79.

Von einem pfaffen, der köpff kundt machen.

[101] In Frießland in einem grossen dorff hats sich begeben, daß ein wolhabender kauffmann wolt reisen gen Sanet Jacob, ein fart dahin zů vollbringen. Auff ein zeit redt er mit seiner haußfrauwen, die mit einem kind gieng, welche auch nit aller dingen geschyd war, von seiner fart, wie er die verheissen hette unnd müße einmal die vollbringen. Die fraw ungern verwilliget, doch bey langem gibt sy den willen dreyn, unnd der man fert dahin.

So das der pfarrer vernimpt, macht er sich zů dem weib und spricht: ›Liebe fraw, wo ist euwer mann?‹ Sy antwortet: ›Gen Sanct Jacob.‹ – ›Ey nein,‹ spricht der pfaff, ›was gedenckt er, das euch also laßt sitzen mit dem grossen bauch unnd fert so weit von euch in frömbde land?‹ Die fraw antwortet: ›Er hat mir haab und gůt gnůg gelassen; hoff zů gott, er werde mit fröuden wider heim kommen.‹ Der pfaff spricht: ›Mein liebe fraw, es ist nit allein an dem gelegen, sonder es ist vil ein anders, das ir nit wüssen, daran euwer mann sümig ist; das wirt euch unnd im zů grossem schmertzen reichen.‹ Die fraw antwort: ›Was ist doch das, mein lieber herr? [Was] sind mir doch und meinem mann vor schmertzen?‹ Der pfaff spricht: ›Ich darffs nit wol vor euch sagen.‹ Die fraw antwortet: ›Hey, lieber herr, sagends! Es schadet nichts.‹ Er spricht: ›Gradt euwer man so von euch, unnd ir mit einem kind gond, und aber das kind noch kein[101] haupt hat, wer wil dem kind das haupt ansetzen?‹ Die einfaltige fraw spricht: ›Wie solt das mögen sein, so ich schier gnesen sol?‹ – ›Ja,‹ spricht der pfaff, ›dester böser ists.‹ Die frauw fraget in, wie im ze thůn were. Der pfaff antwortet: ›Ich wüßte wol radt, so ir mir folgen wolten.‹ Die frauw antwortet einfeltig: ›Das were doch gar ein ungestalt, solte ich ein kind on ein haupt bringen. Was hat doch mein mann gesinnet, daß er von mir hinwegschied! Herr, helffen ir mir, so ir können, bey zeiten!‹ Unnd der pfaff beschlieff sy, verschůff dem kind ein haupt.

Etwan in acht wochen genaß die fraw und gebar ein jungen sun, des sy seer erfröuwet ward. Über ein zeit kam der mann wider mit gesundtheit heim, daß die fraw noch in der kindbette lag, und den nechsten keert er sich zů der frawen und spricht: ›Sey gott gelobet, mein liebe haußfrauw, daß ich dich mit gesundtheit wider sich, und du mir ein jungen sun gebracht hast.‹ Die fraw schweig stil und danckt im nit; doch nach langem spricht sy: ›Du bist ein feiner gesell, gaast von mir in ferre land und laßt mich mit meim grossen bauch also sitzen. Were unser pfarrer nit gewesen, ich hette das kind on ein haupt müssen bringen.‹ Der mann vermarckts gleich, wie es ergangen was, und that ir nichts umb irer einfalt willen und spricht: ›Liebe fraw, ich hab gemeint, die sach sey recht versehen;‹ unnd hielt sie lieb unnd werd; aber dem pfaffen treib ers wider ein.

Auff ein zeit im sommer frü vor tag bey monschein stadt der kauffmann auff von seinem weib, gadt in des pfaffen wisen; da weideten zwölff des pfaffen schaaff, denen er die köpff all abschneid. Als das der pfaff vernam, schalt er den übel, der seinen schaaffen die köpff hett abgschnitten; so ers wiße, wölt in auch lassen köpffen. Der kauffmann redet es unverholen, er hette es gethan. Der pfaff verklaget in vor dem gantzen radt, welcher mit hefftiger klag gefengklich vor radt gefürt wirdt. Nach langer klag verantwort sich der kauffmann unnd spricht: ›Pfaff, du kanst wol köpff machen; mach deinen schaaffen auch köpff!‹ Do das der pfaff erhort, erschrack er unnd were gern hinweg geweßt, můßt aber verharren. Der kauffmann erzellet dem radt des pfaffen[102] schelmenwerck vom anfang biß zum end; und strieffen in umb all sein gůt, stiessen in auch von der pfrůnd und jagten in hinweg.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 101-103.
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