An eine gute Freundin / als Sie nach dem Bade verreiset war

[141] Hier kommt ein schmales Blat, nach deinen Wohl zu fragen,

Wornach die Sehnsucht mich gar öffters fragen heist,

Doch will dir selbges auch, entfernte Freundin, sagen,

Daß in der That mit dir mein Hertz zugleich verreist.

Ich schertze nicht mit dir, denn ohne dich zu leben,

Geht mir, ich schwör es dir, recht schwer und bitter ein.

An deinen Umgang scheint mein Hertze mit zu kleben,

Und dein Verlust setzt mich in nicht geringe Pein.

Wiewohl mich nicht allein, auch andre lassen spühren,

Die sich als Freunde mit in deinen Rollen sehn,

Wie zärtlich allerseits sie deine Flucht muß rühren,

Wie weh auch selbigen mit mir zugleich geschehn.

Auff meinen Pindus hört man nichts als Klage-Lieder,

Mir dünckt, das unsre Stadt gantz ausgestorben ist,[142]

Gesellschafft, Spiel, und Schertz wird mir nunmehr zuwider,

Weil dich bey selbigen mein Augen-Paar vermist.

Du weist, wie sehr ich dich vor allen andern liebe,

Dein Scheiden würckt bey mir recht würcklichen Verdruß.

Jedoch, was mach ich dir dein Bade-Wasser trübe,

Das, wenn es helffen soll, gantz helle fliessen muß.

Die Grillen müssen sich nicht mit in Bäder mischen,

Der Geist soll aufgeräumt und ohne Sorgen seyn;

Drum will ich, deinen Sinn zugleich mit aufzufrischen,

Von Klagen weiter nichts, dir liebste Freundin, streun,

Die Sorgen sind bereits am Nagel auffgehangen,

Gnug daß bey meinen Gram mir die Versichrung bleibt,

Diejenige werde dich bald wiederum umfangen,

Die diß recht mit Begierd und gröster Sehnsucht schreibt.

Ich will indeß voraus die süsse Stunde küssen,

Da deine Gegenwart mich wiederum erquickt.

Denn glaube, daß mein Hertz, der Himmel wird es wissen,

Dir tausend Seuffzer schon statt Pferd und Wagen schickt.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 141-143.
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