42.
Wie die beiden jüngling sampt iren allerliebsten junckfrawen bei einander in fraw Laureta gemach ir leyd zů beder seyt klagten.

[295] Sobald nun der morgen kummen was, unnd yetz die bestimpt stund kummen war, die vier liebhabenden menschen zůsamen in fraw Laureta gemach kamen, aber sich allsamen nit so frölich als andremal sich erzeygten. Der ritter Gabriotto seinem gsellen darvor alle verloffnen sachen zů wissen gethon hat, damit er sich auch dest baß wißt zů bedencken auff seiner junckfrawen red.

Also fieng der ritter Gabriotto mit erst an zů reden unnd sprach: ›Mein allerliebste junckfraw, ich bitt euch, mir meiner red gnädiglich zů verziehen, dieweil ich also unerlaubt anfah zů reden. Dann fürwar mich ewer schreiben dermassen betrübt hat, das mir nit müglich ist lenger mit meinen worten zů verziehen, dieweil ir mir zůmessen, das ich on ewer urlaub mir fürgenummen hab von euch zů scheyden. Dann warlich mir nye in mein sinn oder gedancken kummen ist; des sey gott mein zeüg. Damit aber ir, allerliebste junckfraw, des ein gewiß zeychen haben mögen, so ist mein erster anschlag nye anders gewesen, dann das ich mich sampt Reinharten ein kurtze zeit von disem hoff thůn wolten, und aber allein darumb, das der künig von seinem fürnemen abstünd. Dann er im entlich fürgenummen hat, in Reinharten meinen gesellen zů wüten, so er ihn mit einem kleinen mehr gegen Rosamunda argwenig find; darauß uns dann allen großer schaden unnd leyd zůstohm möcht. So aber ihr mir, gnädige junckfraw, nit glauben geben wöllt, so gedencken doch, wo ich willens wer nimmer in Engeland zů kummen, das mir doch schwer würd, ich wolt meinen vatter nit also hinder mir lassen; derselb uns dann allzeit bottschafft zů beyder seit thůn mag. Darumb, mein allerliebste junckfraw, so bitt ich euch von wegen aller liebe unnd freündtschafft, so ich euch trag, wöllend mir gnädiglich erlauben. Yedoch will ich die zeit zů ewerem gefallen gestelt haben und mich auch nit leuger saumen dann nach ewerem erlauben.‹[295]

Die junckfraw Philomena wol ermessen kundt, auß was ursach Gabriotto im semliche reyß fürgenummen het. Deshalben sye irs auch dest leichter sein ließ, anhůb und sprach: ›O mein allerliebster ritter so ich deiner widerfart sicher sein möcht, wolt ich dir des lieber erlauben. Wer gibt mir aber sicherung vor dem ungestůmen und wütenden mör? Wer weyßt ob dich der künig auß Franckreich wider von im lassen würt. Villeicht wird er dich zů gisel behalten, so lang dein vatter nit wider zů ihm kumpt. Dann ich zům offtern mal von dir gehört hab, wie der künig deinen vatter mit großem unwillen von ihm gelassen hab, dargegen das dein vatter so hoch behalten hab nymmer in Franckreich zů kummen. So dann dein. vatter nit zů im wolt unnd dich der künig nit lassen, so müst ich ye dein all mein tag beraubt sein. Wo aber diß alles nit wer, so möchten dich villeicht die frantzösischen junckfrewlin mit iren süsen und freündtlichen worten von mir abziehen. Dann man spricht gemeynlich, das das gegenwertig allweg angenemer sei dann das, so man erst mit grosser müh und arbeyt sůchen müß. Darumb, mein allerliebster Gabriotto, gedenck, ob mich dise stuck nit billich beschweren!‹

Der ritter anfieng und sprach: Allerliebste junckfraw, wider das erst, so ir mir fürgehalten hand, kan ich euch nit ein gewisse sicherung zůsagen. Dann so mich der allmechtig gott nit bewaren will, mag er mir wol hie in der statt mein end zůschicken. Ich getraw aber gott dem herren so wol, er werd mich yetz und zů aller zeit beleyten. Zů dem andren, aber, das ir meynendt, der künig mich nymmer von im lassen werd, darzů antwort ich, kein mensch auff erden mich nymmer erhalten mag also, das ich ewerem gebott zůwider sein wöll. Dergleichen sprechen ir, ich möcht mich die frantzösischen junckfrewlin lassen bereden oder mir ein ander lieb erwölen. O mein junckfraw, ich bitt, semliche gedancken außschlagen wöllen und mich nit achten, als ob ich solche wanckelmütige lieb trüg. Dann dieweil mir gott mein sinn und vernunfft bewaret, so würt kein ander mein hertz besitzen, dann allein ir. Dann ich euch vor allen creaturen diser welt lieben thůn; das sond ir in ewigkeyt von mir erfaren. So aber ihr, mein allerliebste junckfraw, ye nit erlauben wend, will ich gern hie bei[296] euch aller angst und nodt erwarten. Yedoch wann ir die sach im grundt erwegen, so mögendt ir ye mein meynung für die besser erkiessen.‹

Die junckfraw Philomena wol ermessen kundt, das der ritter in allem seinem fürnemen den rechten weg vor im hat Darzů bedacht sye auch den grimm ires brůders; dieweil er dem jüngling Reinharten also nachstallt, gedacht sye: Wie vil mehr würd mir mein brůder auffseher bestellen, so ich sein schwester bin! In den gedancken ir entlich fürnam, dem ritter ein jar lang zů erlauben, also sprach: ›Wo dein hertz nit anders gesinnt wer, edler ritter, ich dir ein jar lang erlauben wolt in Franckreich zů reyßen. Hiezwischen mögen sich vil ding zůtragen und verlauffen. Deshalben ich dir, Gabriotto, erlauben will, wann es dir gefalt, das du urlaub von meinem brůder, dem künig, nemen magst. Jedoch solt du von hinnen nit ziehen, du seiest dann noch einmal bei mir gewesen.‹

Rosamunda als sye die wort vernam, kläglichen anhůb zu weynen und sprach: ›O Philomena, allerliebste junckfraw, ich hatt all mein hoffnung auff ewer antwort gestellt; dann ich mich der wort, so ir geredt hand, uit versehen hett. Nun aber mag kein anders nymmermer darauß werden, dieweil ir Gabriotten ewer urlaub geben hand, dann das ich meinen allerliebsten ritter auch verlieren můß.‹

Philomena anfieng und sprach: ›Ach mein allerliebste Rosamunda, mir zweiffelt nit, du die sach baß dann ich erwegen und bedencken kanst. Ist nun Reinhart der ritter dir als lieb, als du sprichst, das ich gantz nit zweiffel, wie woltestu in dann in semlich gefar kunmen lassen, in der er sich seins leibs unnd lebens all stund besorgen müßt, und du dannocht seiner beraubt sein, deßgleich kein hoffnung in zů sehen nymmermehr haben möchtest? Darumb, mein Rosamunda, laß von deinem klagen und gedenck mich zů trösten, wie du dann allweg gethon hast!‹

Mit solchen und andren vil tröstlichen worten Philomena ihr liebe junckfraw Rosamunda bewegt, das sie auch gůtwillig sich darein ergeben thet, wiewol es von in allen mit grossem unwillen beschah, als dann gůt glauben ist. Als sye sich nun ein lange zeit mit einander ersprächt hatten, urlaub[297] von einander namen, yeglichs wider sein straß gieng. Gabriotto seinem vatter, sobald er mocht, all verloffen sachen zů wissen thet.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 295-298.
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