Zehnter Auftritt.

[73] Die Vorigen


JERONYMO. Ists möglich, Grandison! Sie können Klementinen lieben, und so unerbittlich seyn?

GRANDISON. Und auch Sie, mein Freund? auch Sie durchbohren mein Herz!

JERONYMO. Liebster Grandison! ich weiss, dass die Einwendungen, die Sie wider unsere Religion haben, nicht unumstösslich seyn können.

PATER MARESKOTTI. Gewiss sind sie es nicht. Es ist unmöglich, die Gründe umzustossen, die Sr. Eminenz der Bischof und ich dem Chevalier vorgelegt haben.

GRANDISON. Sie glauben diess, Herr Pater Mareskotti! Die Überzeugung ist etwas, das nicht von unserm Willen abhängt. Lassen Sie uns, ich bitte Sie, nicht weiter davon sprechen.

JERONYMO. O Grandison, was für eine Glückseligkeit opfern Sie Ihren Bedenklichkeiten auf! Sie wissen nicht, nein, Sie wissen nicht, was Sie aufopfern. Sie verhärten Sich gegen alles, was das unempfindlichste Herz zerschmelzen könnte. – Mit einer Lebhaftigkeit, worin Ungeduld[74] und Unwillen merklich ist. Und müssen wir denn alle vergeblich flehen?

GRANDISON. Kann mein Jeronymo gegen seinen Grandison ungerecht seyn? Wenn es möglich wäre, daß meine Seele in einem Entschluss wankend gemacht würde, der die Folge der unveränderlichsten Überzeugung ist, so müsste ich der verworfenste unter den Menschen seyn, wenn ich gestattete, dass so verehrungswürdige Personen, als diese vor mir, sich herab liessen mich zu bitten.

DIE MARKGRÄFIN. Sagen Sie nichts von Herablassung, Chevalier! Was wollte ich nicht thun, Sie zu erbitten! – Sie haben keine Mutter mehr, Grandison! Mit welcher Entzückung, mit welchem Stolze wollte ich Sie als meinen Sohn umarmen, wenn Sie es auf diejenige Art seyn wollten; die uns allein glücklich machen kann!

GRANDISON. Verehrungswürdigste Dame! lassen Sie mich zu Ihren Füssen um Ihr Mitleiden flehen. Hören Sie auf, mich durch eine Grossmuth, eine Gütigkeit zu ängstigen, die meine Seele zur Verzweiflung treibt, weil ich sie nicht nach Ihren Wünschen verdienen kann. Bedenken Sie, gnädige Frau, was Sie von mir fordern. Es ist nicht in meiner Gewalt, Ihre Wünsche zu erfüllen. Glauben Sie mir, da Sie mich fähig sehen, in diesem Augenblick alles[75] zu verläugnen, was meinem Herzen am theuersten ist. Hätte ich Kronen, hätte ich alle Schätze der Welt, und ich müsste sie für Klementinen geben, ich würde sie für Staub achten. Mein Gewissen ist das einzige, was ich nicht aufopfern kann. Fordern Sie (diesen einzigen Punkt ausgenommen) was Sie wollen; ich bin bereit, jede andere Bedingung einzugehen.

DIE MARKGRÄFIN. Stehen Sie auf, Chevalier! Ich sehe, dass es vergeblich wäre, einen Mann, wie Sie, erbitten zu wollen. Stehen Sie auf! – Und so ist denn unser Verhängniss, ohne Rettung elend zu bleiben? So kann Klementina nicht die Ihrige seyn?

GRANDISON etwas heftig. Nein! – Niemahls, niemahls ist ein Mensch in einem grausamern Zustande gewesen, als ich. Ich hoffte, nicht verdient zu haben – Vergeben Sie mir, gnädige Frau! Aber warum wollen Sie doch nicht bedenken, wie ungleich die Bedingungen sind, die Sie mir auflegen, und diejenigen, die ich vorschlage? Sie bieten mir mit Ihrer Klementina eine Glückseligkeit an, die meine kühnsten Hoffnungen übersteigt, und nehmen mir alles wieder, da Sie die Aufopferung meiner Ehre und meines Gewissens fordern. Es thut mir leid, (erlauben Sie mir, es zu sagen) dass man geglaubt hat, die unschätzbare Klementina werde durch die Reichthümer, die man mir mit ihr[76] verspricht, einen höhern Werth in meinen Augen erhalten. Ich bin weit über diese Art von Versuchung hinweg gesetzt. Die Vorsehung hat mir Vermögen gegeben, andere glücklich zu machen; ich bin zufrieden. Klementina allein ist, nachdem ich zu einem so stolzen Wunsch aufgemuntert worden bin, der Gegenstand meiner Wünsche. Geben Sie mir, Klementinen, und lassen Sie mir meine Religion, so wie ich ihr die ihrige lassen werde, und ich werde der glücklichste unter allen Sterblichen seyn. Ich würde die Vorschläge, die ich Sr. Eminenz, dem Bischofe, gemacht habe, nicht gemacht haben, wenn ich nicht von ihrer Billigkeit überzeugt wäre; und ich bin genöthigt, Ihnen zu sagen, dass dasjenige, wozu ich mich erbiete, mehr ist als ich thun wollte, die Erbin eines Königreichs zu erhalten.

DER BISCHOF. Es wäre ungerecht, dem Chevalier Vorwürfe zu machen. Es ist sein Unglück und das unsrige, dass seine Irrthümer so tief in seine Seele eingewurzelt sind. Ich sehe, wir werden diesen Punkt aufgeben müssen, obgleich unsere Ehre, unsere Ruhe und unsere Sicherheit für Klementinens Seele an demselben hängt.

GRANDISON. Ich hoffe, gnädiger Herr, meine Ehre sey zureichend, Sie gegen alles sicher zu stellen, was Sie wegen der Gräfin Klementina befürchten. Sie soll, wenn sie die[77] Meinige ist, eben so frey und ungestört in der Ausübung ihrer Religion seyn, als sie in dem väterlichen Hause gewesen ist. Die gleiche Gesinnung, welche mir verbeut, wider meine Überzeugung zu handeln, verbeut mir, andere in der ihrigen zu beunruhigen.


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 5, Leipzig 1798, S. 73-78.
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Klementina von Porretta
C. M. Wielands sämtliche Werke: Supplement, Band V. Klementina von Porretta; Pandora; Die Bunkliade; Auszüge aus Jakob Forsters Reise um die Welt