An die Frau von Breßler

[81] Warum mein Kiel bisher so lange Zeit geschwiegen,

Macht, weil du selber ihm das Schweigen auferlegt.

Die Muse scheint bey mir schon halb entselt zu liegen,

Dein Scheide-Brief hat ihr ein Schrecken eingeprägt.

Du woltest, schriebst du nächst, den Helicon verlassen,

Des Schicksals Grausamkeit erzwänge solchen Schluß.

Geliebte B-- wilst du dich selber hassen?

Verbanne Harm und Gram, verjage den Verdruß.

Der Himmel wird nicht stets mit Blitz und Donner dräuen,

Ich seh den Freuden-Stern bereits von ferne stehn,

Und dieser wird dein Hertz gantz unverhofft erfreuen,

Dein Fuß soll künfftig hin auf Ros- und Nelcken gehn.[82]

Was wird die Welt von dir wohl vor ein Urtheil fällen?

Du weist, sie liebet dich und deine Dichter-Kunst;

Laß dich bey deinen Schmertz zufrieden wieder stellen,

Vertreibe durch Vernunfft der Schwermuth gifftge Dunst.

Der Schlag ist alzu hart, klagst du, der mich betroffen

Erst meiner Augen-Lust, jetzt mein geliebtes Kind,

Bey letztern kan ich zwar noch auf Genesen hoffen,

Wiewohl mir diß noch nicht die Wunden gantz verbind.

Diß ziehet meine Hand vom Säyten-Spiel zurücke,

Sonst hieß Calliope mein liebster Zeitvertreib,

Jetzt aber geb ich ihr recht Eßig-saure Blicke,

Warum? Ich bin ein kranck und Jammer-volles Weib.

Dein Klagen ist gerecht, wer kan dich widerlegen?

Doch sey auch wiederum zu heilen dich bemüht;

Was wilst du deinen Schmertz noch länger nähren, hegen?

Der als ein Mörder dich zuletzt gar nieder zieht.

Wer kan des Schicksals Schluß durch Klag- und Thränen zwingen?

Vielmehr verdoppelt dir der Kumer deine Pein,[83]

Auf! und erhohle dich ein männlich Lied zu singen,

Diß wird die Panace vor deine Schwermuth seyn.

Zwar scheints, als woltest du nicht mehr an Reime dencken,

Denn meine Muse heist für dich vielleicht zu schlecht,

Drum soltst du wohl damit was würdigers beschencken,

Du hast, ich sag es selbst, in diesen Stücke recht.

Kein schlechtes Epheu-Kraut soll sich zu Cedern wagen,

Dieweil es selbigen gar zu verächtlich scheint;

Allein mein Kiel erkühnt sich nicht dich auszufragen,

Ob deine Feder es noch gut mit meiner meynt.

Deswegen laß ich mich nicht in dem Singen schrecken,

Wenn mir dein netter Kiel nur was in Prosa schreibt,

So will ich doch die Hand darnach mit Freuden strecken,

Ob deiner Wörter Pracht gleich ungereimet bleibt.

Die Sylben werden doch in Ohr und Hertze dringen,

Ich weiß die Süßigkeit erquicket meinen Sinn.

Mein Schmaterwerck will dich gar nicht zum Dichten zwingen,

Dieweil ich gegen dir noch gar zu kindisch bin.

Apollo wird nicht leicht vor mich den Lorber winden,

Er sieht mich gegen dich nur vor sein Stief-Kind[84]

Was könt er würdiges als die von B-- finden?

An der man Geist und Gluth nicht satt bewundern kan.

Die Pallas, so dich sieht, läst Buch und Waffen fallen,

Dein Sayten-Spiel hat sie gantz aus sich selbst gebracht,

Und Phöbus ließ schon längst in alle Welt erschallen,

Was deine kluge Hand vor nette Verse macht.

Man wird von deinen Geist und ungemeinen Gaben,

Betrachtet man genau Kunst und Gelehrsamkeit,

Wohl schwerlich in der Welt mehr solche Damen haben,

Die Fama trägt den Ruhm von dir schon weit breit.

Die Menschen können dich nicht hoch genug verehren,

Die Götter müssen dir beschämt ein Opfer streun;

Der Haß und Neid sucht selbst dein Lob-Lied zu vermehren,

Und auch die Tadelsucht muß dir den Beyfall weyhn,

Die Musen wollen dir auf Tuberosen betten,

Ihr Blumen schwangrer Häyn soll deine Ruhstatt seyn,[85]

Dich bloß von deinen Schluß und Eigensinn zu retten,

Dein Scheide-Brief setzt sie nunmehr in Furcht und Pein.

Laß, edle Freundin, mich bald aus der Antwort lesen,

Du wirst die Bitte mir, ich hoff es, zugestehn,

Daß ich von deinen Wohl wär ein Prophet gewesen,

Mir ist, als hätt ich es schon zum voraus gesehn.

Drum will ich meinen Brief in solcher Hofnung schliessen,

Schließ, liebste Schwester, mich mit in dein Hertz hinein,

So wird Zufriedenheit in meine Seele fliessen,

So werd ich recht vergnügt, und ohne Sorgen seyn.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 81-86.
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