Klausners Trost

[153] Von Purpursonnenblitzen

Des Forstes Lücken sprühn;

Der Abendwolken Spitzen

Wie Gletscherstirnen glühn

In klaren Himmelsräumen

Des Klausners Augen träumen,

Vor Wehmut feucht.


Da sitz ich nun gefangen/

Mein Kerker ist die Welt/

Und möcht emporgelangen

Zum freien Lichtgezelt.

Doch harte Fenstersprossen

Behalten abgeschlossen

Mich bis zum Tod.


Wohl bin mit blonden Haaren

Ich wie ein Frühlingswind

Viel Wonnen nachgefahren/

O weh, ich töricht Kind!

Spät unter Trauerweiden

Lernt ich mich still bescheiden

Und ward bekehrt.
[154]

Mir kam von seligen Auen

Die eine Gabe nur:

Inbrünstig aufzuschauen

Zur sternbesäten Flur.

Aus trüben Kerkerschachten

Zum Born des Lichtes schmachten

Ist all mein Trost.


Nun sei mir hochwillkommen

Zur Andacht, lauschige Nacht!

Verheißend ist entglommen

Des Sterngewimmels Pracht:

Endlose Weltenscharen

Sollst, Seele, du befahren;

Drum rüste dich!


Einst wird dir aufgeschlossen

Der Gitterzelle Tür;

Du wandelst weißumflossen

An Pförtners Hand herfür.

Die Segelschwingen breite

Und such in Ätherweite

Die neue Welt.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 153-155.
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