Anmerkungen zum ersten Band.

Wieland hat zur Charakteristik Aristipps ein doppeltes Motto aus Horaz gewählt, das erste aus einem Brief an Scäva (Epp. I. 17, 23.):


Gleich gut stand Aristippen, wie jegliche Farbe, das Glück an;

Höher hinauf gern strebt' er, und dem, was begegnete, fügsam.

Voß.


Das zweite aus einem Brief an Mäcenas (Epp. I. 1, 18.), welches Wieland selbst so übersetzte:


– Und statt mich selbst den Dingen

Zu unterwerfen, seh' ich wie ich's mache,

Sie unter mich zu kriegen.


Ein Auszug aus Wielands Anmerkungen (S. 59–50) dazu wird hier gewiß zweckmäßig als Einleitung dienen.

Die Philosophie, als die Kunst zu leben, heißt es, wurde bei den Griechen gleich andern schönen Künsten behandelt; sie hatte ihre Meister und Schulen wie die Bildnerei und Malerei. Sokrates machte zwar selbst keine Secte – eben weil er Sokrates war: aber alle nach ihm entstandenen philosophischen Schulen und Secten wurden von irgend einem der Seinigen gestiftet oder veranlaßt. Plato, der berühmteste unter seinen Anhängern, stiftete die Akademie, Aristoteles, der größte Kopf unter Platons Schülern, das Lyceum. Aristipp machte sich zwar sein eigenes System, aber kann so wenig als Sokrates für das Haupt einer Schule gehalten werden, wiewohl man ihn dazu gemacht hat.A1[282] Antisthenes wurde der Vater einer Secte, die mit dem wenig rühmlichen Namen der Hündischen (Cyniker) sich gleichwohl in einiges Ansehen zu setzen wußte, und unter den Philosophen das war, was die Franciscaner unter den Mönchen. Hundert Jahre nach Sokrates Tode wurden Zeno und Epikur, indem jener die Weltbürgerschaft des Antisthenes, dieser den Egoismus des Aristippos zu rectificiren suchte, die Stifter zweier neuen Schulen, welche in kurzem über alle übrigen hervorragten, aber in allen ihren Begriffen und Grundsätzen Antipoden waren – der Epikurischen und der Stoischen.

Von dem eigentlichen System des Aristippus wissen wir nur sehr wenig Zuverlässiges; denn seine Schriften sind verloren gegangen, und von den sogenannten Cyrenäern, seinen angeblichen Nachfolgern, läßt sich kein sicherer Schluß auf ihn selbst machen. In dem, was Diogenes Laërtius von ihm zusammengestoppelt hat, sind die Anekdoten und Bonsmots das Beste, wiewohl darunter einige von verdächtigem Schlage vorkommen. Aber, wenn wir auch nichts von ihm wüßten, als was uns Horaz sagt: so würde dieß, mit etlichen Zügen, die sich im Cicero, Plutarch und Athenäus finden, schon hinlänglich seyn, uns von der Denkart dieses Philosophen, der so wenig dazu gemacht war, gute Nachahmer zu haben, einen ziemlich reinen Begriff geben. Der Grund seiner ganzen Philosophie scheint folgendes Raisonnement gewesen zu seyn. Der Mensch weiß nichts gewisser als daß er ist, denn dieß fühlt er; und eben dieß Gefühl sagt ihm alle Augenblicke, was er ist, nämlich ein Wesen, dessen Existenz eine Kette von angenehmen oder unangenehmen Empfindungen ist, die ihm entweder von außenher kommen, oder die es sich selbst macht. Aus jenen erkennt er zwar, daß eine unendliche Menge von Dingen außer ihm sind; aber was diese Dinge für sich selbst sind, weiß er nicht; und da es ihn im Grunde nichts angeht, so soll er sich auch nichts darum kümmern. Aber was er gewiß weiß, weil er's fühlt, ist: daß ihm diese Dinge geradezu Lust oder Unlust machen, theils Gelegenheit geben, daß er sich selbst ihrentwegen plagt. Das letztere zu vermeiden, hängt sehr von seinem Willen oder doch von seiner Weisheit ab; denn seine Einbildungen und Leidenschaften sind in ihm selbst, und er kann also, wenn er will und es recht angreift, sehr wohl Meister über sie werden. Was die Dinge außer ihm betrifft, so mag er (wenn er kann) diejenigen vermeiden, die ihm Unlust machen, und diejenigen suchen, die ihm wohlthun. Kann er aber jene nicht vermeiden, ohne sich größrer Unlust auszusetzen, so duldet er, wenn er[283] weise ist, das kleinere Uebel um des größern Guten willen; und eben so unterläßt er lieber ein Vergnügen zu suchen, wenn er weiß, oder sehr wahrscheinlich vermuthen kann, daß es mit mehr Unlust verbunden sey als das Gute daran werth ist. Unvermeidliche Uebel erleichtert er sich durch Geduld; alles Angenehme aber genießt er, wenn es gleich mit einiger geringen Unlust verbunden ist; aber genießt es als etwas Entbehrliches, wie einer eine Rose pflückt, die an seinem Wege blüht; und da die meisten Dinge uns nicht durch das was sie sind, sondern durch das was wir ihnen geben, oder durch unsre Vorstellungsart, glücklich oder unglücklich machen, so gewöhnt sich ein weiser Mann, die Dinge außer ihm von der angenehmsten oder doch leidlichsten Seite anzusehen. Durch diese Art zu denken erhält er sich frei und unabhängig, während daß die ganze Welt sein ist. Er verschafft sich jedes Gut um den wohlfeilsten Preis, denn er gibt nichts Besseres darum hin; wird es ihm entzogen, so betrachtet er's als etwas, das nie sein war. Kurz, er kann alles genießen, alles entbehren, sich in alles schicken, und die Dinge außer ihm werden nie Herr über ihn, sondern er ist und bleibt Herr über sie.


Die Zeit der Blüthe Aristipps fällt um die 100ste Olympiade, 380 Jahre vor Christus. Mit der 94sten Olympiade, 404 J. vor Ch., beginnt diese Schilderung Wielands, 4 Jahre vor dem Tode des Sokrates, 25 Jahre nach dem Tode der Perikles. Aristipp wird einige 20 Jahre alt angenommen, und kann füglich nicht höher angenommen werden, da er noch über 60 Jahre nach des Sokrates Tode lebte.


1. Brief.

1 Cyrene, Kyrene (jetzt Kurin) die Vaterstadt der Philosophen Aristippos und Karneades, des Dichters Kallimachos und des Mathematikers Eratosthenes, lag in Afrika, auf der Westseite von Aegypten, an der Küste des Mittelländischen Meeres, in einer höchst fruchtbaren Gegend. Griechen von der Insel Thera, unter Anführung des Battos, hatten hier eine Colonie gestiftet, und Cyrene, wonach die[284] ganze Landschaft Eyrenaika genannt wurde, oder auch, weit späterhin noch vier Städte hier angelegt wurden, Pentapolis (Fünfstadt), erwuchs zu einem blühenden Handelsstaat. Battos war der erste König dieses Griechisch-Afrikanischen Staates, und seine acht Nachfolger, die Battiaden, regierten von 631–432 v. Chr. Im ersten Jahre der 87sten Olympiade, 431 v. Chr., endigte ihre Herrschaft, und Kyrene erhielt eine republicanisch-aristokratische Verfassung, bis Ariston Alleinherrscher wurde, der aber im Jahre 406 v. Chr. umkam. Diese Krisis fällt nun eben in diese Periode Aristipps.


2 Stadt auf der Insel Kreta.


3 Die berühmte Argo, worauf die Argonauten von Thessalien aus nach Kolchis (Mingrelien) schifften. Auf die vielen Wundersagen, die von dieser Schifffahrt erzählt werden, spielt Aristipp an.


4 Von den Musen Begeisterte, hier nicht ohne schalkhafte Anspielung auf die unten vorkommende Nympholepsie.


5 Oeffentliche Volks- oder National-Versammlung.


6 Oder Knossus – Stadt auf der Nordküste der Insel Kreta. Außer dem berühmen Labyrinth, woraus Ariadne den Theseus rettete, und von dessen Ueberresten Tournefort Nachricht gibt, war hier, dem Lactanz zufolge, auch Jupiters Grabmal zu sehen, wegen dessen aber Kallimachus die Kreter als arge Lügner schilt, indem ein ewig lebender Gott nicht begraben seyn könne.


2. Brief.

7 Die Staatsverfassung von Korinth war, seit der Alleinherrschaft Perianders, (des zweideutigsten unter den sieben Weisen) oligarchisch, d.i. die Regierung befand sich hauptsächlich in den Händen einer kleinen Anzahl alter und begüterter Geschlechter, deren Ursprung sich zum Theil in den heroischen Zeiten verlor, und die sich durch den Beinamen Eupatriden (Wohlgeborne) von den Plebejischen unterschieden. W.


8 Mina (Μνᾶ) eine fingirte Münze, welche 100 Drachmen enthielt und deren 60 ein Attisches Talent ausmachten. Man kann sie, ohne einen beträchtlichen Rechnungsfehler, für 22 Reichsthaler Conventionsgeld annehmen. W.


[285] 9 Eine Stadt in der Peloponnesischen Provinz Elis, an deren Stelle aber die Stadt Olympia soll erbaut worden seyn.


3. Brief.


10 Aktäon wurde, weil er die Minerva im Bade gesehen hatte, in einen Hirsch verwandelt, und von seinen eignen Hunden zerrissen.


11 Bäder.


12 Ixion ward in der Unterwelt auf ein Rad geflochten, wo ihm täglich ein Geyer die, stets wieder wachsende, Leber (den Sitz der Liebe nach der Griechen Meinung) aushackt.


13 Einer der größten Bildhauer, die aus der Schule des Phidias hervorgingen, ein Mitschüler und Rival des nicht weniger berühmten Agorakritos, der von seinem Meister so leidenschaftlich geliebt wurde, daß dieser, um ihm einen Namen zu machen, viele seiner eigenen Werke für Arbeiten seines Lieblings ausgegeben haben soll. (Denn dieß will Plinius ohne Zweifel mit den Worten sagen: ejusdem (Phidiae) discipulus fuit Agoracritus, ei aetate gratus: itaque e suis operibus pleraque nomini ejus donasse fertur). Für das schönste unter den Werken des Alkamenes, welche noch zu Plinius und Lucians Zeiten in Athen zu sehen waren, erklärt der letztere (unstreitig ein elegans spectator formarum) eine in den sogenannten Gärten außer den Mauern von Athen aufgestellte Venus, welche über eine andere, vom Agorakritus zu gleicher Zeit mit ihm in die Wette gearbeitete, den Preis erhielt, und von so hoher Schönheit war, daß die Sage ging, Phidias selbst habe ihr die letzte Vollendung gegeben. Diese Sage konnte aber wohl keinen andern Grund haben, als die Meinung: Alkamenes könnte ein so vollkommenes Kunstwerk nicht ohne Beistand seines Meisters zu Stande gebracht haben. Sie zeugt also bloß für das große Talent des Alkamenes, und die vorzügliche Schönheit seiner Venus; denn daß Phidias wirklich die letzte Hand an sie gelegt habe, ist schlechterdings unglaublich, wenn die Anekdote von seiner außerordentlichen Vorliebe zum Agorakritus wahr ist. In diesem Falle würde Phidias sich beeifert haben, der Arbeit seines Lieblings den Vorzug zu verschaffen, und also das, was er für Alkamenes gethan haben soll, vielmehr zum Vortheil des Agorakritus gethan haben. Eine von diesen beiden Sagen (deren auffallenden Widerspruch der Römische[286] Compilator nicht zu bemerken scheint) muß also nothwendig grundlos seyn; und so ist es um die meisten, wo nicht um alle die Sagen beschaffen, die unter den Griechen über ihre vorzüglichsten Personen beiderlei Geschlechts herumliefen. Das Schlimmste ist, daß beinahe alles vorgeblich Historische, was uns die alten Biographen, Anekdotensammler und Compilatoren, Diogenes von Laërte, Athenäus, Suidas u.s.w. von diesen Personen erzählen, aus solchen Sagen besteht, welche größtentheils aus der unreinen Quelle der alten Komödien- und Sillen-Schreiber geflossen zu seyn scheinen. W.


14 Freundin, bei uns – Freudenmädchen. Daß sie in der Handelsstadt Korinth, wo ein berühmter Tempel der Venus (Aphodite) war, unter dem besondern Schutze dieser Göttin standen, erinnert an die Sitte orientalischer Handelsplätze, wo es zum Tempeldienst gehörte, daß die Jungfrauen ihre Jungfräulichkeit einem – Fremden opferten, wofür die Einkünste in den Tempelschatz flossen.


15 Die Auftauchende, heißt Venus, weil sie aus dem Meer entsprang, und als neugeborne Göttin zum Entzücken des ganzen Olymps daraus emporstieg. Eins der schönsten Gemälde des Apelles war unter diesem Namen bekannt.


16 Epopten, hießen diejenigen, die nach gehöriger Vorbereitung zum Anschauen der großen Mysterien zugelassen worden. W.


17 Iris (Regenbogen) – Die Votin der Götter und insbesondere Dienerin der Götterkönigin – für Zofe überhaupt gebraucht. W.


18 Eine unter dem König Darius zuerst geprägte. Persische Goldmünze, ungefähr vier Thaler sechs oder acht Groschen unsers Geldes werth. W.


4. Brief.

19 S. Wielands erste Anmerkung zu Horazens sechstem Brief im ersten Buche.


20 Sieg – Durch die Siege bei Marathon und Salamin retteten die Griechen ihre Freiheit, die von Persiens Uebermacht bedroht war.


21 Nach denen die alle vier Jahre sich erneuernden Olympiaden als die gewöhnliche Zeitrechnung der Griechen angenommen wurden, sind nach Einigen von Jupiter selbst oder den Kureten gestiftet, und nach einer Unterbrechung[287] erst von Hercules, dann von Pelops, und zuletzt von Iphitus und Lykurgus, gegen 800 Jahre v. Chr. erneuert. Des Iphitus Verordnungen darüber waren auf einem Diskus eingegraben, den man im Junotempel zu Olympia aufbewahrte. Fünf Tage in unserm Monat Julius waren dazu bestimmt, die ersten zum Ringen und Faustkampf, der dritte zu den sogenannten Fünfkämpfen (Pentathloi), Ringen, Faustkampf, Laufen, Werfen der Wurfscheibe (Diskus) und des Wurfspießes, der vierte zum Wettlaufe zu Fuß und zu Roß, der fünfte zum Wagenrennen. Die Beschuldigungen, welche Aristipp hier vorbringt, sind allerdings durch manche Zeugnisse bestätigt, und doch war.


22 Man sehe Manso's Abhandlung über den Antheil, welchen die Griechen an den Olympischen Spielen nahmen, in der N. Bibl. der sch. Wiss. Bd. 47. Vergl. Böttigers Kunstmythologie S. 55. Abgerechnet alles, was sie als eine National-Versammlung wichtig machte, hatten sie auch im Geist ihrer Einrichtung viel Aehnliches mit den Turnieren, und verschafften einen Gottesfrieden, den man sogar symbolisch angedeutet hatte, denn beim Eintritt in den Tempel Jupiters erblickte man zur Rechten die Bildsäule des Iphitus, den die Ekechereia bekränzte, d.i. der Stillstand aller Feindseligkeiten zwischen allen Griechen, welcher während dieser Tage eintrat. Nichtsdestoweniger hätte man vieles zweckmäßiger einrichten können; dachte aber vielleicht daran, daß das Alte den Meisten heilig und das Gewohnte das Liebste ist; kurz, wie der Eleer, welchen Wieland nachher einführt.


23 Eryx – ein gewaltiger Sicilischer Faustkämpfer (pyktes) der heroischen Zeit, welcher zuletzt, von Hercules überwältigt, dem Berge Eryx in Sicilien, wo er begraben wurde, den Namen gab. W.


24 »Der schönste der Männer, die gegen Ilion zogen.« Il. II. 671. W.


25 Ein seiner Schönheit und Stärke wegen berühmter Athlet. W.


26 Cestus, hieß bei den Römern eine Art von Fechthandschuh aus dicken rindsledernen Riemen um den Arm und die Faust gewunden (auch wohl mit Blei gefüttert), womit die Faustkämpfer (Pikten) ihre Hände bewaffneten. Die Griechen nannten dieß χειρες ὡπλισμεναι, ohne einen besondern Namen für den Cestus zu haben. W.


27 Die Griechen nannten alle nicht Griechisch redenden Völker Barbaren, ohne auf ihre mehrere oder mindere[288] Cultur und Policirung dabei Rücksicht zu nehmen; wiewohl sie sich auch hierin großer Vorzüge über die übrigen Erdebewohner bewußt waren, und mit einer gewissen Verachtung auf alle Nicht-Griechen herabsahen. W.


28 Athleten, hießen mit einem gemeinsamen Namen alle Wettkämpfer, welche bei öffentlichen Spielen in den fünferlei Kampfübungen, die unter dem pentathlos begriffen waren, um den Preis stritten; in engerer Bedeutung des Wortes wurden vorzüglich die Pankratiasten, d.i. die Ringer und die Fechter mit dem Kampfhandschuh (cestus), Athleten genannt. W.


29 S. oben Athleten.


30 Die Pythischen, wurden alle 5 Jahre dem Apollon, – die zu Nemea, die Nemeischen, alle 2 Jahre dem Jupiter, – die zu Korinth, die Isthmischen, alle 2 Jahre dem Poseidon zu Ehren gefeiert.


31 S. die folgende Anmerkung.


32 Die Hellenen oder eigentlich sogenannten Griechen erkannten den Deukalion (einen Thessalischen Fürsten, der ungefähr 1500 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung gelebt haben soll) oder, genauer zu reden, seinen Sohn Hellen (von welchem sie ihren allgemeinen Namen führten) für ihren gemeinsamen Stammvater. Hellens Söhne, Dorus und Aeolus, und Ion, sein Enkel, gaben ihren Namen den drei Hauptästen in welche die ältesten Hellenen sich theilten, und deren jeder in der Folge sich wieder in mancherlei Zweige verbreitete. Dorus bemächtigte sich (alten Sagen nach) der am Fuße des Parnassus liegenden kleinen Landschaft Doris; Aeolus und seine Nachkommen ließen sich in Elis, Arkadien und andern Gegenden der Halbinsel, die in der Folge den Namen Peloponnesus bekam, nieder; und nach Ion führten die Bewohner von Attika den Namen Ionier, der sich nach Verlauf mehrerer Jahrhunderte in den berühmtern der Athenäer (oder Athener) verlor. Diese drei Hellenischen Stämme gaben, als sie sich in der Folge auch an der westlichen Küste von Asien anbaueten, den Provinzen Aeolis, Ionia und Doris, so wie den drei Hauptdialekten der Griechischen Sprache, ihren Namen. Das Gewisseste von allem diesem ist, daß in den Zeiten, wo die Geschichte der Griechen aufhört ein verworrenes und undurchdringliches Gestrüppe von Mährchen[289] und widersprechenden Volks- und Stammsagen zu seyn, die ganze Hellas theils aus Dorischen theils aus Ionischen Völkern und Städten bestand; daß unter jenen Lacedämon, unter diesen Athen als die ersten an Macht und Ansehen, gewöhnlich diejenigen waren, an welche sich die übrigen, freiwillig oder gezwungen, anschlossen; und daß zwischen diesen beiden Hauptstämmen von jeher in Naturanlagen, Cultur, Mundart, Sitten und politischer Verfassung eine so auffallende Ungleichheit und eine so entschiedene Antipathie geherrscht hatte, daß sie höchst wahrscheinlicher Weise, ohne die wohlthätige Gegenwirkung der ihnen eigenen National-Institute, einander selbst lange vorher aufgerieben haben würden, ehe sie die hohe Stufe von Cultur erreicht hätten, wodurch sie, sogar nachdem sie selbst eine Nation zu seyn aufgehört haben, die Gesetzgeber, Lehrer und Bildner aller übrigen geworden sind. W.


33 Ehärephon war ein vertrauter Freund des Sokrates. Daß er das Orakel Apollons zu Delphi wegen des Sokrates Weisheit befragte, berichten Platon und Xenophon in ihren Vertheidigungsschriften des Sokrates. In dem gegebenen Orakel hätte wohl durch die Pythia – die das Orakel aussprechende Priesterin – Ehärephon selbst sprechen können; hat sie aber nur so negativ und vergleichungsweise gesprochen wie bei Platon und Xenophon, so war sie vollkommen sicher, niemals der Bestechlichkeit beschuldigt werden zu können. Und mir ist glaublicher, daß sie ihr Orakel eben so, wie jene sagen, und nicht wie es anderwärts angeführt wird, ausgesprochen habe.


34 Diesen Sohn von des Sokrates altem Freunde Kriton lernt man am besten aus Xenophons Gastmahl kennen.


35 Der in jüngeren Jahren des Sokrates Umgang gesucht hatte, wurde nachher ausschweifend, und hatte mit Alcibiades nur das gleiche Streben und die schlimmen Eigenschaften, nicht aber die guten gemein. Mit hoher Einbildung auf Abkunft, Reichthum und Macht verband er Habsucht und Grausamkeit, die er als einer der von dem Spartanischen Feldherrn Lysander aufgedrungenen Dreißig-Männer so sehr bewies, daß es zwischen ihm und Sokrates zum offenen Bruche kam.


36 Die Einwohner dieser, zu der Gruppe der Eykladen im Aegeischen Meere gehörigen, Insel hatten mit den Athenern gerechten Krieg. Als sie sich endlich ergeben[290] mußten, hieben die Athener fast alle junge Mannschaft nieder und verkauften Weiber und Kinder. Thuc. 5, 116.


37 Burg, Citadelle.


5. Brief.

38 Die Rennbahn, wo öffentliches Pferd- und Wagenrennen gehalten wurde. W.


39 Oeffentliche Plätze zu Leibesübungen, im Ringen, Werfen u.s.w.


40 Beschreibung – des Jupiter von Phidias – Mit dem, was Wieland hierüber sagt, hat der, welcher die genaueste Belehrung wünscht, zu vergleichen die beiden Schriften über den Tempel und die Bildsäule des Jupiters zu Olympia, von Völkel (Leipz. 1794) u. Siebenkees (Nürnb. 1795), dann aber vorzüglich Böttiger in den Andeutungen S. 93. fgg., und noch weit mehr in der Kunst-Mythologie S. 52. fgg. Wir werden noch einmal darauf zurückkommen bei Wielands Abhandlung über die Ideale der Alten.


41 Der Wolkensammelnde – Beiwort des Zeus bei Hommer.


42 Anspielung auf eine allgemein bekannte Stelle im ersten Buche der Ilias, und auf die Sage, daß diese Stelle durch eine plötzliche Begeisterung das Ideal erzeugt habe, nach welchem Phidias seinen Olympischen Jupiter gearbeitet habe.


6. Brief.

43 (Gähnaffen, Maulaufsperrer). – Voß übersetzt: Gaffener – Ein Spottname, welchen Aristophanes den Athenern gibt, um die sinn: und zwecklose Neugier, Leichtgläubigkeit und Unbesonnenheit, die zu den Hauptzügen ihres Volkscharakters gehörten, mit einem angemess'nen Worte (das von dem dummen Schnabelaufsperren der Gänse und der jungen Vögel, wenn sie von den Alten geätzt werden, hergenommen ist) zu bezeichnen. W.


44 Alles, was Aristipp in dieser und andern Stellen seiner Briefe von dem Aeußerlichen des Sokrates sagt, stimmt sowohl mit der Idee, die man[291] sich aus verschiedenen Stellen im Xenophon und Plato von ihm machen muß, als mit den schönsten Sokratesköpfen auf antiken Gemmen sehr genau überein; auch scheinen seine Bemerkungen über die Physiognomie und überhaupt über das Eigene und Charakteristische an der Außenseite desselben einen hinlänglichen Grund zu enthalten, warum er die bekannte, dem Cicero und Alexander von Aphrodisias so oft nachgebetete Anekdote von dem, was dem Sokrates mit dem Physiognomen Zopyrus begegnet seyn soll, wofern sie ihm auch bekannt war, keiner Erwähnung würdigt. Uebrigens pflegte Sokrates selbst über seine Silenenmäßige Gestalt zu scherzen, und es wäre lächerlich, ihn (wie einige gethan haben) der Schönheit seiner Seele zu Ehren, und dem Zeugniß seiner vertrautesten Freunde zu Trotz, zu einem Adonis machen zu wollen. Ich zweifle daher nicht, daß Epiktet, wenn er ihm σωμα ἐπιχαρι και ἡδυ zuschreibt (S. Arriani Diss. Ep. IV. 11.), nicht mehr damit habe sagen wollen, als was Aristipp hier nur ausführlicher und bestimmter (wie einem Augenzeugen zukommt) ausgedrückt zu haben scheint. W.


45 S. in einem der folgenden Bände Wielands Aufsatz über Athens Verfassung.


46 Drei Obolen, etwa drei Kreuzer, erhielt seit Perikles jeder Bürger, der an den Volksversammlungen Theil nahm.


47 Καλοκᾳγαϑοι – Was man damals zu Athen einen Kalokagathos nannte, war mit dem, was die Engländer a Gentleman, und die Franzosen un galanthomme nennen, ziemlich gleichbedeutend. Oefters bezeichnet es auch so viel als eine Person von vornehmer Geburt und Erziehung. In der moralischen Bedeutung, da es so viel als schöngut, oder gutedel heißt, scheint es vom Sokrates zuerst genommen worden zu seyn. W.


48 Ein Beiname der Athener, von Cekrops, dem ersten Stifter der Stadt Athen, welche anfangs nach ihm Cekropia genannt wurde. W.


49 Gastmahle. Die Sokratischen kennt man aus zwei Schriften Platons und Xenophons unter diesem Titel.


7. Brief.

50 Sophist, entspricht in seiner ersten Bedeutung dem, was wir einen Virtuosen nennen. Seitdem in des Sokrates frühesten[292] Lebensjahren zuerst Zenon aus Citium, ein Philosoph aus der Eleatischen Schule in Unter-Italien, nach Athen kam, um, für gute Zahlung, die Theile der Philosophie zu lehren, die hauptsächlich mit der Rednerkunst in Verbindung stehen (Dialektik), nannten er und seine Nachfolger sich Sophisten, welcher Name erst verrufen wurde durch der spätern prahlerisches Scheinwissen und unredliche Verdrehungskünste, die hauptsächlicg Sokrates und seine Schule aufzudecken beflissen waren. Sokrates setzte daher auch den Namen der Philosophie (Liebe der Weisheit) als einen bescheidneren dem der Sophistik entgegen. Bei Pythagoras, der sich des Namens der Philosophie zuerst bediente, hatte sie noch die Sokratische Bedeutung nicht.


51 Was Aristipp hier sagt, wird durch eine bekannte Stelle im Theätetus des Plato bestätigt.


52 Der gerechte und ungerechte Vortrag. Man sehe darüber Wieland im Attischen Museum Bd. 2 Hft. 3. S. 98 fgg., wo er den Scholiasten dahin erklärt, daß Aristophanes die beiden Kämpfer in besiederten Masken, die ihnen auch das äußere Ansehen von Streithähnen gaben, habe auftreten lassen.


53 Die ehrwürdigen Chariten (Holden), jedes Werk im Himmel ordnend.


54 Anaxagoras, kann als der letzte Philosoph aus der sogenannten Ionischen Schule betrachtet werden. Die zu ihr gehörigen Philosophen nannte man Physiker (Naturphilosophen) und ihre Philosophie auch die physische, weil sie hauptsächlich darauf ausging, Ursprung und Wesen der Natur zu erklären. Anaxagoras und der Sophist Zenon brachten zu gleicher Zeit, jener die Ionische, dieser die Italische Philosophie nach Athen, wo, besonders durch Sokrates und seine Schüler, aus beiden die neue Attische sich bildete. Wenn hier dem Anaxagoras vorgeworfen wird, daß er das Studium der Natur auf einem falschen Wege gesucht habe, so ist dieß nur zum Theil wahr, und Sokrates verdankte zuverlässig sowohl seinen physikotheologischen Beweis für die Weisheit und Güte Gottes, als auch seine teleologische Betrachtung der Natur dem Anaxagoras, der unter den Griechen zuerst die Einheit Gottes als einer von der Welt verschiedenen höchsten Intelligenz lehrte.


55 Volksleitung.


8. Brief.

[293] 56 Fortleitung, nennt man diejenige Lehr- oder Beweisart, welche von einem Einzelnen ausgeht und so viel Gleiches nach einander hinzubringt, daß daraus das ihnen gemeinsame Allgemeine gefolgert werden kann. – Neben der Induction bediente sich Sokrates aber auch der Analogie, zufolge welcher aus der Gleichheit in Mehrerem auf Gleichheit des Ganzen geschlossen wird.

Sehr treffend unterscheidet Wieland hier des Sokrates Lehrmethode von seiner Streitmethode, der Ironie, die man mit einander so sehr verwechselt hatte, daß wenig fehlte, man hätte allen Katecheten Ironie zugemuthet. Vielleicht hat man's gar gethan.

Nur in dem, was Wieland hier von der Sokratischen Seelen-Entbindungskunst (Mäeutik) sagt, scheint er mir nicht erschöpfend: es ist jedoch hier der Ort nicht, das Gesagte zu berichtigen. Darum genüge die Bemerkung, daß diese zusammenhängt mit seinem Glauben an Präexistenz der Seelen und mit dem Satze, daß unser Erlernen ein Wiedererinnern sey. Bei der Untersuchung wird man von dem Satze ausgehen müssen, daß sich auch eine Seele nur von dem entbinden läßt, was sie in sich wirklich von Natur hat. Die Mäeutik kann sich daher nur auf mathematische und philosophische Erkenntnisse, nicht aber auf empirische und historische Kenntnisse beziehen, woraus von selbst folgt, daß man mit Induction und Fragkunst (Erotematik) dabei nicht auskommt.


57 Dieses Gespräch zwischen Sokrates und Euthydemus ist von Wort zu Wort das nehmliche, welches im sechsten Abschnitt des vierten Buchs der Sokratischen Denkwürdigkeiten zu lesen ist. Aristipp sowohl als Xenophon erzählen es, als ob sie dabei zugegen gewesen, welches sehr wohl Statt haben konnte, da Xenophon sich nicht eher als im vierten Jahre der vierundneunzigsten Olympiade von Athen entfernte, um unter den Griechischen Hülfstruppen, welche der jüngere Cyrus zum Behuf seiner Unternehmung gegen den König seinen Bruder angeworben hatte, Dienste zu nehmen. Xenophon und Aristipp konnten sich also etliche Jahre lang öfters in Gesellschaft des Sokrates gesehen haben, wiewohl die große Verschiedenheit ihrer Sinnesart, und der Umstand, daß Xenophon damals schon ein Mann von funfzig Jahren war, und überhaupt einen ganz andern Weg im Leben ging als Aristipp, Ursache seyn mochte, daß beide einander immer fremd und gleichgültig geblieben; nur mit dem Unterschied, daß[294] dieser Mangel an Sympathie Aristippen nicht verhinderte, dem Xenophon bei jeder Gelegenheit Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, dieser hingegen in mehr als einer Stelle der Memorabilien eine Abneigung gegen jenen verräth, die sogar der Billigkeit Abbruch thut, welche man sonst in seiner Art, selbst von sehr tadelhaften Menschen zu urtheilen, wahrnehmen kann.


9. Brief.

58 Die Wielandische Uebersetzung dieser Komödie des Aristophanes s. in dem Attischen Museum Bd. 2. – An die nun auch erschienene Vossische darf ich wohl nicht erst erinnern.


59 Fünf Jahre vor Sokrates auf der Insel Kos geboren, ein Pythagorischer Philosoph, schrieb erst in seinem Alter Komödien, deren 52 von ihm aufgezählt werden. Man kennt aus ihnen nur noch mehrere Sittensprüche, und es läßt sich freilich erwarten, daß ein Phytagoräer nicht in den uns so anstößigen Ton der übrigen Komiker Athens werde eingestimmt haben. Solcher Sittensprüche führt Sokrates dem Aristipp selbst, in einem Gespräch mit demselben, einige an.


60 Kratinus, Eupolis – Zwei, mit Aristophanes gleichzeitige Komiker, der erste viel älter, aber selbst einem Aristophanes als Gegner furchtbar; der zweite jüngere scheint mit ihm in gutem Vernehmen gestanden, und ihm sogar in Einigem Beistand geleistet zu haben. Ueber sie und überhaupt über die Attischen komische Bühne muß man nachlesen A.W. Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur Bd. 1. S. 268 fgg., und Kanngießer: die alte komische Bühne in Athen.


61 Eine Art außerordentliches Gericht, worin das versammelte Athenische Volk einen Bürger, dessen Gegenwart und Einfluß sie der Republik für schädlich hielten, auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit des Landes verwiesen; übrigens seiner Ehre und seinem Vermögen unpräjudicirlich. W.


62 Helia hieß ein öffentliches Gebäude zu Athen, wo das höchste Gericht über Staatshändel und Staatsverbrechen, gewöhnlich aus 500, in wichtigen Angelegenheiten aus 1000, 1500 bis 2000, auch wohl aus noch mehr tausend Bürgern bestehend, seine[295] Sitzungen hielt. Diese Richter hießen daher Heliasten. Sie wurden jedesmal ad hoc erwählt, und ihre Anzahl hing von dem Gutbefinden der sechs untersten Archonten ab. W.


63 Die 50 Glieder des Senats der 500 zu Athen, welche 36 Tage lang das Präsidium führten, und während dieser Zeit, da sie den geheimen Rath der Republik ausmachten, im Prytaneion auf Kosten des Staats beköstiget wurden. W.


64 Die besondern Umstände dieser Anekdote sind in Xenophons Sokratischen Denkwürdigkeiten, im zweiten Kapitel des vierten Buchs, ausführlich zu lesen. W.


65 Menschen, deren Stamm das Land, wo sie wohnen, von jeher innegehabt, und also gleichsam von selbst, wie die Bäume, aus dem Erdboden hervorgewachsen war. Die Bewohner von Attika wußten sich viel damit, solche Autochthonen zu seyn. W.


66 Anspielung auf den Charakter, welchen Aristophanes in seinen Rittern dem unter dem Namen Demos personificirten souveränen Pöbel zu Athen beigelegt, besonders auf die Verse im ersten Act, welche ich für diejenigen, die das Original selbst nicht lesen können, aus meiner Uebersetzung (im zweiten Buch des Attischen Museums) hierher setze. Demosthenes und Nikias sagen den Zuschauern:


Uns beiden ward ein ziemlich seltsamer

Patron zu Theil, ein sauertöpfischer

Heißgrät'ger Mann, der sich mit Bohnen füttert,

Viel Galle macht, auch etwas übel hört,

Kurz, ein gewisser Demos aus dem Pnyx,

Ein grilliger, griesgräm'ger, alter Kauz.


67 Dieß bezieht sich auf die Nachricht des Grammatikers, der den Inhalt der Wolken abgefaßt hat, daß Aristophanes von des Sokrates nachmaligen Anklägern Anytus und Melitus gedungen worden sey, dieß Stück zu schreiben.


68 Die Athener wollten neun Heerführer, weil sie die in der Seeschlacht bei Arginussä gebliebenen Bürger nicht aufgesucht und begraben hatten, zum Tode verurtheilen. Diesem ungerechten Ausspruch[296] widersetzte sich der einzige Sokrates mit unerschütterlichem Muthe, trotz aller Drohungen der Ankläger sowohl als des Volks, ihn selbst vor Gericht zu ziehen.


Ueber den in diesem Briefe verhandelten Gegenstand hatte Wieland früher im Attischen Museum eine besondre Abhandlung geliefert: Versuch über die Frage: ob und inwiefern Aristophanes gegen den Vorwurf, den Sokrates in den Wolken persönlich mißhandelt zu haben, gerechtfertigt oder entschuldigt werden könne? (Bd. 3. S. 57–100) Gegen Wielands hierin gefälltes Urtheil über Aristophanes hatte sich der Herausgeber erklärt in seinem Artikel Aristophanes in dem ästhetischarchäologischen Wörterbuch, und konnte Wielanden zufälliger Weise dieß erst zeigen, als es abgedruckt war. »Habe ich, sagte er, dieß alles gesagt, so hatten Sie Recht, es zu bestreiten: mir ist aber, als hätte ich ziemlich dasselbe gesagt, was Sie gegen mich geltend machen.« Nach etlichen Tagen gab er mir die Nachricht, daß ihm die Sache keine Ruhe gelassen habe, und wies mir nun diesen, von mir übersehenen, Brief Aristipps nach; ich ließ hierauf ein Blatt umdrucken. – Was die Sache betrifft, so hätte noch angeführt werden müssen, daß ja auch andere Komiker vor Aristophanes schon den Sokrates auf die Bühne gebracht hatten, und darüber ist nachzusehen Kanngießer a.a.O. zu Ende.


10. Brief.

69 Er scheint sogar nicht ohne Anlage zu Schwärmerei gewesen zu seyn, da er zuweilen in Entzückungen gerieth, worin er sich seiner selbst nicht bewußt war. – Ueber das von Wieland Angeführte s. Xenoph. Memor. Socr. 1, 1. 2, 6. 4, 3. 7.


11. Brief.

70 (Das Königthum, oder die höchste Staatsgewalt, personificirt) – Die Basileia, auf welche Aristipp anspielt, ist nicht die (angeblich historische) Tochter des Uranos und der[297] Titäa, deren alberne Legende Diodorus Siculus im 3ten Buche seiner Universalgeschichte erzählt; sondern die Basileia, die in den Vögeln des Aristophanes, kraft eines zwischen den Vögeln und Göttern geschlossenen Friedens, mit dem Peisthetäros vermählt wird, um ihm die Oberherrschaft über die Welt durch diese Verbindung zu versichern. W.


71 Tyrann, – im Griechischen Sinn ist Alleinherrscher, welcher die Regierung sich angemaßt hat, Usurpator; er kann dabei der mildeste und gerechteste Regent seyn, ist es aber nicht verfassungsmäßig.


12. Brief.

72 Einer der sieben Weisen Griechenlands, hatte den Denkspruch: ich trage all das Meinige bei mir – nämlich seine Weisheit.


13. Brief.

73 (Stadion) – Das gewöhnliche Maß der Ortsentfernung, dessen sich die Griechen bedienten. Nach der Berechnung des Abbé Barthélemy beträgt ein Stadium ein Achtel einer Römischen Meile, oder 941/2 Französische Toisen; also 5000 Stadien gerade 189 Französische Meilen, zu 2500 Toisen. W.


74 Fest des Poseidon oder Neptuns. W.


75 Was von wahrer Geschichte derselben noch auszumitteln war, findet man zusammengestellt von Fr. Jacobs in seinen Beiträgen zur Geschichte des weiblichen Geschlechts. S. Wielands Attisches Museum Bd. 3. S. 173 fgg., und über ihr Verhältniß zu Aristipp insbesondere S. 233. fg.


76 Eine Tochter des Priamos, besaß die Gabe der Wrissagung.


77 Iynx (der Vögel Wendehals) – Ein bei den Alten berüchtigtes Zaubermittel, dessen sich die vorgeblichen Zauberkünstler, Thessalischen Hexen und ihresgleichen bedienten, um durch magische Gewalt verschmähten Liebhabern Gegenliebe zu verschaffen. (S. Theokrits Pharmaceutria, wo der Iynx gleichsam die Hauptrolle spielt.) In metaphorischem Sinn ist also dieses Wort mit Liebreiz, insofern er etwas zauberisch Anziehendes ist, einerlei. W.


[298] 78 Eine Talismanische Pflanze von Homers Erfindung (Odyss. X.), welche Ulysses vom Mercur als ein Gegenmittel gegen die Bezauberungen der schönen Circe erhielt. W.


79 Mit dem Namen des großen Königs bezeichneten die Griechen den König von Persien, als den damals mächtigsten Monarchen.


14. Brief.

80 Diese von dem Sophisten Prodikus herrührende allegorische Erzählung ist hinlänglich bekannt, und es bedarf daher hier nur der Bemerkung, daß Sokrates dieselbe mitgetheilt hat in einem Gespräch, das er mit Aristipp hielt, in Xenophons Denkwürdigkeiten des Sokrates das erste im zweiten Buch. Eine Uebersetzung desselben hat auch Wieland im dritten Band des Attischen Museums S. 124 geliefert, und man darf, zur Würdigung Aristipps, die von Wieland beigefügten Anmerkungen nicht übersehen, besonders nicht die erste über das Verhältniß zwischen Xenophon und Aristipp.


81 Kluge Mäßigung.


82 Hippolytus, einigen unsrer Leser aus dem Euripides, andern aus der Phèdre des J. Racine oder aus seinem Nachbilde Silvio im Pastor Fido des Guarini bekannt. W.


83 Das Frauengemach, der Harem bei den Türken, Persern, u.s.w. W.


84 Eine Hetäre, die zuletzt mit einem Thessalischen Könige vermählt wurde.


85 Die Erzählung, welche Aristipp seiner Freundin von dem Besuch des Sokrates bei der schönen Theodota macht, stimmt in allem Wesentlichen genau mit der Xenophontischen im eilften Kapitel des dritten Buchs der Memorabilien überein; wenigstens ist der Unterschied nicht größer als er gewöhnlich zu seyn pflegt, wenn ebendieselbe Begebenheit von zwei verschiedenen Augenzeugen erzählt wird. W.


15. Brief.

[299] 86 Ueber das Zeitalter dieses, nächst Praxiteles berühmtesten, Marmorbildners sind die Alterthumsforscher durch Plinius sehr in Verlegenheit gesetzt worden, indem dieser ihn bei der 87sten und bei der 107ten Olympiade namhaft macht. Die Stelle bei Plinius, worin die erste Angabe vorkommt, wird jedoch für fehlerhaft erklärt, und so konnte Wieland den Skopas, dessen Blüthe gegen Ol. 100 fällt, hier wohl als einen jungen Künstler einführen. Seine Hauptwerke führt Plinius an 36, 4, 7, und die von Wieland angeführten dürften wohl in etwas spätere Zeit zu setzen seyn. Böttiger (s. dessen Andeutungen S. 155 fgg.) sagt: in den Figuren des Cupido und dem Genius der Zärtlichkeit und der schmachtenden Sehnsucht (Eros, Himeros, Pothos), die Pausanias noch in Megara sah, wurde er Schöpfer mehrerer allegorischer Wesen, die man später unter den Amorinen- und Psyche-Spielen nicht immer genau genug unterschieden oder wohl gar mit Eros und Anteros (Liebe und Gegenliebe) verwechselt hat.


16. Brief.

87 Offenbar will Wieland durch diese beiden Worte einen Gegensatz andeuten, und man könnte glauben, daß er an Moritz gedacht habe, wenn er die von demselben angegebene Rection befolgt hätte, nämlich: es dünkt mich, und es däucht mir. Dünken, sagt er, ist etwas, das sich mehr in uns selbst und aus dem vorhergehenden Zustande unserer Seele entwickelt; es bezeichnet eine dunkle Erinnerung oder ein dunkles unwillkürliches Urtheil, dessen wir uns selbst noch nicht recht bewußt sind. Wir fällen hier nicht eigentlich das Urtheil, sondern es ist beinahe als ob es sich selbst fällte, und wir uns leidend dabei verhielten. Däuchten hingegen ist etwas, das erst von außenher durch einen sinnlichen Gegenstand in unsrer Seele erweckt wird. S. deutsche Sprachlehre in Briefen, 4te Aufl. S. 200 fg.


17. Brief.

88 In dem bei Br. 14 angeführten Sokratischen Dialog erklärt sich Aristipp gegen Sokrates für einen Weltbürger. Wieland bemerkt dabei[300] über des Sokrates Antwort: »Ich weiß nicht, ob man einem Menschen, der etwas besser als der unterste unter allen ist, etwas Härteres und zugleich Gröberes sagen kann, als was Xenophon den Sokrates hier dem armen Aristipp ins Gesicht sagen läßt; und Aristipp erscheint, durch die gute Art, wie er diese Attische Urbanität, aus Ehrerbietung vor dem alten Sokrates, erträgt (vermuthlich gegen Xenophons Absicht), in einem vortheilhaften Lichte. – So viel kann doch wohl Sokrates sich über Aristipp, der nicht etwa ein armer Schlucker, sondern ein Fremder von gutem Hause und Vermögen war, nicht herausgenommen haben, wenn er ihn im Ernste gewinnen wollte.« – Es könnte hiebei leicht von drei Seiten gefehlt seyn. Aristipp kündigt seinen Kosmopolitismus durch die Erklärung an, daß er sich an keinen Staat binden, sondern überall wie ein Fremder leben wolle, was denn freilich die eigennützigste Art von Weltbürgerschaft wäre; Sokrates hatte in Beziehung auf Menschenrechte und Bürgerpflichten etwas beschränkte Grundsätze; und Xenophon stellt überall den Aristipp in Schatten, und kann nur nicht vermeiden, ihn doch als den – selbstständigsten Schüler des Sokrates darzustellen, da er sich auf Platon nicht einläßt.


19. Brief.

89 Wortkargheit, wie sie den Lacedämoniern eigen war.


90 Aufseher, obrigkeitliche Würde in Sparta.


91 Ein ziemlich beißende Anspielung auf ein eben so ungerechtes als unkluges Unternehmen der Athener, welches noch in frischem Andenken war.


20. Brief.


92 In der Attischen Stadt Eleusis, wo Ceres den Triptolemos zuerst im Ackerbau unterrichtet hatte, wurde zum Andenken an diese für die fortschreitende Bildung so wichtige Begebenheit alle fünf Jahre ein Fest gefeiert, das Eleusische Fest, die Eleusinien genannt, welches mit besondern Mysterien verbunden war. Zu den Feierlichkeiten dieses neun Tage dauernden[301] Festes gehörte auch eine Procession, welche dn heiligen Korb (Kalathus) nach dem Tempel führte. Erlesene Jungfrauen, in Körbchen auf dem Haupte die Heiligthümer tragend, folgten. sie hießen davon Kanephoren oder Korbträgerinnen.


93 Wenn es Grund hätte, daß eine Venus des Skopas den Beinamen Pothos (Begierde, Sehnsucht) geführt hätte, wie Caylus in seiner Abhandlung de la sculpture et des sculpteurs anciens selon Pline sagt, so könnte man glauben, dieser Scherz der schönen Lais hätte zu jenem Beinamen Anlaß gegeben. Aber Aphrodite konnte ohne einen Barbarism, den die Griechische Sprache nicht erträgt, keinen männlichen Beinamen, wie ποϑος ist, führen. Auch sagt Plinius nicht, daß die Venus des Skopas Pothos geheißen habe; er nennt bloß, indem er eine ziemliche Anzahl der vorzüglichsten Werke dieses Künstlers aufzählt, eine Venus, einen Pothos und einen Phaëthon, vor allen übrigen: is (Scopas) fecit Venerem et Pothon et Phaëthontem, qui Samothraciae sanctissimis ceremoniis coluntur. (H.N. XXXVI. 5.) Wie dieser Pothos aber eigentlich gebildet gewesen, und vornehmlich wie er nebst dem Phaëthon zu der Ehre gekommen, die ihm auf jener durch die Kabirischen oder Orphischen Mysterien berühmt gewordenen Insel mit hochheiligen Ceremonien erzeigt worden seyn soll, gehört (meines Wissens) unter die noch unaufgelösten antiquarischen Probleme. In den alten Genealogien der Götter und Götterkinder findet sich kein Pothos; dem Homer ist er, als ein dämonisches Wesen, eben so unbekannt wie Eros; und wenn Plato in seinem (von wenigen recht verstandenen) Kratylus, den Sokrates einen spitzfindigen Unterschied zwischen Himeros, Pothos und Eros machen läßt, so spricht er von ihnen nicht als von Dämonen oder Genien, sondern betrachtet sie bloß als eine dreifache Modification des Θυμος, d.i. der leidenschaftlichen Bewegung des Gemüths zu einem begehrten Gegenstand: so daß Pothos die Begierde nach einem abwesenden bezeichnet, Himeros und Eros hingegen sich auf ein gegenwärtiges Object beziehen, aber unter sich wieder darin verschieden sind, daß die Begier, womit Himeros die Seele wie durch einen heftigen Strom zu dem Begehrten hinreißt, sich aus ihm selbst ergießt, da sie hingegen im Eros erst durch den Gegenstand entzündet wird und von außenher durch die Augen in die Seele strömt (εἰσρεε ἐξωϑεν, και ουκ οἰκεια ἐστιν ἡ ῥοη αὑτη τω ἐχοντι, ἀλλ᾽ ἐπεισακτος δια τῶν ὀμματων.) So viel scheint indessen gewiß, daß der Pothos[302] des Skopas eine allegorische Person, vermuthlich ein vom Eros und Himeros hinlänglich unterschiedener und die Sehnsucht nach einem abwesenden Geliebten symbolisierender Genius gewesen seyn müsse. Vielleicht war Skopas der erste Künstler, der diese Personification unternahm; wenigstens scheint er sich darin gefallen zu haben, da, nach dem Berichte des Pausanias (Libr. 1. c. 43. §. 7. pag. 167. edit. Facii), auch in einem Tempel der Venus zu Megara neben den Bildsäulen des Eros und Himeros, auch eine des Pothos zu sehen war. W.


94 Eine Silbermünze, an Werth ungefähr einem Kopfstücke von 20 Kr. gleich, deren hundert eine Mine ausmachten.


95 Einige Leser werden sich vielleicht bei dieser Stelle des


Non cuivis homini contingit adire Corinthum


aus Horazens Epistel an Scäva, und des


Ad cujus jacuit Graecia tota fores


des Properz (L. II. El. 6.) erinnern. Aristipp konnte sie freilich nicht im Sinne gehabt haben; aber das erste ist auch bloß die Uebersetzung des Griechischen Sprüchworts, οὐ παντος ἀνδρος εἰς Κορινϑον ἐστιν ὁ πλοῦς, welches älter als Lais und Aristipp war; und das andere könnte, möglicher Weise, für eine Anspielung des sehr belesenen Römischen Dichters auf diesen Scherz des Aristipp gehalten werden, wenn man nicht zugeben will, daß zwei Personen auf eben denselben Gedanken und Ausdruck gerathen können, ohne daß die eine ihn nothwendig der andern abgestohlen haben muß. W.


23. Brief.

96 Landenge. Auf einem solchen schmalen Erdstreifen, der den Peloponnes mit Attika verbindet, lag Korinth, und dieß brachte wohl Lais darauf, mittelst seiner die Enge des Raumes auf die Zeit überzutragen.


97 Einem jeden, der den Phädrus des Plato im Original oder in der neuesten Uebersetzung (von dem Herrn Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg) gelesen hat,[303] muß sogleich in die Augen springen, daß hier von keinem andern Ahorn die Rede seyn könne, als von dem, der durch die in seinem Schatten vorgefallne Unterredung zwischen Sokrates und dem schönen Phädrus einer der berühmtesten Bäume in der Welt geworden ist; und so hätte sich's durch ein sonderbares Spiel des Zufalls gefügt, daß die schöne Lais ihre erste Bekanntschaft mit Sokrates (um dessentwillen sie die Reise nach Athen unternahm) gerade unter diesem Ahorn an eben dem Abend, da jenes berühmte Gespräch vorgefallen, gemacht hätte. Unglücklicherweise stößt sich's (wenn wir auch andere kleine Zweifel nicht achten wollen) an einen topographischen Umstand, der diese Zusammenkunft unmöglich zu machen scheint. Der besagte Ahorn nämlich stand ganz nahe an dem kleinen Bach Ilissus, der aus dem Berg Hymettus ostwärts von Athen entspringt; Lais aber kam von Megara und Eleusis auf dem entgegen gesetzten Wege her, und hätte, ohne irgend einen denkbaren Grund, einen Umweg von mehreren Meilen nehmen müssen, um bei dem Ahorn, unter welchem Sokrates zufälliger Weise saß, vorbei zu kommen. Daß entweder sie selbst oder Plato in der Angabe des Orts so gröblich sich geirrt haben sollte, läßt sich um so weniger annehmen, da beide in der Bezeichnung desselben genau zusammenstimmen. Ich sehe also weder wie dieser Knoten, wofern unsre Aristippische Briefsammlung ächt seyn sollte, aufgelöset, noch wie der Urheber derselben, falls sie erdichtet ist, von dem Vorwurf einer groben Unwissenheit oder Nachlässigkeit frei gesprochen werden könnte. Das einzige Mittel aus dieser Schwierigkeit herauszukommen, wäre, wenn der geneigte Leser sich gefallen lassen wollte, den Ahorn sammt dem Ilissus und dem Berg Hymettus in Gedanken auf die Westseite vor Athen an die Straße von Eleusis zu versetzen: eine Gefälligkeit, die man ihm freilich, wofern er sich nicht aus gutem Willen dazu bequemt, nicht wohl ansinnen kann, ob sie gleich im Grunde nicht mühsamer wäre, als wenn Mercur und Charon beim Lucian, durch die magische Kraft etlicher Homerischer Verse den Ossa auf den Olymp, den Pelion auf den Ossa, und zuletzt noch gar den Oeta und den Parnaß auf den Pelion thürmen, um sich einen tauglichen Standpunkt zur Uebersicht des Erdkreises zu verschaffen. W.


98 Tänaros, Vorgebirg an der äußersten Spitze des Peloponnes, Athos, Berg auf einer Halbinsel in Macedonien. Beide bezeichnen Griechenland von einem Ende zum andern.


25. Brief.

[304] 99 Eine phrygische Gottheit, die von verschiedenen Oertern verschiedene Namen hatte, Kybele, Berecynthia u.a.


100 Obrigkeitliche Personen zu Athen, denen die Polizei des weiblichen Theils der Einwohner dieser großen Stadt anbefohlen war. W.


101 Wird man wohl am besten kennen lernen durch Wielands Versuch über das Xenophontische Gastmahl im Attischen Museum Bd. 4.


102 (Beschützerin der Stadt) – Ein Beiname der Minerva, als der Schutzgöttin von Athen. Vor dem Tempel, den sie unter diesem Namen auf der Akropolis hatte, stand ein uralter Oelbaum, der Tradition nach eben derselbe, durch dessen Hervorbringung die Göttin den Sieg über den Neptun, der ihr das Schirmrecht über Athen streitig machte, erhalten hatte. W.


103 Die Göttin des glücklichen und unglücklichen Zufalls. W.


104 (Flötenspielerinnen) – Gewöhnlich wie die Tänzerinnen und Eitherspielerinnen, eine Classe von Hetären, welche bei Gastmählern gedungen wurden, die Gäste mit ihrer Kunst zu unterhalten. W.


105 Ein vornehmer Athener dieses Namens bewarb sich, zugleich mit Megakles, Alkmäons Sohn von Athen und vielen andern ansehnlichen Freiern, um Agerista, die Tochter des Klisthenes, Tyrannen von Sicyon. Der Vater wußte sich nicht besser zu helfen, als daß er seine Tochter demjenigen zusagte, der bei einem angestellten großen Gastmahl die vorzüglichsten Talente beweisen würde. Hippokleides trieb bei diesem Wettstreit seinen Eifer so weit, daß er, um eine Kunst, worin es ihm keiner seiner Mitwerber nachthun könnte, zu zeigen, auf dem Kopfe zu tanzen anfing. Das dünkte dem alten Herrn gar zu arg. Du hast dich um meine Tochter getanzt, sagte er zu dem jungen Springinsfeld; ich gebe sie dem Sohne Alkmäons. Das läßt Hippokleides sich nicht kümmern, erwiederte dieser, und man fand die Antwort so merk würdig, daß sie zu einem der gemeinsten Sprüchwörter ward. W.


26. Brief.

[305] 106 Welche Grundsätze Sokrates über diesen delicaten Punkt hatte, sieht man aus Xenophons Sokratischen Denkwürdigkeiten B. 1. Kap. 3., und wie sich selbst Antisthenes danach richtete, aus Xenophons Gastmahl.


30. Brief.

107 Wenn man den Namen Lysippus hört, denkt man gewöhnlich nur an den großen Bildhauer, der diesen Namen zu einem der berühmtesten in der Kunstgeschichte gemacht hat. Es gab aber auch einen Komödiendichter dieses Namens, und von ihm sind die vom Aristipp hier angeführten Verse, die im Original also lauten:


Ει μη τεϑεασαι τας Αϑηνας, στελεχος ἐι.

Ει δε τεϑεασαι, μη τεϑηρευσαι δ᾽, ὀνος.

Ει δ᾽ ἐυσαρεστων ἀποτρεχεις, κανϑηλιον.


S. Henr. Stephani Dicaearchi Geograph. Quaedam c. 3. (in Vol. XI. Thes. Gronov. p. 14.) oder Hudsons Geograph. Graec. T. II. W.


108 Außer unserm Aristipp (dessen Autorität ich hier keineswegs in Anschlag gebracht haben will) ist Plinius der einzige alte Schriftsteller, der des hier beschriebenen Gemäldes Meldung thut; aber die Art, wie er sich darüber ausdrückt, scheint mir anzuzeigen, daß er es bloß von Hörensagen gekannt habe. Hier sind seine eigenen Worte: Pinxit et demon Atheniensium, argumento quoque ingenioso: volebat namque varium, iracundum, injustum, inconstantem, eundem exorabilem, clementem, misericordem, excelsum, gloriosum, humilem, ferocem fugacemque et omnia pariter, ostendere. – De la Naure in einem Memoire sur la manière dont Pline a traité de la Peinture, ist mit dem berühmten de Piles (Cours de Peinture p. 75. s.) geneigt zu glauben, daß Parrhasius diese schwere und beinahe unmögliche Aufgabe durch eine allegorische Composition, auf eine ähnliche Weise wie Rafael in seiner sogenannten Schule von Athen ein ähnliches Problem, nämlich eine Charakteristik der verschiednen philosophischen Schulen und Secten unter den Griechen, aufzulösen versucht habe. Car enfin (sagt er), un[306] tableau allégorique du génie d'un peuple par le moyen de plusieurs groupes, qui en retraçant des événemens historiques de divers tems, marqueroient la vicissitude des sentimens populaires, ne paroît pas plus difficile à concevoir qu'un tableau allégorique du génie de la philosophie par d'autres groupes, qui en représentant des personnages historiques de différens pays et de différens siècles, indiquent la vicissitude des opinions philosophiques. Le parallèle (setzt er hinzu) semble complet, avec cette différence, que le sujet caustique de Parrhasius étoit délicat à traiter: aussi Pline a-t-il insinué par le terme il vouloit, que l'exécution, ou du moins le succès, furent moins heureux que l'invention. – Mir scheint das volebat des Plinius nichts weiter anzudeuten, als daß er sich, da er dieses sonderbare Gemälde nicht selbst gesehen hatte, aus bescheidener Zurückhaltung nicht positiver ausdrücken wollte. Uebrigens berge ich nicht, daß ich die Idee, die uns Aristipp von diesem Gemälde gibt, und die Art, wie das räthselhafte Problem dadurch aufgelöset wird, der zwar sinnreichen, aber dem Leser keinen klaren Begriff gebenden Hypothese des de Piles, vorziehe. Die erheblichste Einwendung, die man gegen sie machen kann und wird, gründet sich auf die ziemlich allgemein angenommene Meinung, weder Parrhasius noch irgend ein anderer Griechischer Maler hätte, aus Unbekanntschaft mit den Regeln der Perspectiv, auch nur den Gedanken fassen können, ein Stück auf diese Art zusammenzusetzen und zu disponiren, wie der Demos Athenäon nach Aristipps Beschreibung hätte geordnet seyn müssen. Die Alten, sagt man, hatten keinen Begriff von Vor-, Mittel- und Hinter-Grund; sie stellten auch in ihren reichsten Compositionen alle Figuren und Gruppen auf Einen Plan, und die optischen Gesetze, nach welchen verschiedene Körper, in verschiedenen Entfernungen aus Einem Gesichtspunkt gesehen, verhältnißmäßig größer oder kleiner, stärker oder matter gefärbt erscheinen, waren ihnen unbekannt. Ohne mich hier in Erörterung der Gründe einzulassen, warum ich über diesen Punkt der Meinung des Grafen Caylus zugethan bin (S. dessen Abhandlung über die Perspectiv der Alten im neununddreißigsten Band der Mémoires de Littérature), begnüge ich mich zu sagen, daß ich für den Demos des Parrhasius, so wie Aristipp dieses Gemälde beschreibt, weiter nichts verlange, als was man den beiden großen Compositionen eines ältern Malers, des Polygnotus, die an den beiden Hauptwänden der sogenannten Lesche zu Delphi zu sehen waren, und wovon die eine das eroberte Troja und die Abfahrt der Griechen,[307] die andere den Homerischen Ulyß im Hades darstellte, zugestehen muß, wenn man anders so billig seyn will, einem Maler, wie Polygnotus war, zuzutrauen, daß er die ungeheure Menge von Figuren und Gruppen, womit diese großen Schildereien, nach dem ausführlichen Bericht des Pausanias, angefüllt waren, etwas ordentlicher und verständlicher zusammengesetzt haben werde, als dieser geschmacklose inquisitive traveller sie beschreibt. Zwar geht er, mit der mühseligsten Genauigkeit in die kleinsten Details ein, zählt uns alle auf dem ganzen Gemälde vorkommende, beinahe unzähligen Personen, mit dem jedem beigeschriebenen Namen, wie aus einer Musterrolle zu, bemerkt ob sie einen Bart haben oder noch bartlos sind, ob ihre Namen aus dem Homer, oder aus der sogenannten kleinen Ilias eines gewissen Lesches genommen, oder vom Polygnot eigenmächtig erfunden worden, und was dergleichen mehr ist. Ihm ist die kleinste Kleinigkeit dieser Art merkwürdig; z.B. daß zu den Füßen eines gewissen unbedeutenden Amphiales ein Knabe sitzt, dem kein Name beigeschrieben ist; daß Meges und Lykomedes, jener eine Wunde am Arm, dieser eine an der Vorhand hat; daß nach dem Bericht des besagten Dichters Lesches, Meges seine Wunde von einem gewissen Admet, Lykomedes die seinige von Agenorn bekommen; daß der Maler dem armen Lykomed, ohne von dem Dichter dazu autorisirt zu seyn, noch eine andere Wunde am Schenkel und eine dritte am Kopfe geschlagen u.s.w. Und in tausend solchen einzelnen Beschreibungen und Umständlichkeiten, immer mit beigemischten mikrologisch-philologischen Anmerkungen von diesem Schlage, verwirrt und verliert der gute Mann sich selbst, seine Leser und das Gemälde, wovon die Rede ist, dermaßen, daß er selbst und wir vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen können. Alle diese einzelnen Personen und Sachen, die er uns so graphisch als ihm möglich ist verzeichnet, in unserm Kopfe zusammen zu ordnen, und ein Ganzes daraus zu machen, überläßt er uns selbst. Daß dieß eben nicht schlechterdings unmöglich sey, hat Graf Caylus durch eine der ehmaligen Académie des Belles Lettres vorgelegte und von einem gewissen Le Lorrain in Kupfer geätzte Zeichnung bewiesen. (S. Descript. de deux Tableaux de Polygnote etc. im dreizehnten Bande der Histoire de l'Acad. Roy. des Inscr. et B.L. p. 54 der Duodez-Ausgabe.) Indessen hat Pausanias sein Möglichstes gethan, uns über den Punkt, woran uns jetzt am meisten gelegen ist, wo nicht gänzlich irre zu führen, doch wenigstens ungewiß zu machen, und bei vielen den Gedanken zu veranlassen, weil er von der[308] malerischen Anordnung und der hierin bewiesenen Kunst des Meisters kein Wort sagt, so müsse es wohl dem Gemälde selbst daran gefehlt haben. Aber diesen Schluß kann oder sollte doch niemand machen, der sich aus dem ganzen Werke des Pausanias handgreiflich überzeugen könnte, daß es unmöglich ist weniger Sinn für die Kunst zu haben als er, und daß alle Werke der bildenden Künste, in deren Aufsuchung, Beaugenscheinigung und Beschreibung er so sorgfältig und mühsam war, ihn nur insofern interessirten, als sie ihm zu dem, was zugleich sein Hauptstudium und sein Steckenpferd war, zu mythologischen, antiquarischen, topographischen, chronologischen, genealogischen, kurz zu allen möglichen Arten von historischen Anmerkungen und Untersuchungen Gelegenheit gaben. Dieß muß (seinen übrigen Verdiensten unbeschadet) als Wahrheit anerkannt werden, oder wir würden genöthigt seyn, uns auch von dem Olympischen Jupiter des Phidias, seiner kalten, platten, genie- und gefühllosen Beschreibung zufolge, einen ganz andern Begriff zu machen als wozu uns alle andern Schriftsteller des Alterthums, die dieses erhabenen Kunstwerks erwähnen, berechtigen. Uebrigens werde ich mit niemand hadern, der sich selbst begreiflich machen kann, wie Polygnot jene zwei von Pausanias detaillirten Gemälde ohne einige, obgleich noch sehr unvollkommene perspectivische Ordonnanz und Haltung der Gruppen, in welche die ungeheure Menge von Figuren nothwendig vertheilt seyn mußten, habe zu Stande bringen können. Ich sage bloß: waren diese großen Compositionen des Polygnotus das, was sie, nach dem Begriff, den ich mir aus Xenophon und Plinius von diesem Künstler mache, seyn konnten, und (wofern sie nicht ein kindisches Gemengsel über, unter und neben einander geklecks'ter isolirter Figuren waren) seyn mußten: so dürfte wohl gegen die Möglichkeit, daß Parrhasius, ein jüngerer und größerer Meister als Polygnot – ein Werk, wie das von Aristipp in diesem Briefe (nur mit etwas mehr Kunstgefühl, als Pausanias zeigt) beschriebene Gemälde habe aufstellen können, wenig Erhebliches einzuwenden seyn. Denn, wofern er, wie kein Zweifel ist, einer von jenen summis pictoribus, formarum varietate locos distinguentibus war (Cicero de Orat. II. 87.), so müßte es nicht natürlich zugegangen seyn, wenn er nicht so viel Menschenverstand, Augenmaß und Kunstfertigkeit besessen hätte, als dazu erfordert wird, den Markt zu Athen, auf einer Tafel von gehöriger Größe, ohne Verwirrung und Unnatur mit allen von Aristipp angegebenen Figuren und Gruppen auszufüllen. Und mehr verlangen wir nicht von ihm. W.


[309] 109 Eine fehlerhafte Redefigur bei den alten Grammatikern, wenn ein Wort auf eine ungewöhnliche und auffallende Art gegen seine wahre Bedeutung genommen wird. (Die nothwendigen, und daher nicht zu tadelnden Katachresen, wovon Quinctilian spricht, gehören eigentlich nicht in diese Rubrik, und sollten billig einen andern Namen haben.) W.


32. Brief.


110 In einer Anmerkung zu dem schon öfter erwähnten Sokratischen Dialog, den man hier etwas persiflirt zu sehen sehr begreiflich finden wird, sagt Wieland: das Wort Liebe sollte nie so sehr mißbraucht und herabgewürdigt werden, um die oft sehr unsittliche Befriedigung eines Triebes zu verschleiern, für welchen, sobald er von dem reinen Zweck der Natur getrennt wird, keine Sprache ein anständiges Wort hat. Da der Name Aphrodite, für Venus, allen deutschen Lesern bekannt ist, so däucht mich, es geschehe durch den Ausdruck Aphrodisische Befriedigungen der Pflicht, sich dem Leser verständlich zu machen, ein hinlängliches Genüge, und es werde zugleich die höhere Pflicht beobachtet, ungleichartige Dinge nicht mit einander zu vermengen, und einem Worte, das den schönsten und edelsten Affect der menschlichen Seele zu bezeichnen bestimmt ist, durch einen, obgleich wohlgemeinen Mißbrauch eine so leicht vermeidliche Zweideutigkeit zuzuziehen. Ein ausländischen Wort, insofern es nur verständlich genug und überhaupt so beschaffen ist, daß es unter gesitteten Menschen gehört werden kann, dünkt mich hiezu immer das schicklichste.


111 Aristophanes verspottet öfters die von Euripides in Bettlerlumpen und überhaupt höchst lamentabel aufgeführten Könige.


112 Antisthenes war in dem Flecken Piräum zu Hause, der zu dem Attischen Hafen gleiches Namens gehörte, und größtentheils von Handwerkern, die der Schiffsbau beschäftigte, Matrosen, Fischern und andern zur untersten Classe des Athenischen Volkes gerechneten Leuten bewohnt wurde. Dieß erklärt, was Aristipp unter Piräischem Salz im Gegensatz mit Attischem zu verstehen scheint. W.


34. Brief.

[310] 113 Was Plutarch am Schlusse seines Alcibiades von dieser Timandra sagt, paßt sehr gut zu der vortheilhaften Schilderung, welche unser Aristipp von ihr macht. Daß sie aber (wie eben dieser Autor im Vorbeigehen als etwas Ungewisses erwähnt, der Scholiast des Aristophanes aber, wenn anders Epimandra nicht die rechte Lesart ist, positiv versichert) die Mutter der Lais von Hykkara gewesen, scheint dadurch schon hinlänglich widerlegt zu seyn, daß Timandra in diesem Falle wenigstens über vierzig Jahre gehabt haben müßte, als sie mit dem Alcibiades während seiner Verborgenheit in einem Phrygischen Dorfe lebte. Die Lais, welche eine Tochter der Timandra gewesen seyn soll, müßte also, wofern die Sage Grund hätte, eine von den spätern Laissen gewesen seyn, die diesen durch die erste Lais so berühmt gewordenen Namen, vielleicht der guten Vorbedeutung wegen, angenommen haben mögen. W.


114 Das Geschäft der alten Rhapsoden war, die Gesänge Homers und a. zu recitiren und mit begeisterten Vorträgen zu begleiten. Ion, einer der berühmtesten jener Zeit, ist durch einen Dialog Platons verewigt, der seinen Namen führt, und voraus man die alten Rhapsoden sich am lebhaftesten vergegenwärtigen kann.


37. Brief.

115 Sonnengott.


116 Meeresgöttin.


117 Der fanatische, dem Wahnsinn ähnliche Zustand, worein (wie die Alten glaubten) diejenigen geriethen, die eine Nymphe unversehens ansichtig wurden.


38. Brief.

118 Diese große und mächtige Stadt auf der östlichen Küste von Sicilien, mit drei Häfen, von denen zwei durch die Insel Ortygia getrennt waren, die eins der Quartiere der Stadt ausmachte, war gegen 700 Jahre v. Ch. durch Colonisten aus Korinth gegründet worden. Ihre Verfassung war ursprünglich aristokratisch, und[311] bestand über 200 Jahre glücklich. Nun aber wurden die alten Landeigenthümer von denen, die an dem Landeigenthum keinen Antheil hatten, vertrieben, und es entspann sich daraus ein lange dauernder, nur zuweilen unterbrochner Krieg, während man zugleich gegen Carthago's Uebermacht zu kämpfen hatte. Dieß gab den Feldherren so große Macht, daß es ihnen nicht schwer fiel, die Alleinherrschaft an sich zu bringen. Gegen das Jahr 478 erhielt sie der treffliche Gelon, dem sein Bruder Hieron folgte, gefeiert durch Pindars Hymnen und Xenophons Lobschrift, jedoch als Fürst keineswegs so ruhmwürdig als sein Bruder. Unter dem dritten Bruder wurde die Demokratie wieder hergestellt, während deren etwa sechzigjähriger Dauer das Project des Alcibiades gegen Sicilien ausgeführt wurde. Kaum war dieses glücklich vernichtet, als eine neue größere Gefahr von Carthago her drohte, welche Dionysius I schlau benutzte, um den umgestürzten Thron für sich wieder herzustellen. Er regierte von 407–367 v. Chr.


119 Agrigent auf der südlichen Küste von Sicilien war nach der Eroberung durch die Carthager gänzlich ausgeplündert, und alle Kostbarkeiten auch aus den Tempeln waren nach Carthago gebracht worden.


120 Auch Plutarch legt dieses Wort dem Dionysius in den Mund: Και το του Διονυσιου ἀληϑες ἐστι. Εφη γαρ ἀπολαυειν μαλιστα της ἀρχης, ὁταν ταχεως ἁ βουλεται ποιη. ΠΡΟΣ ἩΓΕΜ. ΑΠΑΙΔ. pag. 368. (Opp. Moral. edit. Xylandri.) Aus dem Vorhergehenden und Nachfolgenden ist mir klar, daß der gute Plutarch (dem es bloß darum zu thun war, bei dieser Gelegenheit eine, wiewohl sehr alltägliche, moralische Lehre anzubringen) die Meinung des Dionysius eben so unrichtig gefaßt habe als die Syrakusischen Herren, mit welchen Aristipp hier diskutiert. Der natürlichste Sinn dieses Fürstenworts, oder vielmehr der einzige, den es ohne Verdrehung und Deutelung darbietet, scheint derjenige zu seyn, welchen Aristipp darin gesehen hat. W.


39. Brief.

121 S. Diod. Sic. 13, 112.


43. Brief.

[312] 122 Gesetzgeber.


44. Brief.


123 Anspielung auf die Reise der Homerischen Götter zu den unsträflichen Aethiopen an des Okeanos Fluth, d.i. ans Ende der Erde, von wo sie je nach zwölf Tagen zu dem Olymp zurückkehrten. Wem es um Erklärung zu thun ist, der sehe Dorneddens »Neue Theorie zur Erklärung der Griechischen Mythologie.«


124 Sie lautete wie sie im Tempel der Demeter, als dem Staats-Archiv, aufbewahrt wurde, so: diese Klage hat angestellt und beschworen Melitos, des Melitos Sohn der Pittheer gegen Sokrates des Sophroniskos Sohn aus dem Alopekischen Demos. Sokrates handelt gegen die Gesetze, indem er die Götter, die der Staat für solche hält, nicht glaubt, sondern andre neue Dämonien einführt. Er handelt ferner gegen die Gesetze, indem er die Jünglinge verderbt. Die Strafe sey der Tod.


125 Bei dieser ganzen Untersuchung dient zu einer vorzüglichen Erläuterung die Abhandlung über den Proceß des Sokrates in der Bibliothek der alten Literatur und Kunst (von Heeren und Tychsen). Im zweiten Stücke S. 5. fgg. wird der dunkle Punkt beleuchtet, bei welchem Gerichtshof Sokrates angeklagt worden sey. Sonst, heißt es, glaubte man gewöhnlich, daß er vor dem Areopagus gerichtet sey, und es sind für diese Meinung viele Gründe. Der Areopag war gleichsam das höchste Polizei-Collegium in Athen, das über die Sitten und Aufführung der Bürger, besonders der Jünglinge, die Aufsicht hatte. Da S. vorzüglich als Jugendverderber angeklagt ward, so scheint diese Sache am natürlichsten vor diesen Gerichtshof zu gehören. Auch urtheilte der Areopag über Neuerungen, und richtete, außer den Blutsachen, besonders in Sachen, die die Religion betrafen. Plutarch erzählt, Euripides habe nicht laut sagen dürfen, daß er die Götter des Volks läugne, aus Furcht vor der Ahndung des Areopagus; und ebenso sagt Justin der Märtyrer, daß Plato wegen seiner neuen Lehre von Einem Gott den Areopag gefürchtet habe. Ferner beruft man sich auf die Beispiele Theodors des[313] Atheisten und des Apostels Paulus, die beide vor dem Areopag belangt wurden; der letztere aus eben dem Grunde wie Sokrates, weil er neue Götter lehrte. Allein so scheinbar einige dieser Gründe sind, so sind dagegen Schwierigkeiten, die sich nicht heben lassen. Die Zahl der Richter, die in der Sache des Sokrates saßen, ist zu groß. Es wird erzählt, daß 281 Stimmen mehr gewesen, die den S. verurtheilt als ihn lossprachen, und daß von den letztern zuletzt noch 80 gegen ihn gestimmt hätten. Dieß gäbe wenigstens 361 Richter, so viel wohl nie im Areopagus gewesen sind. Auch kommt in keiner der Apologien eine Spur vom Areopag vor, oder von den diesem ehrwürdigen Gericht eigenen Gebräuchen, welches doch sicher zu erwarten wäre. Ferner schickt sich das, was Plato den S. sagen läßt, daß seine Richter Demüthigungen und Erflehungen ihres Mitleids und Gnade von ihm erwarteten, gar nicht zum Areopagus, wo alle diese Mittel, die Gerechtigkeit zu beugen, strenge verboten waren. Plato endlich läßt den S. am Tage seiner Verurtheilung vor der Halle des Königs wandeln, was sich zum Areopagus, der unter freiem Himmel Gericht hielt, gar nicht schickt. Aus diesen Gründen wird wahrscheinlich, daß die Sache des S., wenn sie gleich, der alten Einrichtung Solons gemäß, eigentlich vor den Areopagus gehörte, doch vor einem der Volksgerichte geführt sey, wozu die Ursachen in der damaligen Verfassung Athens lagen. Der Areopagus hatte durch die Verwaltung des Perikles von seinem Ansehen und seinen Geschäften so viel verloren, daß ihm in diesen Zeiten fast bloß die Blutsachen übrig geblieben, und die Religionssachen zu den Volksgerichten gezogen zu seyn scheinen. Schon lange vor Sokrates wurden Aspasia und Alcibiades, die beide ähnlicher Vergehungen gegen die Religion beschuldigt waren, nicht vor dem Areopag, sondern vor einem Volksgericht angeklagt. Man könnte sogar muthmaßen, daß in diesem Jahre gar kein Areopag existirt habe, weil in den vorhergehenden Jahren die ganze Verfassung Athens erschüttert und unter den 30 Tyrannen wenigstens keine Archonten gewesen waren, aus welchen allein der Areopag bestand. Dann wäre ein Grund gefunden, warum die Feinde des S. gerade dieses Jahr zu ihrer Anklage gewählt hätten, weil sie eher hoffen konnten, die Richter in einem der Volksgerichte zu blenden und einzunehmen, als die ehrwürdigen Mitglieder des Areopags. Das Gericht, vor welchem S. angeklagt wurde, war höchst wahrscheinlich das Heltastische; ein Gerichtshof, der nach dem Areopagus der angesehenste und größte in Athen war.


[314] 126 Dieser berühmte Redner bot dem S. eine Schutzrede an, die dieser aber nicht annahm, weil eine künstliche Vertheidigung sich für seinen Charakter nicht schicken würde. Cic. de Orat. 1, 54.


127 Weil dieser berühmte Centaur eine Art von Ritterakademie in Thessalien hatte, wo auch Achilles seine Bildung erhielt, so steht er hier statt Erzieher überhaupt.


45. Brief.

128 Der Lederhändler, der nach Perikles sich zum Haupt der Athenischen Staatsverwaltung emporschwang, wird von Aristophanes in den Rittern als ein grober und ungeschlachter Schreier geschildert.


129 Das personificirte Volk, welches Aristophanes ebenfalls auf die Bühne brachte; auf diese Schilderung wird hier hingedeutet.


130 Ein auf einem Hügel gelegenes, halbkreisförmiges Gebäude, zu Volksversammlungen (Ekklesia) bestimmt, in der Nähe des Marktes von Athen.


131 Abkömmling von dem letzten Athenischen Könige, Kodrus.


132 Wie die berühmte Zaubrerin Medea in ihrem Zauberkessel ein Mittel bereitete, wodurch Aeson, ihres geliebten Jasons Vater, seine Jugend wieder erhielt, erzählt ausführlich Ovid im 7ten Buch der Verwandlungen.


46. Brief.

133 S. unter den Anm. S. 296 Prytanen.


134 Plato im Phädon erzählt, daß, als Theseus nach Kreta segelte, die bedungenen Jünglinge dem Minos als Tribut zu bringen, die Athener dem Apollon eine jährliche heilige Sendung nach Delos gelobten, wofern sie gerettet würden. Sie wurden gerettet, und das Gelübde erfüllt. Von der Zeit des Abgangs bis zur Rückkunft des heiligen Schiffes durfte in Athen kein Todesurtheil vollzogen werden.
[315]

48. Brief.

135 Auch zur Verständniß dieses Briefes verweisen wir auf die schon erwähnte Abhandlung über Athens Verfassung.


136 Anspielung an die φρατορας τριοβολου des Aristophanes in den Rittern. S. Attisches Museum. 2. Bd. W.


49. Brief.

137 S. die Anm. zu Peregrinus Proteus, Bd. 16.


138 Name einer der Furien.


50. Brief.

139 Weibliches Gespenst, dem man nachsagte, daß es Menschen fresse. Vergl. die Anm. zu Agathodämon, 3. Buch, 14. Abschn. Bd. 18.


140 Hier mit Anspielung auf den Kunstausdruck der Maler, welche nasses Gewand jene Bekleidung nennen, durch welche die natürlichen Formen des Körpers durchscheinen.


51. Brief.

141 Man vergleiche, was in besonderer Beziehung auf Aristophanes über Sokrates von Schnelle gesagt ist in seinem Werke: welche classische Autoren, wie und in welcher Folge – – soll man auf Schulen lesen? Bd. 2. S. 901. fgg. Gewiß mußte Sokrates vielen seiner Landsleute aus diesem Gesichtspunkt erscheinen. Bei der angeführten Stelle ist übrigens noch zu bemerken, daß auch Schelle bei seinem Urtheil über Wielands Beurtheilung des Aristophanes keine Rücksicht auf Aristipp muß genommen haben.


142 Sind verschiedene Arten von Schmiedekünstlern der alten Welt, von denen die Alten eben so viel Wunderbares und Geheimnißvolles berichten, als die Neuern von den Freimaurern. Beide sind sich in der[316] That ähnlich genug, und eine zwischen ihnen gezogene Parallele könnte gar nicht uninteressant seyn, und vielleicht mehr aufklären als die meisten bisherigen Untersuchungen darüber.


143 S. Wielands Abhandlung: die Pythagorischen Frauen.


144 S. Diod. Sic. 14, 44. fgg.


145 Diese Anekdoten erzählt Cicero de nat. Deor. 3, 34. und Aelian V.H. 1. 20., bei welchen Stellen die Erklärer nachsehen können, wer das Genauere darüber kennen will.


146 Diese Anekdoten erzählt Cicero de nat. Deor. 3, 34. und Aelian V.H. 1. 20., bei welchen Stellen die Erklärer nachsehen können, wer das Genauere darüber kennen will.


147 Busiris wird als ein Aegyptischer König genannt, der seiner Grausamkeit wegen verrufen war, und man erzählt besonders von ihm, daß er die Fremden, die in sein Land kamen, schlachtete. Wie es sich eigentlich damit verhalte, ist hier nicht der Ort zu untersuchen. der Einfall des Dionysius entspricht dem von Napoleon, der von einer Apologie Nero's sprach, die, wenn ich nicht irre, auch geliefert worden ist. Einer Lobrede auf Busiris gedenken übrigens die Alten von dem Sophisten Polykrates, von demselben, der auch zur Probe eine Anklage-Rede gegen Sokrates verfertigte.


148 Ein wenig bekanntes Volk in Afrika; – Massageten, an der Ostseite des Kaspischen Meeres, nährten sich hauptsächlich von Fischen.


52. Brief.

149 S. die Anm. zu Agathadämon, 2. Buch, 8. Abschn. Bd. 18.


53. Brief.

150 Daß Kleombrot durch Lesung des Platonischen Dialogs Phädon veranlaßt worden sey, seinem Leben freiwillig ein Ende zu machen, war aus einem Epigramm des Kallimachus bekannt, welches die einzige Quelle dieser Anekdote zu seyn scheint. Denn Cicero, welcher derselben im 34. Kapitel des 1sten Buchs seiner Tusculanischen Gespräche Erwähnung thut, beruft sich auf dieses Epigramm, und alle[317] andern, die dieser Begebenheit erwähnen, oder über sie räsonniren, sind um mehrere Jahrhunderte später, und scheinen das, was sie davon wissen, entweder aus dem Griechischen Dichter selbst, oder aus dem Römer geschöpft zu haben. Das Epigramm des Kallimachus lautet:


Εἰπας Ἡλιε χαιρε Κλεομβροτος ᾥμβρακιωτης

ἡλατ᾽ αφ᾽ ὑψηλου τειχεος ἐις ἀϊδην,

Ἀξιον ὀυτι παϑων ϑανατου κακον, ἀλλα Πλατωνος

εν το περι ψυχης γραμμ᾽ ἀναλεξαμενος.


Rufend Sonne fahr' wohl! sprang von Ambraciens hohen

Mauern Kleombrotus einst rasch in den Hades hinab;

Nicht als hätt' er etwas des Todes Werthes erlitten,

Bloß weil er Platons Schrift über die Seele durchlas.


Der Phädon (welcher vermuthlich gemeint ist) hätte also bei diesem Jünger des Sokrates völlig das Gegentheil von dem gewirkt, was er auf den Philosophen Olympiodorus wirkte, der in seinem Commentar über diesen Platonischen Dialog versichert: er würde sich schon lange ums Leben gebracht haben, wenn ihn Plato nicht von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt hätte. Es wird wohl immer eine unauflösliche Frage bleiben, ob die Worte des Epigramms, »ἀξιον ουτι παϑων« u.s.f. nur eine Vermuthung des Dichters sind, oder sich auf irgend ein besonderes historisches Zeugniß gründen. Daß Kleombrot sich zu Ambracien (gleichviel ob von der Stadtmauer oder von einer Felsenspitze) ins Meer gestürzt habe, weil er Platons Phädon gelesen, scheint Thatsache zu seyn: daß er es aber aus ungeduldigem Verlangen, sich von der Wahrheit der im Phädon vorgetragenen Lehre zu überzeugen, gethan habe, ist wenigstens ungewiß, und bei weitem nicht so wahrscheinlich als die Ursache und Veranlassung, die in dem vorliegenden Briefe angegeben wird. So dünkt es wenigstens mir; jedem sein Recht, die Sache anders zu sehen, vorbehalten. W.

Die hinter Kunst versteckte Bitterkeit in dem Vorwurfe Platons hat vor Wieland schon Demetrius der Phalereer auseinander gesetzt (de elocut. §. 306). Wieland läßt, entschuldigend, den Kleombrotos allein von dem Vorwurfe getroffen werden, und reinigt den Aristipp gänzlich von der Beschuldigung. »Dir – schreibt Kleombrot – that das verleumderische Gerücht Unrecht! Dich hatte die Pflicht nach Cyrene abgerufen!« Mit dieser Behauptung steht keine in einem grellern Contrast als die von Meiners, welcher (Geschichte d. Wiss. in Griech.[318] und Rom II. 649. Anm.) sagt: »Aristipp unterbrach sein Wohlleben auf der Insel Aegina keinen Augenblick, um seinem Lehrer in den Gefahren und zur Stunde des Todes beizustehen, ungeachtet er nur um 200 Stadien von ihm entfernt war.« Wären die von Leo Allatius herausgegebenen Briefe der Sokratiker ächt, so würde der 16te in dieser Sammlung doch nur beweisen, daß Aristipp wirklich in Aegina gewesen, aber gar nicht auf die Art, wie Meiners angibt. Woher hat er nun dieß erfahren? Er beruft sich auf Diogenes den Laerter; der aber sagt 3, 36.: »Platon war gegen Aristipp feindselig gesinnt; in seiner Schrift von der Seele macht er ihm daher bösen Leumund, indem er sagt, daß er bei des Sokrates Tode nicht zugegen, sondern in Aegina, nahe genug, gewesen sey.« In der Stelle aber, welche Meiners selbst anführt 2, 65 (der vorigen gedenkt er nicht), heißt es bloß: »Xenophon war dem Aristipp abgeneigt; auch Theodoros in seiner Schrift über die Secten verlästerte ihn (ἐκακισεν), und Platon in seiner Schrift über die Seele, wie ich anderwärts gesagt habe,« – nämlich in der vorigen Stelle. Vergebens beruft sich Meiners dabei auf Menage (et ibi Menag.), denn ich finde nicht, daß dieser ein Wort weiter hinzufügt, sondern nur daß er von der ersten Stelle auf die zweite, und von der zweiten auf die erste verweist. So leicht hat sich also Meiners die Verlästerung Aristipps gemacht, die am Ende ganz allein auf Platons Zeugniß sich gründet, den die übrigen Zeugen selbst für verdächtig erklären. Indeß auch Platon sagt nicht ein Wort weiter, als daß Aristipp damals in Aegina gewesen sey, und diese Thatsache wird ihm, wenigstens so viel ich weiß, von niemand bestritten. Hat also Meiners, um Aristipp schwärzer zu machen, mehr gesagt als er durfte, so hat hingegen Wieland, um ihn weißer zu machen, nicht nur weniger gesagt als er sollte, sondern auch ganz etwas anderes, und zwar, wenn die Nachricht gegründet wäre, daß Aristipp erst nach seines Vaters Tode zu Sokrates gereist sey, etwas durchaus Falsches. Wäre es bloß um einen Roman zu thun gewesen, so würde Wielands Rechtfertigung in den Gesetzen des Romans selbst liegen: da es ihm aber offenbar um eine Charakteristik zu thun ist, so fragt man billig nach seinen Gründen. Wie es scheint, hatte er keine anderen als daß 1) Platon selbst die Thatsache als bloßes Gerücht anführt, 2) daß Diogenes von Platons Anführung als von einer Verlästerung spricht, daß 3) der vor Aristipps Abreise erfolgte Tod seines Vaters keineswegs erwiesen ist und daß 4) Aristipp von Aegina aus mehrmals Reisen[319] machte. Dieß schien ihm vielleicht hinreichend zu der Erlaubniß, seine Neigung, durch etwas veränderte Stellung in Berichten der Anekdotenträger und Sammler ein Verdammungsurtheil abzuwenden, auch hier zu befriedigen. Bis indeß ein anderer so glücklich seyn wird auszufinden, was ich nicht habe ausfinden können, daß Aristipp wirklich nicht in Aegina gewesen sey, wird mir der Wunsch bleiben, Wieland möchte, statt eine Thatsache zu läugnen, lieber anders motivirt haben: den beabsichtigten Zweck hätte er doch erreicht.


54. Brief.

151 Plato stammte aus einem patricischen Geschlechte in Athen. Dropides, ein Bruder des Athenischen Gesetzgebers Solon, war der Aeltervater der Mutter Platons; Dropides stammte in gerader Linie von Kodrus, dem letzten Könige von Athen, und Kodrus war in der fünften Generation ein Abkömmling von dem Könige von Pylos und Vater Nestors, Neleus, einem vorgeblichen Sohne Poseidons oder Neptuns (nach Plutarch und Diogenes von Laerte.) Dieser Genealogie zufolge nennt hier Aristipp den Plato ein wenig naserümpfend einen Abkömmling Poseidons. W.


152 Platon.


153 Kunst des philosophischen und sonst gelehrten Streites mit Anwendung alles dessen, wodurch man den Gegner irre führen und täuschen kann.


55. Brief.

154 Anspielung auf die eigenen Worte Platons in der oben von Kleombrot in seinem Briefe an Aristipp angezogenen Stelle: »Wo blieb denn Plato? – Es hieß er sey unpäßlich.« W.

Wenn es indeß wahr ist, was Diogenes erzählt, daß Platon vor Gericht aufgetreten, um den Sokrates zu vertheidigen, und nur durch einen Attischen Scherz der Richter unterbrochen worden sey, so hätte sich Platon doch viel anders benommen als Aristipp.


155 Neben-, Bei-Werk.


156 Was das Gemüth in eine sanft anziehende, ruhig vergnügliche Bewegung setzt. W.


56. Brief.

[320] 157 Ein schöner Jüngling, den bei der Argonautenfahrt die Nymphen raubten.


158 S. Bd. 10.


159 Diogenes von Laërte hat uns zwei oder drei von diesen Epigrammen aufbehalten, wodurch Aristipp den göttlichen Plato bei seiner schönen Freundin in den Verdacht zu bringen sucht, als ob er gegen die Reize ihres Geschlechts unempfindlich gewesen. Der Compilator hat aber nicht vergessen, auch ein paar andere, an eine gewisse Xantippe (vermuthlich nicht die etwas saure aber sonst unbescholtne Hausfrau des Sokrates) und an die Hetäre Archianassa beizufügen, die unserm Briefsteller unbekannt gewesen seyn müssen, und mit welchen Plato sich gegen jene Beschuldigung aufs vollständigste hätte rechtfertigen können. Aber ernsthaft zu reden, wäre nichts unbilliger als solchen jugendlichen Scherzen, wie z.B. das Epigramm auf die alte Archianasse:


»In deren Runzeln sogar dräuend ein Liebesgott saß«


mehr Bedeutung beizulegen, als sie für unbesangene Augen haben können. W.


57. Brief.

160 Plinius erwähnt dieser beiden Stücke unter den berühmtesten Werken dieses Meisters. Sunt et duae picturae ejus nobilissimae, Hoplitides: alter in certamine ita decurrens ut sudare videatur; alter arma deponens ut anhelare sentiatur. H.N.I. 35. c. 10. W.


161 Pinxit et minoribus tabellis libidines, eo genere petulantis joci se reficiens. Plin. XXXV. 10. W.


59. Brief.

162 Diese in der Natur der Sache gegründete Weissagung ging, wiewohl etwas später als Aristipp glaubte, in Apelles, Protegenes und Aristides in Erfüllung. Wenn Plinius von dem letztern sagt: is omnium primus animum pinxit[321] et sensus omnes expressit, so kann er damit nicht haben sagen wollen, er sey der erste (der Zeit nach) gewesen, der die Seele und das Gemüth zu malen gewußt habe; denn da hätte er sich selbst in dem, was er vorher an Timanthes und Parrhasius gerühmt hatte, widersprochen: sondern nur, er habe in diesem Stück allen seinen Vorgängern und Nachfolgern den Rang abgewonnen. W.


61. Brief.

163 Die Musenkünste betreibend.


164 Eine Art Ueberrock oder Mantel, von grober Wolle, der kaum über die Knie reichte, und worin öfters die ganze Garderobe der Athenischen Bürger von geringem Vermögen bestand. W.


62. Brief.

165 Eine, von Einigen zu den Kykladischen, von Andern zu den Sporadischen, gerechnete, ganz mit Fels und Stein bedeckte Insel, wohin die Römer Criminalverbrecher verbannten.


166 Eine mit den schönsten Südfrüchten prangende Gegend in Nord-Afrika.


167 Tastbar.


168 Die im Unterleibe enthaltenen Eingeweide, wo nach der Meinung der Platoniker u.a. der thierische Theil der menschlichen Seele seinen Sitz hatte. W.


63. Brief.

169 Wird hier der Geist genannt, weil er, statt der materiellen Weltursache früherer Philosophen, den Geist (νους) als Welturheber aufstellte.


170 Pythagoras.


171 Pythagoras Gemahlin.


172 Eine der reizendsten Gegenden in Ionien, am Meere zwischen Ephesus und Myus gelegen. W.


64. Brief.

[322] 173 Die Athener, heißt es im Proceß des Sokrates, thaten alles, um ihre Hochachtung gegen ihn und ihren Schmerz über den Verlust eines so würdigen Mannes auszudrücken. Sie schlossen die Ring- und Uebungsplätze zu, wie bei einer allgemeinen Trauer, und straften seine Anhänger mit dem Tode oder der Landesverweisung. Dem Melitus, als Hauptkläger, ward der Tod zuerkannt, und Anytus, der sich nach Heraklea geflüchtet hatte, ward von den Herakleoten noch denselben Tag aus ihrer Stadt verwiesen. An dem Schicksal des letztern soll Antisthenes Ursache gewesen seyn, der einige Jünglinge aus Pontus, die nach Athen gekommen waren den Sokrates zu sehen, zum Anytus führte, und spöttisch sagte, das sey der Mann, den man für weiser und tugendhafter halte als den Sokrates. Die Athener fühlten die Wahrheit dieses Spotts so sehr, daß Anytus sogleich die Stadt räumen mußte. Dem Sokrates ward eine Statue aus Bronze an dem vornehmsten Platze der Stadt aufgestellt, und die große Folge der ganzen Begebenheit war, daß man nach dieser Zeit kein Beispiel von einer ähnlichen Anklage und Verurtheilung in Athen findet. So suchten die Athener dem unschuldig hingerichteten Weisen so viel Genugthuung zu geben als damals möglich war. Es scheint ungerecht, über diese plötzliche und heftige Reue zu spotten; denn man muß das Volk von den Richtern unterscheiden. Das Urtheil der Richter war nicht Urtheil des ganzen Volks, und das Betragen des letztern war nicht sowohl Reue, als Gefühl der anerkannten Unschuld des Sokrates, und Bestreben den Fehler einiger Bürger wieder gut zu machen und von sich zu entfernen. Auch geschah dieses nicht so plötzlich: Sokrates war 30 Tage im Gefängniß, ohne daß man daran dachte das Urtheil der Richter aufzuheben. Vielmehr scheint alles nach und nach durch seine Freunde bewirkt zu seyn, deren Vertheidigungen des Sokrates die Athener nun mit kühlerem Blut prüften, und die Unschuld des Sokrates und die Bosheit seiner Feinde entdeckten. Vielleicht trugen auch die Nach richten von seinem großen und standhaften Bezeigen im Gefängniß dazu bei. Das Betragen des Volks ist also die schönste Rechtfertigung sowohl für den Sokrates, als für die Athener selbst. – Während scheint daher den Kleonidas hier sehr hart urtheilen zu lassen, aber freilich – er läugnet auch die ganze Begebenheit. Die Gründe, die ihn dazu bewogen, sind[323] von Barthélemy in Bd. 5. der Reise des Anacharsis aufgeführt sur les prétendus regrets que les Athéniens témoignèrent après la mort de Socrate.


174 Plinius erwähnt dieser Anekdote im 10ten Kap. des 35sten Buchs: Magnis suffragiis superatus a Timanthe Sami in Ajace armorumque judicio, herois nomine se moleste ferre dicebat, quod iterum ab indigno victus esset. W.


175 Diese Vermuthung des Timanthes ist bekanntlich in vollem Maß eingetroffen. Plinius folgte in seinem Urtheil über den angeblichen Kunstgriff, welchen der Maler durch Verhüllung des Agamemnon angebracht haben sollte, allem Ansehen nach bloß der damals schon allgemein angenommenen und seitdem von unzähligen Neuern (ohne nähere Untersuchung, wie es scheint) nachgesprochenen Meinung. Timanthi plurimum adfuit ingenii; ejus enim est Iphigenia, oratorum laudibus celebrata, quâ stante ad aras periturâ, eum moestos pinxisset omnes, praecipue patruum Menelaum, cum tristitiae omnem imaginem consumsisset, patris ipsius vultum velavit, quem digne ostendere non poterat, l. cit. Ich müßte mich sehr irren, oder die Erklärung, welche Timanth in dieser Erzählung des Kleonidas den drei jungen Kunstkennern gibt, bedarf keiner weitern Beweise, um für die einzig wahre Darstellung seines Verfahrens und der Gründe desselben erkannt zu werden. W.

Ohne Zweifel dachte Wieland hiebei auch an das, was Lessing hierüber gesagt hat in dem Laokoon S. 34 fgg.


66. Brief.

176 Ein Schüler des Pythagoräers Archytas von Tarent, soll die Pythagorische Lehre zuerst öffentlich bekannt gemacht, so wie die Bewegung der Erde um die Sonne zuerst gelehrt haben.


67. Brief.


177 Wie Lais den Schluß ihrer Antwort unter den angegebenen Umständen hat schreiben können, überlasse ich denen auszumachen, welche gern Räthsel lösen.


68. Brief.

[324] 178 Uebertrieben subtile und pedantische Grübler, wahrscheinlich ein von Aristophanes in den Wolken zuerst in diesem Sinne gebrauchtes Wort. W.

Eine ausführliche Abhandlung über die Wörter Phrontis, Phrontizein, Phrontisten und Phrontisterion hat Wieland geliefert in seinen, der Uebersetzung der Wolken beigefügten Erläuterungen (Att. Mus. II. 2, 35–47). – Voß hat das Aristophanische Phrontisterion übersetzt durch Denkwirthschafteri, und Phrontist (μεριμνοφροντιστης) durch Tiefsinnesdenker.


179 Anspielung auf eine merkwürdige Allegorie Platons, wodurch er zu Anfange des siebenten Buches seiner Republik den menschlichen Zustand in Ansehung des Wissens und Nichtwissens zu versinnlichen sucht.


180 Aus Sesamon, einer kornartigen Hülfenfrucht, bereitet, mit Honig, Käse und Oel gemischt, war ein bei den Athenern sehr beliebtes Backwerk.


181 Es war eine alte Sitte bei den Athenern, daß jeder Gast seinen eigenen Bedienten mitbrachte, um sich von ihm bei der Tafel bedienen zu lassen, und vornehmlich um von den verschiedenen Gerichten, wovon jedem Gast eine reichliche Portion vorgesetzt wurde, alles was dieser nicht selbst verzehrte und was transportabel war (z.B. Stücke gebratnen Wildbrets, Würste, Hühner, Fische, wildes Geflügel, Kuchen u.s.w.), in einen bei sich habenden Korb oder Sack stecken und nach Hause tragen zu lassen. W.


69. Brief.

182 Dieß kann sich nur auf Hippasos von Metapont beziehen, der das Feuer für das Grundelement hielt, wodurch in periodischem Wechsel die Welt entstehe und untergehe.


183 Für die menschliche Erkenntniß gibt es eine doppelte Quelle, entweder die Sinnlichkeit oder Verstand und Vernunft. Jene zeigt die Dinge nur als einzelne, eigenthümliche, in ihrer Besonderheit, diese in ihrer Allgemeinheit, nach dem, was allen Dingen einer Art gemeinsam ist. Hienach unterschied Platon eine doppelte Welt, die Sinnenwelt und die Verstandeswelt (die intelligible, die nur durch[325] den Verstand und nicht durch den Sinn erkennbar ist). Nach seiner Ansicht erkennt man nur in dieser Verstandeswelt die Dinge wie sie an sich sind (als ὀντως ὀντα), rein von allen zufälligen Besonderheiten in ihrem wahren Wesen, oder, welches auf Eins hinausläuft, die Ideen derselben (wobei Platon hier an die Gattungsbilder dachte), gegen welche er die wirklichen Dinge nur als unvollkommene Nachbilder betrachtete. Wenn sie Wieland hier als bloße Schatten der Ontoos Ontoon, d.i., wie er oben übersetzte, der wirklich wirklichen Dinge angibt, so geschieht es in Beziehung auf die früher erwähnte Allegorie von der Höhle. Man vergleiche hiemit, was früher über die Platonischen Ideen gesagt ist.


184 Personificirung abstracter Begriffe und lebloser oder wenigstens unpersönlicher Dinge. Auch die Redefigur abwesende Personen als gegenwärtig aufzustellen und sprechen oder handeln zu lassen, führt bei den Grammatikern diesen Namen. W.


185 Trygäus, im Frieden des Aristophanes, reitet auf einem Mistkäfer in die Burg Jupiters, um diesen zu befragen, was er mit dem Hellenenvolke beschlossen habe.


186 (Wolkenkukuksheim) nennt Aristophanes die Stadt, die er die Vögel unter Anführung des Athenischen Abenteuerers Peisthetäros den Göttern zu Trotz in die Wolken bauen läßt. W.


187 Höhlenbewohner, wurden nach dieser thierischen Lebensweise von den Alten gewisse noch im rohesten Naturstande begriffene Menschenhorden genannt, deren Plinius in seiner Naturgeschichte mehrere aufführt. W.


188 (Fischesser) – Diejenige Classe der rohen Naturmenschen, die sich hauptsächlich vom Fischfang nähren. W.


189 Anthropodämon, scheint ein von Aristipp erfundenes Wort zu seyn, um damit diejenige energische Eigenschaft der menschlichen Natur zu bezeichnen, wodurch sie vermöge einer innern Nothwendigkeit ewig der höchsten Vollkommenheit entgegenstrebt, ohne sie gleichwohl jemals zu erreichen. W.


190 Ein Beiname der Göttin Nemesis, deren Amt war, alle aus Stolz und Uebermuth begangenen Frevel zu rächen, und deren Ungnade man sich also, nach dem gemeinen Glauben, durch Ungenügsamkeit und allzu üppige Wünsche zuzog. W.

A1

Seine Anhänger werden Cyrenaiker genannt, auch Hedoniker, von Hedone, Wollust, über welche sich Wieland vielleicht am besten erklärt hat.

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Band 24, Leipzig 1839, S. 282-326.
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