Antwort

Auf Seiner Geliebten Schreiben

[62] Dein allerliebstes Blat / das du mir zugeschickt,

Hat mein erstorbenes Hertz recht wiederum erquickt.

Muß ich gleich, liebstes Kind, von dir nach frembden Ländern,

Wird doch die frembde Lufft mein vorges Hertz nicht ändern,

Weil überall dein Knecht die Fessel mit sich trägt,

Die deine Lieblichkeit ihm längstens angelegt,

Er bleibet dir getreu und wird der Deine heissen,

Ja Pluto mag mein Hertz in tausend Stücken reissen.

Dafern es Schönste, dir nicht gantz allein verbleibt

Und bis ins kalte Grab sich dir ergeben schreibt.

Ach fasse dich daher, verbanne Gram und Schmertzen,

Verbeiß der Zähren Saltz, liebst du mich noch von Hertzen.

Mein Schmertz verdoppelt sich sonst durch der Thränen See,

Und deinen Seladon geschieht dadurch zu weh.

Was hilfft die Wehmuth dir? was nutzen deine Klagen?

Man muß des Himmels Schluß, mein Kind, gedultig tragen.[63]

Ich leide mehr als du, erweg ich meine Noth,

Und gienge, glaub es mir, viel lieber in den Tod.

Ich soll, bedenck es selbst, dein schönes Auge missen

Und dich im Bilde nur, nicht mehr persönlich, küssen.

Entsetzlicher Verlust! Raub, dem nichts gleichen kan!

Wie gerne, dürfft ich nur, gäb ich mein Reisen an!

Denn deines gleichen zeigt mir wohl kein Theil der Erden,

Drum dencke, wie mir muß darbey zu Muthe werden,

Da Post und Horn mich rufft, davon das Ohr mir gällt,

Weil meiner Seuffzer Schall zugleich darein mit fällt.

Mein Hertz wird Centner schwer; ists möglich daß ein Wagen

Dergleichen Lasten kan so weit auf Achsen tragen?

Mein Engel, lebe wohl, nunmehro fahr ich fort,

Die Feder sinckt mir hin, ich kan von Schmertz kein Wort

Zu deiner Lindrung mehr und Trost als so viel schreiben:

Dein Seladon wird dir auf ewig treu verbleiben.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 62-64.
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