3.

Wie die beiden jüngeling zů schůlen gethon wurden, und wie Fridbert, des bawren son, den Wilbaldum weit an der lernung übertreffen ward.

[10] Als nun die kinder in groß lieb von dem ritter und seinem gemahel aufferzogen wurden, gantz suber und zertlich mit gleicher kleidung und anderem versehen, Fridbert der jüngling was jetzund siben jar alt und Wilbald, des ritters son, sechsjärig, also das Gottfriden dem ritter gefallen thet, die kinder zů der schůlen und andren freyen künsten zů ziehen. Des er dann fründtlich mit seinem weib sich underredt, wurden also glych mit einander beschliessen, im also nachzůkommen. Der ritter sach ihm umb einen frummen züchtigen knaben, welcher sie zů schůlen fürte und fleißige sorg und achtung auff die beiden jungen hett. Denselbigen iren pedagogen versolt der ritter erlichen und wol; mit kleidung, büchern und allem dem, so im von nöten was, ward er auff das rüchlichst versehen.

Der gůt jung underzog sich der kinder mit ganzem fleiß, damit die kinder früntlich und nit mit bolderischer weiß zů der lernung gezogen wurden. Diß verfieng auch an den beiden kinden seer wol. Dann sie in kurzer zeit dohin gericht wurden, so, was in fürkam, sie lesen und schriben konden, und insonders Fridbert, welcher sich dermassen mit so gar grossem fleiß auff die lernung begab, das sich sein schůl- und zuchtmeister des nit genůg verwunderen mochten. Darumb sich dann sein zuchtmeister anam, in etwas darvon abzůziehen, damit[10] der jung nit blöd wird. Beyweilen so fůrt er die beiden jungen in die lustigen grůnen wisen, ein andre zeit in die schönen gepfiantzten gärten, etwann in die grünen wäld, domit sie ir gemüt durch der vogel singen erlustigten. Dann ihm was unverborgen, das zů vil emsiges anhalten zů der lernung nicht anders geburt dann melancolia und andere schwere zůfell, sonderlich bey den subtilen ingenia.

Wann sichs dann begab, das Wilbaldus und Fridbert sampt irem zuchtmeister spatziereten und mit inen andre junge knaben ires alters, so was alweg Fridbert der freüntlichest, züchtigest und ernsthafftigest. Er underzog sich nit vil kindischer sachen, als mit den kloß, klucker oder anderen zů spylen, sonder sůcht er seinen lust in den schönen naturlichen gewechsen als blůmen und anderen zierlichen kreüteren; deren gestalt und schonheit er alweg mit gantzem fleiß beschawen und betrachten thet, seinen zuchtmeister, so weit sein kindischer verstand grieffen mocht, von disen und anderen naturlichen dingen fraget, auch ein jedes mit seinem eygen nammen nach latinischer sprach begert zů erlernen, mit rechtem nammen zů nennen. Sobald im dann sollichs von seinem meyster gesagt, bald was er gerüst mit einer schreibtaffel, verzeychnet ein jedes ganz fleissig uff.

Wilbaldus aber, sein vermeinter brůder, treib gleich das widerspyl, sůchet sein geselschafft; die mit im unzüchtiglichen hin und har umbschwirmeten, jetzund schlagen, dann rauffen, und nam sich auch der lernung gar wenig und ye lenger ye minder an. Darvon ward sein zuchtmeyster unmůtig, straffet in zů zeiten mit freüntlichen worten, also sprechend: ›Mein allerliebster Wilbald, wie magstu deinem brůder so gantz ungelich läben, und sichst doch, wie loblich im anstat, das er sich nach seiner jugent so zierlich und weißlich haltet. Ach, ergetz dich mit im und mit dem, darin er freüd und kurtzweil sůchet, und folg nit also den groben unadelichen jungen, die sich keiner tugent, sonder aller unzucht befleissen! Du sichst, von inen das alter verlachet und verspot wirt; all zucht, forcht und scham ist bey denen in keinem wert gehalten. Nun schaw, mein Wilibald, diser, wiewol er von geblüt dir gar nit verwant, sonder von deinem vatter und můter an eines kindes[11] statt angenummen und dir gleich wirt aufferzogen, er tritt in die adelichen füßstapffen, glich wer er von adelichen elteren geboren. Er geselt sich zů denjenen, bei welchen er mag kunst und wyßheit erfaren, und nicht zů dem unverstendig pöfel, wie du gewont bist. Was meynest du doch, wo dein herr vatter und dein fraw můter die sach recht erwegen und bedencken, was ihn semlichs für ein krütz an irem hertzen bring, das du als ir warhafftiger unnd naturlicher son, von gůtem adel geboren, mit disem deinem angenummenen brůder in gleichem flyß aufferzogen wirst und aber die zucht und straff so wenig an dir weder an im verfallen will! Dann er dir in allen dingen weit und starck fürzüht, an vernunfft nimpt er zů, so befleißt er sich aller tugend, kunst und lernung, er ist forchtsam, gehorsamm und doch frölich. Dem wöllest du auch nachfolgen und andre deine geselschafft vermeiden, wellichen dann dise ding gantz widerwertig seind.‹

Dise und deren glichen wort wurden offtmals mit dem jungen Wilbaldo geredt; es verfieng aber gar wenig an im, und ließ im solche warnung und leer alweg zů einem oren hinein, zů dem anderen wider heraußgon; wie dann zů unser zeiten die zartgezognen sünlein noch gewonet seind. So im dann sein zuchtmeister zů hart in den schilt wolt reden, bald lieff er zů seiner můter, klaget ir sein kummernis. Die kam dann bald zů dem zuchtmeister Felice (dann also hieß er mit namen), bat in, das er der blödigkeit des knabens verschonet; er wer doch noch gar kindisch, darzů hett man in nit darumb zů schůlen geschickt, das er solt doctor werden, allein darumb, das er im lust, freüd und kurtzweil mit anderen jungen seinesgelichen haben möcht; ihm were auch als einem einigen son nit von nöten vil zů erkunden und zů erfaren; dann er hett wol in seines vatters hauß zů bleiben und ser grosses gůts warten; darumb solt er in in seinem fürnemen onbetrübt lassen hinfaren.

Der gůt Felix ließ die sach also hingon, wolt nit vil mehr darzů reden, gleichwie noch geschicht in unseren schůlen. So etwann vatter und můter einem schůlmeister ein kind bevelhen und der schůlmeyster wendet sein möglichen fleiß an, das kind ist můtwillig ongezogen, fleißt sich aller bůberey und můtwillens;[12] so dann meynt der gůt mann das kind zů straffen, streichs etwan ein wenig mit růten, sobald lauffts hin, sagt das vatter und můter. Die kummen dann mit grossem grimm und zorn zů dem schůlmeister, verweyssen im schandtlich, sprechen, er hab ihn ihr kind gegeißlet wie die juden unseren herren, nemmend beyweilen die kinder wider auß der schůl, sagen, sie können ire kinder noch wol selbst straffen. Domit so goht dann das schiff an; dann unser son hat jetz- und schon den halsstarck. Stat nit lang, er gibt wenig und alsbald gar nichs umb vatter und můter, und das soll auch also sein. Wolan des genůg! Ich kum wider an die matery.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 10-13.
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