Zweite Szene

[22] Bianca, Lucentio, Hortensio


LUCENTIO.

Wohlan, mein Fräulein, öffnet den Virgil!

Ich übersetz ihn euch, so bildet sich der Stil.

HORTENSIO.

Nichts da! Ich will den Unterricht beginnen.

LUCENTIO.

Schweigt still! Sonst jag ich euch von hinnen, hirnloser Musikant.

HORTENSIO.

Erbärmlicher Pedant! Erbärmlicher Pedant!

BIANCA.

Ihr Herren! Ihr Herren! Verliert ihr den Verstand?

Ich denke die Entscheidung liegt in meiner Hand.


Zu Hortensio.


Stimmt erst die Laute,

Seht, wie viele Saiten gesprungen sind.

Ihr habt genug zu tun.


Zu Lucentio.


Setzt euch zu mir!

Und alles weitere Streiten soll künftighin,

So ist mein Wille, ruhn.[22]

LUCENTIO.

Arma virum que cano Trojae qui primus ab oris.

Italiam fato profugus Lavina que venit litoria

BIANCA.

Wollt ihr das übersetzen?

LUCENTIO.

Arma virum que cano

Mein teuerstes Liebchen erkannte

Trojae qui primus ab oris

Den treuen Sänger noch nicht,

Italiam fato

Der an dich seine Lieder entsandte,

Profugus Lavina que venit

Beim freundlichen Sternenlicht.

Litoria – selbst ist er nun da.

HORTENSIO kommt mit der Laute.

Fräulein! Nun stimmt die Laute.

BIANCA hat die Laute versucht.

O pfui! Das E ist falsch, das G ist recht.

LUCENTIO.

Recht! Darum geh mein Freund! Und stimme besser!

BIANCA.

Ob ich es auch nun übersetzen kann?

Arma virum que cano

Einen Schelmen muß ich in euch sehen,

Trojae qui primus ab oris

Geübt in Betrug und in List.

Italiam fato

Euch dürfte es übel ergehen,

Profugus Lavina qui venit

Wenn das nun mein Vater wüßt.

Litora – drum verschweigt es ihm ja!

HORTENSIO.

Nun stimmt die Laute!

LUCENTIO.

A und F sind falsch.

HORTENSIO.

Ihr seid wohl selber das A und F, Herr Aff!

Wie feurig keck der Schulgelehrte wird!

Er wagt es, ihr den Hof zu machen, wart!

Ich will besser dich bewachen.

Wird mir es endlich, endlich nun gelingen,

Auch die Musik zu ihrem Recht zu bringen?

BIANCA.

So kommt.

HORTENSIO zu Lucentio.

Ihr könnt allein uns lassen!

Dreistimmige Musik kommt heut nicht vor.

LUCENTIO.

Ich bleibe gern; ein Liedlein aufzufassen,

Gab die Natur auch mir ein leidlich Ohr.

Er möchte gern allein den Hof ihr machen.

Wart! Musikus! Dich steche ich noch aus.

BIANCA.

Ich glaub, auch dieser will den Hof mir machen,

Ne lustge Lehrerschaft in diesem Haus!

HORTENSIO.

Ich glaube gar, er will uns hier bewachen;

Tu's Bücherheld, ich mache mir nichts draus.


Zu Bianca.


Mein Fräulein! Seht auf diesen kleinen Zettel

Die Scala sinni exemplifizirt.[23]

BIANCA.

Die Scala? Meint ihr, daß ich solchen Bettel

In frühester Jugend nicht schon absolviert?

HORTENSIO.

Doch hört, wie Cembalon euch dazu führt!


Singt zur Gitarre.


C. Cembaloni, so nenne ich mich laut.

D. Doch Hortensio bin ich.

E. Euer Händchen, o reicht mirs als Braut!

F. Frohr Liebeslust sinn ich.

G. Gebt mir Hoffnung o liebliche Maid!

A. Ach! Habt endlich Erbarmen!

H. Hebt empor aus dem sehnenden Leid

C. Cembaloni, den Armen!

BIANCA.

Ha, ha, ha, ha! Das nennt ihr Scala?

Geht! Die mag ich nicht! Die alte ist mir lieber,

Bin nicht lüstern, seltsamer Neurung ächtes aufzuopfern.

HORTENSIO für sich.

Mein herrlich Lied, es hat sie nicht bekehrt!

Hortensio! Hortensio! Sie ist dein nicht wert.

LUCENTIO.

Mit langer Nase ist er abgezogen. Glückauf!

Ich stach den Musikanten aus.

BIANCA.

Ach, armer Vater! Wie bist du betrogen!

Was suchtest du für saubre Lehrer aus!

Ich glaubt, ich hätte Lehrer in Kunst und Saitenspiel,

Doch waren's nur Verehrer, gelernt hab ich nicht viel.

HORTENSIO.

Ich bin ihr gar nicht mehr gewogen,

Noch heut, ja! Noch heut verlaß ich dieses Haus.


Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 22-24.
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