69.
Wie der künig der junckfrawen Rosamunda vatter seiner tochter todt zů wissen thůt.

[369] Demnach es nit lang anstund, der künig dem graffen, Rosamunda vatter, seiner tochter sterben zů wissen thet. Der graff unnd die gräffin grosse klag umb ir tochter fürten, sich zůhandt uffmachten, in Engelandt kamen. Da sie erst aller sachen bericht wurden, erst mit grossem jamer ir allerliebste tochter klagen wurden, als sie vernamen, das Reinhart also ein edler ritter gewesen was unnd ihnen aber das verborgen gewesen wer.

Der graff anhůb zů klagen unnd sprach: ›O Rosamunda, mein allerliebste unnd einige tochter, warumb hast du mir nit dein anligen zů verston geben, dieweil ich doch vernimb den ritter ein so ehrlichen mann gewesen sein! Gott wolt, das ich dich bei leben haben möcht und deinen liebsten ritter! Ich wolt euch beyde aller ewer hoffnung ergetzen; das aber leyder nit mehr geschehen mag. Das ich gott von hymmel klagen můß.‹

Dergleichen klag der graff unnd die gräffin lang fůrten umb ir allerliebste tochter Rosamunda und in langwirigem trauren unnd weynen ir leben zůletst auch endeten. Also hat die einbrünstig liebe so krefftig an disen jungen menschen gewürckt, das sie dardurch ir leben geendt hand. Denen gott die ewig růg geben unnd verlihen wölle, uns auch alle nach disem zergenglichen jamerthal zů im in sein ewigs reich nemmen.

AMEN.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 369.
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