110.

Wie ein schneyder in himmel kumpt und unsers herrgotts füßschämel nach einer alten frauwen härabwirfft.

[137] Es hat sich begeben an einem schönen tag, das unser herrgott spatzieren wolt gehen, unnd nam all seine apostel und heyligen mit ihm, also daß niemands daheim im himmel blieb dann allein sanct Peter; dem befalch er, daß er gedächte und niemands eynliesse, dieweyl er auß wer, unnd zoch also darvon. Nun kam ein schneyder für den himmel; der klopffet an. Sanct Peter fraget, wer da wer und was er wölte. Der schneyder sagt: ›Ich bin ein schneyder und wölt gern in himmel.‹ Sanct Peter sprach: ›Ich darff niemands eynlassen. Dann unser herrgot ist nit daheimen, und wie er hinweggieng, verbot er mir, ich solt gedencken unnd niemands eynlassen, dieweyl er auß wer.‹ Aber der schneider ließ nit nach sanct Petern zů bitten und bewegt in mit seinem langen bitten dahin, daß er ihn verwilliget hineynzelassen, doch mit dem geding, er solte in einem winckel hinder der thürenn fein züchtig unnd still sitzenn, damit, wenn unser herrgott keme, daß er seinen nit warneme unnd zornig wurde. Das verhieß er im.

Also satzt er sich hinder die thüren in ein winckel, unnd sobald sanct Peter für die thür hinaußgehet, steht der schneider auf und geht inn allen wincklen im himmel härumb und besicht eins nach dem anderen. Zůletst so kumpt er zů vilen schönen und kostlichen stülen, under welchen in der mitte ein gantz guldiner sessel stůnd, darinn vil kostliches edelgesteins versetzt was; er was auch vil höher dann der anderen stül keiner, vor welchem auch ein guldiner fůßschämel stund; auff demselbigen sessel saß unser herrgott, wenn er daheim was. Der schneyder stůnd still vor dem sessel ein gůte weilen und sahe in stätigs an; dann er im am allerbasten under den anderen gefiel. Also geht er hinzů und setzt sich inn den sessel. Wie er nun also sitzt, sicht er nid sich und sicht alle ding, was auff erden geschicht. Under anderem aber ersicht[138] er ein alte frauwen, welche irer nachbeürin ein underband garn stilt. Darvon dann der schneyder erzürnet, nimpt den guldinen fůßschämel und wirfft den nach der alten frauwen durch den himmel auff die erden hinab. Do nun der schneider den schämel nit mer erlangen mocht, schlich er hüpschlich auß dem sessel unnd satzt sich wider hinder die thür an sein altes örtlin und thet dergleychen, als wenn er nirgends da gewesen wer.

Als nun unser herrgott wider heimkam, ward er des schneyders nit gewar; wie er sich aber inn seinen sessel setzt, manglet er seines schämels. Also fragt er sanct Peter, wo sein schämel hinkommen sey. Sanct Peter sagt, er wüßte es nit. Do fragt er weyter: ›War ist da gewesen? Hast niemand häreyngelassen?‹ Er antwort und sprach: ›Ich weiß niemandt, der hinnen ist gewesen, dann ein schneyder, der sitzt noch da hinder der thüren.‹ Do fraget unser herrgott den schneyder und sprach: ›Wo hast mir mein schämel hingethon? Hast du ihn nicht gesehen?‹ Der schneider erschrack, gab mit forcht unnd zitteren antwort und sprach: ›Ich bin in deinem sessel gesessen und hab gesähen, wie da unden auff erden ein alte frauw irer nachbeürin ein underband garn gestolen hat; darab ich erzürnet bin worden unnd hab den fůßschämel nach ir geworffen.‹ Do ward unser herrgott zornig über den schneyder und sprach: ›Hey, du schalck, solt ich so manchs mal ein schämel nach dir geworffen haben, als offt du ze vil geren geschnitten und ins aug geschoben hast, ich hette weder stül noch bänck mer im himmel.‹

Also ward der schneyder für den himmel häraußgestossen und ihm sein brästen unnd mangel auch entdeckt und ans liecht härfürgezogen worden. Es ist auch zů besorgen, man finde deren noch vil yetz zů unseren zeyten, so einen, der in einem laster kaum eins strohalms tieff steckt, rechtfertigen und straaffen wöllen, unnd aber sy gar darinn ersoffen sind.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 137-139.
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