[18] Die Vorigen. Zoe wie schlafend, der Greis und Pausanias rechts und links hinter ihr, ohne sich zu regen; Apelles und Longinus kommen von rechts; in Waffen, Apelles eben in der Mannesblüte, Longinus noch ein Jüngling. Die leise Musik hört auf.
APELLES im Kommen.
Tritt her, Longinus.
LONGINUS.
Was befällt dich, Mann?
Die andern warten dein.
APELLES.
Laß sie nur gehn;
Sie wissen ja die Straße nach Palmyra
Auch ohne mich. Schau hinter dich. »Die Höhle
Des Lebens« nennen sie's.[18]
LONGINUS umherschauend.
Ein öder Ort.
APELLES auf die Felsbank deutend.
Siehst du den kahlen Block? Wer dort elschläft
Und träumt, so sagt man, der wird ewig leben.
Lächelnd.
Ich möcht's versuchen, Freund!
LONGINUS.
Ein Aberglaube
Des blöden Volks!
APELLES.
Wer weiß? – Du sagtest selbst,
Ein Wunder war's, daß diesen Morgen, im
Gewühl der Feinde, mich der Tod nicht fand!
»Du bist unsterblich!« riefst du.
Heiter.
Nun, so könnt' ich
Versuchen, ob dies Wort von Menschenlippen
Mir nicht ein Gott erfüllt!
LONGINUS.
Und möchtest du
Denn leben, fort und fort? – Dein Auge leuchtet
Vom Rausch des Siegs; dich liebt die sonnige Göttin
Des Glücks und schüttet Segen über dich;
Doch – bleibt sie treu, Apelles?
APELLES.
Glück! Was Glück!
Des Lebens Lasten kenn' ich. Hielt das Glück mir[19]
Doch nur die Leiter, die ich keuchend anstieg,
Langsam, geduldig, freudig: denn zu Mühsal
Geschaffen fühlt' ich mich, und segne sie,
Wie sie mich segnet. Arbeit und Genuß
Sind Zwillingsbrüder, eins im andern lebend;
Ich leb in beiden, und sie hüten mir
Die Lust des Daseins, wie mir Schlaf und Wachen
Des Daseins Form behüten. Nagen dran
Die schwarzen Mäuse, Sorg' und Kummer, – wohl,
Ich kenn' des Todes Knechte, hör' sie nagen;
Doch meine Wächte, meine Zwillingsfreunde
Sind treu und stark und scheuchen sie hinweg!
LONGINUS.
So möchtst du ewig leben?
APELLES.
Ewig – wenn
Des Geistes Kraft, das Mark des Arms mir bliebe,
Des Daseins Wert zu fühlen und zu halten!
Wieder lächelnd.
Und darum lockt's mich, hier zu ruhn –
Nähert sich der Felsbank. Die leise, geisterhafte Musik ertönt wieder. Apelles bleibt betroffen stehen.
Was gibt's?
Hörst du Musik?
LONGINUS.
Ich höre nichts.
APELLES.
Du nicht?
Und doch erklingt's; nicht fern, nicht nah; – hier innen,[20]
Und doch von außen. – – Zag' ich? Zaudr' ich? Nein;
Ich hab's gewollt und thu's.
Geht wieder auf die Felsbank zu; bleibt plötzlich wie gefesselt stehn.
Longinus!
LONGINUS.
Was?
APELLES mit einem Schauder kämpfend.
Ein Zauber; rätselhaft. – Vor meinem Aug'
Ist freie Luft, und doch – ein Riesenarm,
Vor meine Brust gelegt, hält mich zurück,
Läßt mich der Felsbank dot nicht nähe treten.
Sich ermannend, mit erhobener Stimme.
Wer bist du, unsichtbare Macht? Was hemmst du
Der Glieder Kraft, den Manneswillen mir,
Das Schicksal zu befragen und die Götter?
GREIS regungslos.
Was dich hemmt, es will dich warnen.
Frag dich, ob dein Manneswille
Nicht dein Unheil dir begehrt!
APELLES hat staunend und verwirrt gehorcht.
Mann! Longinus!
LONGINUS.
Was geschieht dir?
APELLES.
Hörst du sprechen?[21]
LONGINUS.
Ich?
APELLES.
Ja, du.
Eine Stimme – fern und nah –
LONGINUS.
Nichts vernehm' ich.
APELLES.
Ich vernahm's.
Worte hört' ich; doch sie klangen
Nur in meiner Ohren Höhle,
Flogen dann, wie nächt'ge Vögel,
Unverstanden mir davon.
Horch!
GREIS wie vorhin.
Apelles von Palmyra!
APELLES.
Deutlich hör' ich meinen Namen.
GREIS.
Hüte dich! Was du begehest,
Wird dir werden, dir dem Einen,
Nach des höchsten Willens Schluß,
Wenn du's forderst. Doch gib acht!
Leben ohne Ende kann
Reue werden ohne Ende.
Drum gib acht![22]
APELLES.
Ich höre dich,
Unsichtbare Warnerstimme;
Doch du warnst umsonst. Ein hohes
Gut kann nicht zum Uebel werden.
Nichts erschreckt mich; so auch nicht
Deine Mahnung. Ihr, die höchsten
Herren über Tod und Leben,
Gebt mir nur Gewißheit, daß
Leib und Geist mir nie ermatten,
Und ich drücke mir das Leben
Bäutlich, ewig, fest ans Herz!
GREIS.
Wohl! Dir wird, was du begehrst.
Dich erhört der Herr des Lebens,
Hält dich fest auf dieser Erde –
APELLES.
Heller! Lauter! Wie von ferne
Hör' ich un versteh' dich nicht.
GREIS.
An der Stirn gezeichnet wirst du
Wachen ohne Schlaf des Todes
ZOE wie im Traum wiederholend.
Wachen ohne Schlaf des Todes –
APELLES.
Worte! Worte! nicht zu fassen![23]
GREIS.
Allen Kindern dieser Erde
Du ein Bildnis, du ein Beispiel,
Das des Todes Lehre predigt,
Das des Lebens Rätsel lichtet.
Und von dieses Segens Fluch
Wirst du nicht Erlösung finden,
Bis die Seele – –
Verstummt.
ZOE wie vorhin.
Bis die Seele –
GREIS.
Schweigend schläft das dunkle Wort.
Geh und lebe!
PAUSANIAS.
Geh und lebe!
APELLES nach einer Weile.
Alles still. – Du hörtest nichts?
LONGINUS.
Nichts. – Du träumst.
APELLES sich über die Stirn streichend, wie erwachend.
Ein toller Traum.
Wie Verheißung klang's – doch düster – –
Ich vernahm's und faßt' es nicht.
»Geh und lebe!« klang's am Ende;[24]
»Geh und lebe!« klang es wieder.
Mit erzwungenem Lächeln, sich aufraffend.
Wohl, so gehn wir! Gehn wir denn!
AURELIUS hinter der Scene links, ruft.
Freund Apelles!
SEPTIMIUS desgleichen.
Mann! wo bleibst du!
LONGINUS.
Horch, sie rufen.
APELLES.
Ja; die Freunde. –
Fahr denn wohl, du Wunderhöhle;
»Gehn und leben!« ist das Wort.
Lächelnd.
Wohl, ich hört' es und befolg' es.
Nach Palmyra, Freund Longinus!
Zieht Longinus mit fort; beide links ab.
ZOE im Traum.
Nach Palmyra –
GREIS zu Zoe, feierlich.
Folg ihm nach!
Deinen Todesweg zu wandeln,
Ihm zu künden sein Geschick.
Doch die du so leicht das Leben
Hingibst für den Traum des Himmel:
Dich, im Namen des Allmächt'gen,
Ruf' ich auf zu hohen Wundern,[25]
Werkzeug du des ewigen Willens.
Wiederkehren wirst du! nicht
So, doch anders; Abbild des
Ewig neu geformten Lebens, –
Den zu fühnen, zu belehren,
Der in sich verharren will.
Wandre du von Form zu Form,
Strebend leichtbeschwingte Seele!
Irre wandelnd, vorwärts schreitend,
Und in jeder deiner Formen
Ihm begegnend, neu und fremd,
Unbewußt dem Unbewußten –
Bis sich Gottes Werk vollendet.
Nimmt seinen Schleier von Zoes Antlitz.
Aug', erwache; Traum, vergehe.
Nur in schicksalsschwerer Stunde
Ahne träumend diesen Traum! –
Irre gingst du in der Wüste;
Hinausdeutend.
Folg den Männern nach Palmyra.
Geh zu sterben!
PAUSANIAS.
Geh zu sterben!
Der Greis und Pausanias verschwinden; die Musik verstummt.
ZOE murmelnd.
Geh zu sterben –
Erwacht plötzlich; fährt auf, starrt nach allen Seiten umher.
Lag ich hier?
Schlief ich? Träumt' ich? – Ja, ich träumte.
Sich erinnernd.
Von Apelles – meiner Seele – –
Starrt wie hilflos ins Weite, greift an ihre Stirn.
[26]
Fort ist alles. – Heller Tag
Um mich her – hier innen Dunkel.
Wie träumend.
»Folg den Männern nach Palmyra« – –
Welchen Männern? Sprach's der Alte?
Macht einige Schritte, nimmt ihr Bündel von der Felsbank.
Doch wie stark die müden Glieder;
Kehl' und Seele mogenfrisch.
Habe Dank, du liebe Ruhstatt; –
Fahret wohl, ihr bunten Träume!
Trompeten und Hörner links in weiter Ferne. Zoe blickt hinaus.
Ja, dort ziehn sie. – »Folg den Männern
Nach Palmyra« – – Wohl, ich folge,
Herr, und dir egeb' ich mich!
Links ab.
Offene Verwandlung.
Freier Platz in Palmyra. Links das Haus des Apelles, fast im Profil gesehen; eine steinerne Ruhebank vor der Thür. Rechts in Vordergrund ein kleiner Olivenhain, auf derselben Seite rückwärts das hochragende Eingangsthor einer sich in die Kulissen verlierenden Säulenhalle. Im Hintergrund einige Palmen auf einer geringen Erhöhung, zu welcher Stufen hinaufführen; dahinter ist, entfernter, ein Teil der Stadtmauer sichtbar, und darüber hinweg kahles, mäßig hohes Gebirg.
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