Antwort-Schreiben Der Frau von Breßler

[56] Vollkommne Z--- die nett gesetzten Zeilen,

So mir mein lieber Freund und Vetter überbracht,

Erregen Sinn und Hand, daß sie zur Antwort eilen,

Und kaum besinn ich mich, so ist sie vollgemacht.

Doch fehlet Geist und Feur und sonst geschicktes Wesen,

So bloß zu dieser Kunst und süssen Spiel gehört,

Da die von Z--- weit klügre Schrifft gelesen,

Als das, womit mein Kiel das reine Blat versehrt.

Nun aber lässet mich das Alter nicht erjagen,

Was meiner Jugend Lentz nicht längsten hat gethan,

So muß ich mich betrübt beym Helicon verklagen,

Und bitte, sieh den Brief, nicht meine Fehler, an.

Hingegen freu ich mich, daß du an mich gedenckest,

Ich nenne deine Lieb, als das was mich ergötzt.[57]

Weil du zu gleicher Zeit mir Hertz und Zuschrifft schenckest,

Empfind ich, was mich auch schon ausser mich gesetzt.

Auch solt ich möglichstens dein seltnes Lob erhöhen;

Doch meine Fähigkeit ist hierzu nicht geschickt.

So kan ich nicht bey dir als zehnte Muse stehen,

Es bleibt mir gegen dich so Geist als Leib gebückt.

Mein Vetter sagte mir, was deinen Ruhm vermehrte,

Und dich vollkommner macht, sey schön seyn und galant.

Er merckte, wie vergnügt ich solchen Lobspruch hörte,

Sie ist, so fuhr er fort, der klugen Welt bekannt.

Doch muß ich bey dem Schluß der Bitte nicht vergessen,

Dem ding ich deine Huld als mein Verlangen ein,

Von mir nimm diesen Brief in Sylben abgemessen,

Zum Zeugniß, daß ich stets von Hertzen werde seyn

von B---

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 56-58.
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