Zweiter Auftritt.

[65] Die Vorigen; Aurelius und Septimius treten im zweiten Gemach von rechts ein, langsam, im Gespräch.


AURELIUS mit sehr gelichtetem Haarwuchs. Das ist ein großes Ziel, Septimius: Palmyra muß wieder die große Spinne im Netz werden, muß den ganzen Handel Asiens mit Europa wieder an sich reißen! Laßt mich nur machen, so wird's!

SEPTIMIUS etwas kühl, zurückhaltend. Beim Plutus, ich zweifle nicht. Wirst's machen.

AURELIUS. Mit deiner Hilfe – und zu deinem Vorteil.[65]

SEPTIMIUS. Mein Herz steht dir offen, weißt du –

AURELIUS. Ich hoffe, auch deine Hand! Sind in das vordere Gemach gekommen; Timolaos hat sich von Longinus entfernt, spricht mit einem Sklaven. Sei gegrüßt, Longinus! Was macht deine Hausfrau, die Philosophie?

LONGINUS. Sie hat mir geraten, noch eine zweite zu nehmen: ich werde heiraten.

AURELIUS. Die Priscilla? Recht so! Wir brauchen Menschen, Menschen! – – Apelles hat uns eingeladen, den Abend hier zu verbringen; Leise, voll Unmut. wenn nur nicht auch die Tarantel da wäre, dieser Timolaos. Er läßt niemand in Ruh mit seinen Stachelreden – außer dich und Apelles. Dieser verkommene Schöngeist hat eine ganz verwünschte, nichtswürdige Art, sich einem anzuhängen: zuerst seift er seinen Mann mit faustdicken Schmeicheleien ein, dann kratzt er ihm mit seinem stumpfen Witz die ganze Haut herunter. Es ist eine unbegreifliche Schwäche unseres Apelles, diese zudringliche Nessel zu beschützen –

LONGINUS lächelnd. Sonst hättest du sie schon ausgereutet; das weiß ich!


Septimius hat mittlerweile die Prunkgefäße und Blumen betrachtet setzt sich jetzt an einem Ende der Tafel nieder, halblaut ein Liedchen trällernd.
[66]

TIMOLAOS zu den Sklaven. Nun, was steht ihr da? Wein her, Wein, für den Krösus von Palmyra, unsern allergoldigsten Septimius Malku! Die Sklaven eilen, Septimius zu bedienen. Brich dir den Hals nicht, Nassum! Setzt sich mit seinem wieder gefüllten Becher neben Septimius. Ich bin entzückt, dich so wohl zu sehn, Septimius.

SEPTIMIUS kühl. Du irrst. Ich habe Kopfweh.

TIMOLAOS. Kopfweh? Dann ist Kopfweh ein Schönheitsmittel, denn ich glaube, du hast nie so – wie soll ich sagen – so verklärt, so adonismäßig ausgesehn. Wenn Phöbe dich so sieht, dann ist sie verloren –

SEPTIMIUS lebhaft. Meinst du? Mißtrauisch. Du meinst es nicht so.

TIMOLAOS. Weil ich zuweilen schnöde Witze mache? Jetzt spricht der da aus mir Hebt seinen Becher. der bekanntlich die Wahrheit sagt. – Warum deine Haut gar nicht älter wird, das begreif' ich nicht!

LONGINUS leise zu Aurelius. Schau! Jetzt bearbeitet er gar den Septimius[67]

AURELIUS herzlich lächelnd. Ich hör's. Aber nur zu! Der Septimius wird neuerdings zu hochfahrend, zu spröde; dem wird das Schermesser des Timolaos gut thun. Ja, nur zu, nur zu!

TIMOLAOS. Eigentlich sollte man weinen, Septimius, über die schnöde Ungerechtigkeit der Götter, daß der schönste Mann auch der reichste ist Septimius lächelt zufrieden. Bei Damaskus haben sie einen Fluß, den sie den »Goldfluß« nennen; der stürzt aus den Schluchten des Antilibanon herunter, strömt dann in sieben Armen durch die gewaltige Stadt –

SEPTIMIUS. Ich weiß –

TIMOLAOS. Und all ihre Götterpracht, all ihre Herrlichkeit verdankt sie nur diesem Gewässer. So sollten wir dich den Goldfluß von Palmyra nennen; denn was wären wir ohne dich?

SEPTIMIUS sehr geschmeichelt. Beim Plutus, das ist eine witzige Übertreibung.

TIMOLAOS. Beim Plutus, das ist ein Witz, den das Schicksal machte. Es hat dir das Geheimnis anvertraut, unsern Wüstensand in Gold zu verwandeln. Meine Hochachtung, Septimius! Trinkt ihm zu.[68]

SEPTIMIUS. Auf die Gesundheit deines witzigen Kopfes! Trinkt ihm zu.

TIMOLAOS. Ich muß ein wenig Witz haben, weil ich häßlich und arm bin; – du hast das nicht nötig!

AURELIUS leise zu Longinus, heiter. Ich fürchte, nun kommt's!

TIMOLAOS sehr gemütlich beginnend. Was für eine leichtsinnige Verschwendung wäre das, bei Schönheit und Reichtum auch noch Geist zu haben; ein so großer Mann wie du gibt sich damit nicht ab. Man sagt, du bist in jedes hübsche Weibsbild verliebt; nun, wie soll dir eine widerstehn? Wärst du ihr nicht schön genug, so zeigst du ihr den Goldfluß; hätte sie kein Herz für dein Gold, so zeigst du ihr dein schönes Gesicht. Was geht es sie an, daß du deine Haut pflegst wie eine alte Buhlschwester, oder daß deine Hand in jedem Schlamm gesteckt hat, um das Gold zu fischen? Du hast's. Ich war der Dummkopf, den Schlamm für unrein zu halten, und bin mit Recht ein armer Tölpel ge blieben –

SEPTIMIUS ist aufgestanden, eine Weile stumm vor Ueberraschung und Zorn; wirft jetzt seinen Becher um. Beim Donnrer! nun ist's genug!

TIMOLAOS blickt auf den Tisch und in den Becher hinein. Es war nichts mehr drin. Wär' sonst auch schade um den Wein gewesen –


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 65-69.
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