Cantata

[91] Aria.


Vergnüge dich nur in Gedancken,

Mein armes Hertz, bey deiner Pein.

Ich will doch nicht in Hoffen wancken,

Vielleicht trift noch mein Wünschen ein,

Hat es der Himmel nicht versehen,

Wohlan! so fasset sich mein Sinn,

Läst es das Schicksal nicht geschehen,

So geb ich alles willig hin.


Verzage nicht, armseelges Hertze,

Ermuntre dich bey deinem Schmertze,

Ergreiffe den gesetzten Schluß:

Was Himmel und Natur vor dir nicht auserkohren,

Das geh auch immerhin verlohren.


Aria.


Ja, ja, ich will euch lassen

Und meine Seele fassen,[92]

Weil es der Himmel will,

So schweig ich gerne still.

Ihr angenehmen Wangen!

Der Purpur eurer Pracht

Erweckte mir zwar offt ein sehnliches Verlangen;

Jedoch weil mir das Glück nicht lacht,

So will ich auch an das nicht mehr gedencken,

Was mir das widrige Geschicke nicht will schencken.


Jedoch

Euch lieben und zugleich auch zu verlassen,

Kan gar nicht möglich seyn.

Es gehe, wer da will, dergleichen Vorsatz ein,

Ich kan den Schluß nicht fassen.

Der Himmel mag mit Qual und Marter dräuen,

So wird mich der Entschluß doch nicht gereuen,

Es widerrufft mein Mund, was ich vorher gesprochen.

Ich hoffe biß mir wird die Liebes-Bahn gebrochen.


Aria.


Ich liebe dich biß an mein Ende,

Und bete deine Schönheit an.[93]

Die Fesseln drücken nicht die Hände,

Die mir dein Anblick umgethan.

Mein Hertz verbleibet dir ergeben,

Es blendet mich kein frembder Strahl,

Denn soll ich ohne dich, entfernte Schöne, leben,

So heisset mir die Welt ein finster Todes Thal.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 91-94.
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