23.

Von einem abenteurer zů Venedig, der sich stalt, als were er todt, damit er sein haußzins zalt.

[29] Zů Venedig ist der brauch, wie fast an andern orten oder in vil stetten auch, also das gewonlich haußzins für alle ander schuld müssen zalt werden, unnd hand vast die centelomen oder edellüt die heüser zů verleihen; dann man wol ein edelmann findt, der so vil heüser hat und grosse zinß darauß aufhept, daß er darvon mag herrlich haußhalten. Es war aber ein abenteürer, ein verdorbner würt, wölcher zůvor manchen seltzamen schwanck gerissen hette, der war inn das viert jar in einem hauß gesessen unnd hette noch nie kein zinß darvon zalt, sunder den haußherrn oder patronen allweg mit gůten worten und betten aufgehalten, biß so lang das er im zůletst für gericht bieten unnd ließ vil kosten darauff triben, im auff die presun oder gefencknuß treuwet.

Domit diser verdorben würt wol gedacht, es wurde kein gůt end nemmen; deßhalben macht er ein solchen anschlag mit seinem weib, weß sie sich halten solt, wann der haußherr wolt bezalt sein. Unnd auff ein tag, alß er wol wißt, das er kummen wurde, wartet er und sein fraw mit grossem fleiß daruff, unnd alß sie den centelomen mitsampt den schergen[29] sahen kummen, nachdem die gaß zimlich lang was, daß sie in wol sehen kunten, und schon das hauß mit schergen umb die thür, ob er wolt entlauffen, bewart war, hatt er mit seinem weib disen anschlag gemacht, also das er sich in der kammer auff die erden an den rucken niderlegt, und deckt sein weib ein schwartz tůch mit einem weissen kreütz auff in, und zwey liechter also brünnen zů im, eins zů haupten und das ander zůn füssen, aller gestalt alß ob er gestorben und ein leich wäre.

Wie nun der edelmann für die thür kam und klopfft, und sich die schergen verborgen hetten mit befelch, sobald die thür aufgienge, solten sie hernachtrucken und in gefencklich annemmen und in die presun füren, alß im aber die fraw aufthet, war der edelmann also erzürnt unnd begirig auff den würt, das er mit der frauwen nit vil wort macht, sunder eylends die stiegen hienauftrang und die schergen im geschwind nach. Also lieff inn die frauw ouch behend nach, und mit grossem schreien, klagen und weinen stieß stieß sie die kammerthür auf, da der würt inn lag auff der erd, und schrey mit lauter stimm: ›O magnifica munsör, misericordia!‹ und sagt dem centelomen, er wär an der pestia oder pestilentz gestorben. Do das der edelman erhort (dann sie die pestilentz seer übel förchten), erschrack er sampt seinen schergen so übel, das er schier vor angst zůruck wär die stiegen abgefallen, eylet auß dem hauß. Unnd alß er heimkam, name er sein register oder schuldbůch, so über die haußzinß sagt, und vor schrecken und zorn so thet ers nicht, wie sunst der brauch ist, mit einer feder durch, sunder weil er an der pestilentz war gestorben, war er seinem nammen also feind, daß er das gantz blatt, darinn alle rechnung, die disen würt betraff, auß dem schuldbůch reiß und verbrennt.

Aber der würt und sein frauw saumpten sich nit lang, sunder betten ein andere kammer bestanden und lerten im sein hauß, also das diser centelom nit wißt, wo die frauw hin was kummen; dann er versahe sich nüt anders, dann der mann wäre begraben. Also blibe es ettwan lang anston, das sich diser würdt nicht wol dorfft lassen sähen; und doch zůletst thet er sich wider herfür. Und auff einmal begegnet[30] er dem edelman auf sanct Marx platz. So er aber den ersicht, thůt er geschwind das recht aug hart zů und gadt also fort sein wäg. Der edelman stůnd still und sahe im nach und sprach wider sich selbs: ›A la fe de diu, (das ist zů teutsch: bey der warheit gottes) wann dieser beide augen hette, so schwüre ich ein eydt, mein verlorner schuldner wäre wider vom tod aufgestanden.‹ Alß er im aber zům offternmal begegnet ward, gewan der edelman zůletst ein argwon und wundert sich ye lenger ye mer, das ein man dem andern so gleich solt sehen.

Und auff ein zeit gieng der würt aber für in, und stiessen sie beide so kurtz auff einandern, das der würt hatt vergessen, das ein äug zůzethůn. Dabey in der edelman ward erkennen und fiele im in sein kapp und sprach: ›Hey du schalck, gastu noch da, und ich meint, du wärest gestorben!‹ und schleifft in mit im heim unnd zeücht sein schuldbůch härfür, wil lůgen, wievil zinß er im schuldig ist. So kan er nichts darinn finden unnd besann sich erst, das ers herauß hette gezert. Also fragt er den würt, wie er im gethon hette; und alß ers im erzelt hette, můst er vor zorn lachen unnd schanckt im die schuld gleich gůtwillig. Dann er gedacht doch wol, er wirdt nit vil kinden nemmen, wo nichts wär, wiewol doch diser würt hernach wider reich ist worden unnd noch in kurtzen jaren glaubhafftig gelebt hatt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 29-31.
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