Amsterdammer und Haager Gemäldesammlung.

[87] Als Heineken im Jahr 1768 die Stadt Amsterdam besuchte, fand er auf dem Stadthause eine Zahl von 120 Gemälden, unter welchen er den großen Schützenaufzug von Rembrand und die Malereien von van Helst, Franz Hals, Jakob Jordaans, Govert Flink, Ferdinand Bol und Jan van Bronkhorst als sehr betrachtungswürdig auszeichnet. (Siehe Heinekens Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen, 2. Theil). Die genannten Maler machen noch jetzt den Kern des Amsterdammer Museums aus, welches den Namen »Museum des Königreichs der Niederlande« führt, während das Museum im Haag »königliches Museum« heißt. Im ersteren Namen liegt, wie mir scheint, ein Mißgriff, der Name »Amsterdammer Museum« möchte passender sein, nicht[88] allein, weil dasselbe Gemälde aus der ehemaligen Südhälfte des Königreichs der Niederlande befaßt und es daher unstatthaft scheint, den Namen so weit auszudehnen, sondern auch weil das Museum, so viel ich weiß, Eigenthum der Stadt ist; weil es die Maler am vollständigsten enthält, welche zu Amsterdam blühten, und weil es seinen Ursprung jenen wackern Malern verdankt, welche die Mahlzeiten, Feste und Aufzüge der Amsterdammer Schützengilde darstellten. Die Gemälde befinden sich gegenwärtig nicht mehr auf dem Stadthause, sondern sind im obern Stockwerk eines großen öffentlichen Gebäudes in verschiedenen Zimmern und einem langen Saal aufgestellt, weniger hell und elegant wie die Gemälde des Haager Museums. Die Anzahl der Gemälde beläuft sich nach dem gedruckten Katalog von 1830 auf 415 Stück, darunter 371 von namhaften meist holländischen Meistern, an deren Spitze Rembrand, Gerhard Dau, Jan Steen und van der Helft mit weltberühmten Meisterwerken stehn. Aus der flamländischen Schule findet man vier Teniers, sechs van Dyk, drei Sammet-Breughel, eben so viel Rubens und zwölf sehr schöne und seine Gemälde von dessen Lehrmeister Otto Venius, auf welchen die Thaten des Claudius Civilis vorgestellt sind; diese hingen vormals im Saal des alten Schlosses im Haag, in welchen[89] die fremden Gesandten bei ihrer Aufnahme eingeführt wurden.

Ueber das Haager oder vielmehr königliche Museum entlehne ich die Notizen aus der Vorrede der: principaux tableaux du Musée royal à la Haye gravés au trait avec leur description. A la Haye 1820, mit spätern Supplementen; ein Werk, worüber ich nachher einige Worte sagen werde.

Der Prinz von Oranien, Wilhelm V., Vater des jetzigen Königs, wird betrachtet als der Stifter dieser Gallerie. Indessen besaß schon Wilhelm III., König von England, eine Gemäldesammlung auf seinem Schlosse von Loo, in der Nähe von Utrecht. Er soll beträchtliche Einkäufe für dieselbe auf einer Versteigerung in Amsterdam gemacht haben, auf welcher er mehrerer Stücke von van Dyk, Rubens und italienischen Malern habhaft wurde. Mehrere Gemälde, welche gegenwärtig die Gallerie im Haag zieren, stammen aus dem Schlosse von Loo, unter andern die junge Hausfrau von Gerhard Dau. – Wilhelm V. ließ die Gemälde aus seinen verschiedenen Lustschlössern sammeln und bildete aus ihnen eine Gallerie im Haag, welche durch Einkäufe sich vergrößerte. Nach der Ankunft der Franzosen und der Flucht des Statthalters nach England im Jahr 1795 ward die Gallerie nach Paris entführt und machte dort während[90] zwanzig Jahren den Hauptzierrath der holländischen Schule aus.

Nach der Schlacht von Waterloo forderte man die Sammlung zurück, es wurden Leute nach Paris gesandt, um diese Angelegenheit zu besorgen, worauf die meisten Gemälde wieder in Holland ankamen. Der König kaufte in der Folge das ehemalige Haus des Prinzen Moritz von Nassau, Gouverneurs von Brasilien, in welchem gegenwärtig die Gallerie das obere Stockwerk, das Curiositätencabinet das untere einnimmt. Die Sammlung ward durch den König bedeutend vermehrt, hauptsächlich mit verschiedenen Stücken der italienischen Schule und den neuesten Erzeugnissen niederländischer Künstler. Für den Eintritt bedarf man eines Zettels, den man sich des Morgens früh im Gebäude selbst holen muß – beiläufig eine nutzlose Umständlichkeit, welche die Directoren, des Amsterdammer Museums wohlverständig nicht nachgeahmt haben. Vielleicht laßt es sich eben diesem Umstande zuschreiben, daß man auf dem königlichen Museum nur selten Leute aus dem Volk, und vom Lande sieht, dagegen die bunten Volksgruppen, die im Amsterdammer Museum die Werke ihres Landes beschauen, einen sehr erfreulichen und im Uebrigen durchaus nicht störenden Anblick gewähren.[91]

Nach der notice de tableaux du Musée royal à la Haye (ohne Jahrzahl mit zwei Supplementen) beläuft sich die Zahl der Gemälde auf 364, darunter siebzehn von unbekannten Malern. Aus der flamländischen Schule sieht man vier Rubens, fünf van Dyk, zwei Teniers, einen Höllen-Breughel und Rottenhamer, zwei Sammet-Breughel, einen dito und Rubens, einen Philipp de Champagne. Von neuesten belgischen Malern, größtentheils, wie die neuesten holländischen, unbekannte Namen, finden sich sehr Viele, als Bast zu Gent, Asche, Brice, Cels, Coene, Delvaux, Dietz zu Brüssel, Dücorron und Geens zu Gent, die Blumenmalerin Evrard zu Ath, die Malerin Kindt zu Brüssel, de Jonghe zu Courtrai, Kremer zu Antwerpen, Lebroussart zu Brüssel, Navez ebendaselbst, Nicollie zu Antwerpen, Noter zu Gent, Odevaere zu Brüssel, Paelink zu Brüssel, Payen, Piqué, Roy, Spruyt, die Malerin Thys, Verboekhofen, ebendaselbst, Speiart und Vlieger zu Gent, von Stappen, geboren zu Antwerpen und gegenwärtig in Rom, Verlinden, de Bree und Vappers zu Antwerpen; worunter Paelink, welcher die Toilette der Psyche gemalt, und Kremer, welcher die Malerei, die Poesie und die Musik in der Familie von Koemer Fischer vereint hat, meinem Geschmacke nach die Krone[92] verdienen. Das Verzeichniß der gegenwärtigen holländischen Maler, deren Arbeiten in der Gallerie hängen, ist kürzer, Hary im Haag, Blumenmaler Brand zu Amsterdam, Hovn im Haag. Kobel zu Rotterdam. Kruseman im Haag, geboren 1797, Kruzeman zu Haarlem, Nikolai, geboren zu Leuwarden, Jan van Os, Blumen- und Wildmaler, geboren im Haag 1782, jetzt in Frankreich, wo er Landschaften malt. Pieneman, geboren 1779, gegenwärtig Professor der königl. Akademie zu, Amsterdam. Pitloo, geb. zu Arnheim, gegenwärtig zu Neapel. Portman, Wildmaler zu Amsterdam. Abels Ryk, Esman, Ravensway zu Hilversum, Landschaft- und Thiermaler. Schelfhout im Haag, geboren 1787, Landschaftmaler. Teerling von Dortrecht, zu Rom, Landschaftmaler, geb. 1777. Westenberg zu Amsterdam, Landschaftmaler, geboren 1791.

Es gibt, wie mich bedünken will, keinen unter allen diesen Malern, welchem die Natur »einen Brief an die Nachwelt« in die Wiege gelegt hätte. Unterdessen macht sich doch manches schöne Stück durch den verjüngten Eifer, womit hier die Kunst gepflegt und getrieben wird, bemerklich. Unter den Kirchen-, Landschaft-, Thier- und Blumenmalern, findet sich hier und da ein Talent, das an die ältern Vorgänger in dieser Gattung[93] lebhaft genug erinnert. Der Historienmaler Kruseman arbeitet gegenwärtig an einem großen Gemälde, welches die kleine Schlacht bei Hasselt vorstellen soll. Er bringt seine Figuren dem Leben sehr nahe.

Ein junger Künstler, welcher dem Genie der alten Maler noch am nächsten kam, Paul Josef Noël, ist 1823 zu Amsterdam gestorben. Es hängt von ihm ein Stück in der Haager Gallerie, welches die Zuschauer sehr anzieht und lange festhält durch Jan Steenschen Humor und Jan Steensche Natürlichkeit in der Darstellung einer lustigen Marktscene, wo zwei Betrunkene sich balgen, der Eine wirft den Andern mit dem Gesicht in einen Korb voll Eier u.s.w. Noël hätte die holländische Schule wieder in Ruf gebracht.

Eine Auswahl vorzüglicher Gemälde des Cabinets, mit ihren Umrissen und charakteristischen Zügen in Kupfer gestochen, enthält das oben angeführte Werk. Die Arbeit ist von mehrern Kupferstechern theils gut, theils mittelmäßig, theils schlecht ausgeführt, doch sieht man noch immer des Guten mehr als des Schlechten, zu welchem Letzteren besonders ein Herr Bemme das seinige beigetragen hat. Die Herausgeber haben auch Landschaften aufgenommen. Eine Landschaft in Umrissen ist ein gar zu trauriger Rest für die Phantasie. – Der letzte[94] und beste Stich ist die Sektion von Rembrand, wo man den Professor Tulp sieht, der in Gegenwart seiner bärtigen Schüler einen ausgestreckten Leichnam secirt, ein ekelhaft abstoßendes, aber wundervoll kräftig ausgeführtes Gemälde, das früher auf der Anatomie zu Amsterdam hing.

Außerdem hat man Steindrücke nach der Gallerie angefangen; ich sah nur einige auf der Platte, und weiß nicht, wie der Abdruck ausgefallen. Nach dem zu urtheilen, was ich sonst in dieser Art hier zu Lande gesehn, läßt sich davon wenig erwarten. Man ist noch sehr hinter den Leistungen deutscher, französischer und englischer Steindrucker zurück. Auch der Kupferstich ist mittelmäßig. Die goldene Zeit ist vorüber, wo ein Lukas von Leyden, ein Abraham Bloemaert, ein Rembrand, Jan Lievensze, Berghem, du Jardin, Hollar, Svanefeld, Bolswaert, Karl Fischer, Jan Lütma, Houbraken und viele Andre, den alten herrlichen Golzius nicht zu gedenken, der von Geburt ein Deutscher war, den Ruf ihres Vaterlandes auch durch Aetznadel und Grabstichel ausbreiteten.

Quelle:
Ludolf Wienbarg: Holland in den Jahren 1831 und 1832. Erster und Zweiter Theil, Hamburg 1833, S. 87-95.
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