Dritter Auftritt.

[9] Die Vorigen, Marcus Pomponius kommt hastig von links. Neues Geschrei hinter der Scene.


CORNELIA. Was schreien sie so überlaut? – Pomponius, unser Freund!

POMPONIUS. Ich grüß' euch, werthe Frauen; – grüße euch mit wenig Athem, doch mit desto mehr Treue. Athem holend. Oh! – Im Styx will ich ertrinken, wenn ich die Welt heute Morgen verstehe!

LICINNIA hastig. Was weißt du von Gajus? Sprich![9]

POMPONIUS. Ich? So viel wie die Luft – nach der ich schnappe. Macht keinen Versuch, werthe Frauen, auf den Palatin, in euer Haus zu kommen: unsere alte Stadtmauer steht nicht fester, als dieses Gedränge, das die Straßen versperrt. Sie lassen ihn leben und sterben, bunt durch einander; füllen das bischen Raum, das noch zwischen ihren Ellenbogen übrig ist, mit Stößen und Püffen aus, und schicken ihre Verwünschungen und ihre Knoblauchgerüche zum Himmel hinauf. Gracchus der Volksfreund! Gracchus der Verräther! rufts von rechts und von links. Sie schwitzen und warten ab, wie es enden wird, und um sich die Zeit zu vertreiben, schreien sie: Nieder mit dem Senat! – Nieder mit Gracchus!

LICINNIA. O still! Was sind das für Worte; wiederhole sie nicht! – Wär' dieser Tag erst zu Ende, dieser schreckliche Tag! – Mutter Cornelia, komm und laß uns gehn!

CORNELIA. Wohin?

LICINNIA. Ich bin sein Weib und soll nicht wissen, wo er ist? Er tritt vielleicht eben über unsere Schwelle, und ich, Licinnia, soll ihn nicht begrüßen? – O ich wollte, all meine Sehnsucht täuschte mich und er wäre nicht da, er säße noch fünfzig Meilen von hier unter seinem Zelt und ich könnte mich in Frieden nach ihm sehnen!

POMPONIUS halblaut. Beim Jupiter, ja, eben das wollt' ich auch! Was hat er in Rom zu schaffen, so lange er Quästor ist? Das ist Trotz gegen das Gesetz! Das gibt dem Senat eine regelrechte Klage gegen ihn – und die suchen sie lange. Sie möchten ihn auch zu Grunde richten, wie seinen Bruder Tiber: so hätte Rom keine Gracchen, keine Retter, keine Befreier mehr! – Er soll den Göttern vertrauen und seine Tage erwarten!

LICINNIA. Mutter, warum stehst du so düster und schweigst? – Um aller Götter Willen, führt mich nach Haus![10]

POMPONIUS. Kommt, ich will versuchen, was ich kann: vielleicht von hinten herum – vom Tempel der Vesta her. Euporus! Euporus tritt näher. Nehmen wir alle unsere Kehlen und Ellenbogen zusammen, und dringen wir durch's Rindergäßchen hinauf. Muth, Licinnia, Muth!

LICINNIA. Ich bin eines Gracchus Weib und soll nicht fürchten?

CORNELIA. Ich bin seine Mutter; siehst du, daß ich mich fürchte? – Geh!

POMPONIUS. Ich gehe voran! Mit Euporus nach hinten rechts ab; die Frauen und ihre Sclaven folgen. Neues Rufen hinter der Scene.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 9-11.
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