Cantata

[43] Aria.


Ihr artgen Wangen

Habt mich gefangen,

Ich sag es frey;

Die Lieblichkeit der holden Lippen,

Kömmt den im Meer versteckten Klippen /

Woran das Schiff zerscheitert, bey.


Wer euch nicht liebt muß Stahl und Stein,

Und nur ein halber Mensche seyn;

Der Augen Allmachts-voller Strahl

Setzt alle Welt in Schmertz und Quaal;

Ich selber muß es dir bekennen,

Daß deine Schönheit mich heißt unaufhörlich brennen.


Aria.


Was könt ich schöners mir erwehlen /

Als dich, Annehmlichste der Welt:

Dein mehr als überirrdisch Wesen

Läst was aus Stirn und Augen lesen,

Daß auch den Göttern wohlgefällt.

Da Capo.
[44]

Mißfällt mein Antrag dir,

So kan ich, Schönste, nicht dafür.

Warum? die Marter meiner Seelen

Läst sich wahrhafftig nicht verhehlen.

Betrachte nur mein Angesicht,

Wie mir die Gluth aus Stirn und Wangen bricht,

O kühle selbge doch durch dein Erbarmen ab,

Und laß mich Gegen-Gunst geniessen;

Wo nicht, so stürtzest du mich vor der Zeit ins Grab,

Und ich Armseelger muß,

Bey solchen mehr als harten Schluß,

Mein Unschuld volles Leben schliessen.


Aria.


Entschließ dich, Schönste, mich zu lieben

Die Großmuth bringt dir Ehr und Ruhm;

Erhalt ich nach so vielen Schmertzen,

Ein Stückgen nur von deinen Hertzen,

So schätz ich selbiges mehr als ein Kayserthum.

Si replica

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 43-45.
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