Cantata

[30] Aria.


Sein Glück auf das Gestirne gründen,

Ist wohl die gröste Phantasey.

Wann die Rechnung uns betrogen,

Und der Punct was vorgelogen,

Alsdenn soll das Gestirn Schuld an den Fehlern seyn,

Ihr Thoren! stellet doch dergleichen Vorwitz ein.

Da Capo.


Man mag den Socrates und andre Weisen

Vor aller Welt als kluge Köpffe preisen,

So wird doch keiner bey dem Fragen,

Uns mit Bestande können sagen,

Was uns das Glück und Einfluß der Gestirne

Bestimmt und aufgehoben.

Ich halte nichts darvon; dergleichen Punct und Proben

Verrücken das Gehirne.


[31] Aria.


Wer auf der Sternen Ausspruch fällt,

Und sie vor sein Oracul hält,

Ob diß und jenes wird geschehen,

Der greifft nach eitel Dufft und Dunst;

Das Schicksal läst sich nicht durch Kunst

In sein geheimbdes Zimmer sehen.


Ihr meynt, daß ein Astronomus

Des Glücks und Unglücks Lauff nothwendig wissen muß,

Chiromantie,

Und Physiognomie,

Die liessen beyde sattsam spühren,

Was Stirn und Hand vor Strich und Narben führen;

Allein, es trifft nicht richtig ein,

Denn beyde können Lügner seyn,

Drum mag ich auch nicht zu voraus[32]

Mein Schicksal und Verhängniß wissen.

Kömmt Glück, so will ich es mit allen Freuden küssen,

Und bricht das Widerspiel bey meinen Hoffen aus,

So werd und muß ich mich bequehmen,

Es still und willig anzunehmen.


Aria.


Dem, der die Stern im Lauf erhält,

Sey mein Glück anheim gestellt;

Wie er es wird fügen,

Soll michs auch vergnügen,

Wer weiß, was er noch mit der Zeit

Mir vor Vergnügungs-Rosen streut.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 30-33.
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