30.
Wie Lasarus der alt seinem sůn die erst lehr gibt, wes er sich gegen menigklich halten sol, damit er von yederman lieb und werdt gehalten werde.

[196] Nachdem nůn die älteren der zweyer gemüt erkundiget, haben sie sich nit lang gesaumet, ir ordnung gemacht, damit Lasarus bald abgefertigt würd. Es hatt aber der alt Lasarus seinen sůn gar früntlichen und vätterlichen underwisen, wes er sich alle zeit gegen fremden und haimischen halten solt; auch lernet er in zůvor, wie er der tugend nachvolgen unnd die laster[196] vermeiden möcht, wie ir dann semlichs auffs kürtzest vernemen werdend.

An einem feyrtag am morgen sehr frü nam Lasarus seinen sůn, mit ihm hinaus allein in einen garten ging, fieng mit im an uff nachvolgende meinung zů reden: ›O mein allerliebster sůn Lasare, du solt wissen, das uns gott durch manigfältige und vil gůtthaten begabt hat, so das wir bey Richarten gar schon und wert gehalten sind. Erstlichen hat er mir, eh dann du uff erdtreich kamest, das haus, in welchem wir sind, zůwegen bracht und das merer thail daran bezalet aus seinem eygenen gůt. Sodann hatt er mir auch grossen fürsatz mit gold und edlen gesteinen gethon und mich gäntzlich darmit verlegt. So hatt er mich auch in Hispanien aus der Türcken schiff und banden entlediget und mit seinem eygenen gelt erkaufft. Zůdem erbeut er sich yetzunder mit gůtem früntlichem willen, dir sein einige tochter Amelia zů rechter ehe zů geben, aber doch mit der condition, das du ein zeitlang under den fremden etwas versůchen und erfaren solt, damit du die frantzösisch sprach lernest. Das alles magst du in Brabant in der stat Antdorff zůwegen bringen; dann daselbst findet man schůlen, darinn man auff allen sprachen studieren mag. Er selbst will dich auch in eygner person dahin begleitten und dir umb einen herren helffen, bey dem du gar wol versorget sein wirst.‹

Darauff antwurt Lasarus: ›Ach mein lieber vatter, mich wunderet warlich nit wenig an dich, das du mich so gäntzlich in wind schlagen wilt. Wie ist doch die vätterlich liebe, so du mir alwegen getragen hast, so gäntzlichen in dir verloschen! Was gedenckest du doch, mein lieber vater, das du mich zum erstenmal so weit von dir schicken und einem solchen kalten land wilt vertrawen! Fürwar wann du die blödigkeit meines leibs ein wenig bass bedächtest, du würdest mich nit so gentzlichen in den wind schlagen. Wann dir got sunst mer kinder geben und beschert hett, alsdann neme mich nit wunder, das du mich also verschatztest. Wann mich nůn got mit grosser kranckheit angreiffen sol, bin ich des tods eygen.[197] Zůdem hab ich offt von dir selbs gehört, was ungetrewen und unbarmhertzigen volcks in Brabant funden werd, so einem kümmerlich unb sein gelt etwas zů lieb werden lassen; und aber du wilt mich gleich in meiner ersten ausfart in ein solche ungetrewe art verschicken. Warumb thüst du mich nit gehn Toleten in die küniglich stat? Da sind auch kunstreiche goldarbeiter, bey welchen ich meines bedunckens wol so vil erfaren und lernen möcht, als wann ich gleich in Brabant were. Von dannen kündt ich dir alwegen schreiben, was mir anleg. Deßgleichen möcht ich auch täglichen erfaren, wie es umb dich und mein liebe můter ein gestalt het, ob ir gesund oder kranck weren. Darumb, mein allerliebster vatter, biss in deinem fürnemmen nit zů geschwind, bedenck die sach wol, ehe dann sie beschiecht, damit du nit etwan mit schmertzen klagen und sagen müssest: Ach gott, ich het das nit gemeint; ich het mich deren ding nit versehen. Dann schnelle handlung unbedacht hat mangem mann gross leiden bracht.‹

Darauff antwort der vatter: ›Mein sůn, du solt nit gedencken, das dise ding mit unbedachtem můt und sunder vorbetrachtung gehandlet werden. Ich sage dir, das der getrew Reichart ein gantz fleissig nachgedenckens hatt, damit deine wolfart einen glückseligen fürgang gewinn. Den herren, zů dem du kummen solt, kennet er ausdermassen wol, hat auch gar vil mit im zů handlen. So kumpt auch nimer kein monat hin, das sie nit gewisse bottschafft zůsamen haben, einander kostliche stein, kleinat und anders überschicken, also das dir an meinem schreiben gar nit manglen wirt, deßgleichen mir auch an dem deinen. Das du dir aber meinest gelegner sein gehn Toleten zů wandren, das mag mit deinem nutz gar nicht geschehen, dieweil du keiner anderen sprachen dan der portugalesischen alda bericht würdest, die du zůvor kanst. Zů Antdorff aber hast du die wal under den schůlen als frantzösisch, spanisch, italianisch und ander mehr, darinn magstu alle tag zů gelegner zeit gon; und so du dann aus der schůlen kumpst, magstu in der künstlichen arbeit dich ergetzen und üben. Darumb, mein Lasare, solt du mir, deinem vatter, inn dem fal nit zůmessen, als wann ich dich so gar gering verschatzte und mich dein also verzeihen wolt.[198] Du solt mir entlich glauben, das du mir der liebst uff diser erden bist; mag mir auch kein lieberer nit werden, dann du ye mein einiger sůn bist. Darumb solt du dir die sach nit anderst uffnemen noch gedencken; dann alles, was ich uff dißmal mit dir fürnemen thů, unb und von wegen deiner wolfart thůt geschehen. Eins můstu thůn; wiltu Reicharten einige tochter zů einem gemahel haben, will sich gebüren, das du im des orts gehorsam seyest. Du bedarffest dich gar nit beschweren in Brabant zů schiffen; dann du zů einem herlichen und geschickten mann kumen wirst. Du solt auch des orts getröst sein, wann dich schon got der almechtig angreiffet, das dein gleich so wol gepflegen wirt, als wann du schon bey mir und deiner můter werest.‹

Als nůn Lasarus der jung die meinung seins vatters vernumen, hat er zůletst mit grossem unwillen sich darein ergeben und gesagt: ›Mein lieber vatter, wiewol mir die raiß gar zůwider ist, noch dannocht lernet mich kintliche trew und liebe, dieweil dir die sach also gefallen will, das ich mirs auch gefallen lassen sol. Darumb ist mein bit, so es anderst nit sein mag, wöllest bald zů den dingen thůn, damit ich nit lang mer uffgehalten werd.‹ – ›Das sol nach deinem begeren beschehen‹, sagt der vatter.

Als sie sich nůn genůgsam miteinander underredt haben, sind sie wider zů haus gangen. Richart, bald er das vernam, schicket er nach dem alten Lasaro, befragt in ernstlich seines sůns halben. Der erzalt ihm alle ding, wie sich die verloffen hetten. Davon Reichart nit wenig frewd empfieng.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 196-199.
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