb mittentag und die sonn fast heyß scheinnen was, rucket Wilbaldus zů dem wald, damit das vieh schatten möcht haben. Er legt sich under ein schöne dicke eychen an den schatten schlaffen und entschlieff gar hart. In dem kummen auß dem waldt ein hauffen wölff, rissen und zerten im etlich vieh zů boden unnd erwürgten deren manig stuck. Wilbaldus hart enschlaffen hort noch wußt von semlichen schaden und unfal gar nichts, erwachet auch nit, biß der schaden geschehen.

Als er nun gnůg geschlaffen und auffgestanden, was er umb sich sehen nach seinem vieh; das lieff im feld umb gantz zerstrewet und forchtsam. Er kumpt an das ort, findt den übrigen aaß, so dann die wolff hatten übergelassen, erkand[54] wol, das seines bawren vieh gewesen was. Wer erschrack übler dann Wilibaldus! Er raufft im selb das har auß und klagt jämerlichen: ›O mort‹, sagt er, ›mir armen betrübten hirten! Wo soll ich nun auß! Zů meinem meister darff ich nit mehr kummen. Jetzund ist mein verdienter lon dohin, meine kleyder seind zerrissen, und solt mich mein meister auff den winter gekleit haben. Ich aber darff im nit mehr under augen kummen, und was ich noch in seinem hauß von alten lumpen hab, můß ich auch hinder mir lassen. Ach, ach mir armen Wilbalde! O du schantlicher Lottarius, wie wirt mir aber deiner schantlichen geselschafft gelonet! O du mein früntlicher lieber Fridbert, du mein getrewer brůder, wie wirt mir jetzund deiner getrewen warnung so gar eingedenck! Aber zů spat, zů spat hab ich hinder mich gesehen. O Felix, du mein lieber zuchtmeister, wie hab ich dir deiner grossen treüw so gar übel gelonet! Du hast mir brüderlich gerhaten; ich aber hab die ding nie bedocht. Umb dein vätterliche straff und zuchtigung stach ich dich durch einen schenckel, das dann auch meiner flucht gröste ursach gewesen ist. Wolan, mir ist weder zů rhaten noch zů helffen nimmermer.‹

Wie der arm Wilbaldus in so grosser klag und jamer was, ersicht er von ferrem seinen meister herreiten; dann im von seinen nachbauren gesagt was, wie sein vieh on einen hirten in weitem felt gantz verscheycht unnd irr gieng. Er reit im feld rumher, treib das, so best er mocht, zůsammen. Wilbaldus wolt sich nit lenger saumen, erwuscht sein hirtentasch, stab und riemen, eilet dem dicken wald zů, schloff unnd kroch in grossen sorgen durch alles gestrip und rauhen dornhecken, zerriß und zerzert sich fast übel, also das im sein gantzer leib verseret was. Dann er meynet nit anders, dann sein meister ritt, umb in zů suchen.

Der meister kam zůletz auff die walstatt, auff welcher sein zerrissen und erbissen vieh lag. Do sah er wol, das der wolff ein michel teil ob in gewesen, gedocht nit anderst, dann Willibaldus wer von in auch umbkummen. Er saumbt sich nit lang, reit zů hauß, treib mit ihm sein überbliben vieh; dann er sorget sich auch vor den wolffen.

Wilbaldus aber vor grossen sorgen und engsten gedocht[55] der wölff nit mehr, biß jetzund die finster nacht herinbrach. Do fieng ihm an der haß in bůßen lauffen unnd die katz den rucken auff; er růfft gott und all sein heylgen an, sie solten ime auß dem finstern wald helffen. Die nacht aber kam mit solcher finsternüs, das er keinen sticken mer sehen kondt. Das gantz holtz daucht in voller bären und wölff sein. ›Ach gott‹, gedacht er, ›wo soll ich auß! Steig ich auff einen baum, so bin ich wol sicher vor den wölffen und wilden schweinen. Wer frist mich aber vor den graussamen bären und lüchßen, deren dann gar vil in disem wald seind! Nun ist mein leben all mein tag in grössern geforen nie gestanden. Ach warumb hab ich meines meisters nit gewartet und den todt williglich von irnme gelitten! So were ich doch nit ein aaß der wilden thieren worden.‹

Als er nun in solcher grossen angstbarkeit mancherlei gedenckens ward, stig er doch zůlest auff einen hohen baum, legt sich in ein starcke zwürchgabel, band sich selb mit seinem gürtel daran, damit, so er entschlieff, nit herabfiel. Im aber kam dieselbige nacht kein schlaff in seinen augen, sunder was in grossen engsten und sorgen; die nacht was im so lang, als im all seine tag nacht je worden war. Sobald nun der bletlein eins von einem baum riß, meynet er, es wer ein wild thier oder sunst ein ungeheür. Er erschwitzet sich die nacht gar wol auff dem baum.

Sobald es nun tag ward, steig er von dem baum herab, gieng so lang, bis er auff ein gůten und getreibnen weg kam. Der furt ihn auß dem wald an ein seer groß wasser, Wiell genant; daran ligt ein statt, heyset Dobrin. In die kam er gantz schwach und hüngerig. Er gieng für die burgersheüser, bat sie umb brot durch gottes willen. Von ungeschicht begab sichs, das der sewhirt in der statt keinen knecht hat; der dinget in umb einen lohn. Deß war er gar fro. Also dienet er im so wol, eh dann ein vierteil eines jars hinging, macht er ihm andre kleider, damit er sich vor dem frost und regen mocht bewaren und erneren. Er gab ihm auch baß under die zen dann der bawr, bey welchem er vor gewesen was.

Jetz wend wir Wilbaldum bei seinem hirten bleiben lassen und sagen von der köstlichen hochzeit, so zů Boßna an dem[56] hoff ward gehalten, als Fridbert und Felix zů kirchen gangen sein.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 53-57.
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