[218] 1.
Angenehmen grünen Zweige!
Ihr seyd Zeugen meiner Pein.
Was ich aller Welt verschweige,
Soll euch unverhohlen seyn.
Weil mich Busch und Schatten schützen,
Hier auf dem beblümten Klee,
Wo ihr mich seht einsam sitzen,
Klag ich euch mein bittres Weh.
2.
Seht ihr nicht die Thränen rinnen?
Schaut der Wangen Strassen an,
Untersuchet mein Beginnen,
Sterne! Was hab ich gethan?
Saget, was ist mein Verbrechen?
Daß ihr mich so sehr betrübt,
Wolt ihr mir diß Urtheil sprechen?
Darum, weil das Hertze liebt.
3.
Lieb ich ja, so seyn die Triebe
Nicht unedel und gemein.[219]
Spühr ich doch an Schaafen Liebe,
Die gar unvernünfftig seyn.
Wer kan nun der Menschen Flammen,
Die Vernunfft und Tugend nährt,
Billig tadlen und verdammen?
Da das Lieben uns gehört.
4.
Da mein Licht, mein andres Leben
Sich von dieser Trifft gemacht,
Mir den Scheide-Brief gegeben
Und mich bey der Flucht veracht,
Sitz ich recht in Finsternissen,
Mich bescheint kein Sonnen-Licht;
Muß ich ihren Umgang missen,
Mag ich auch die Sonne nicht.
5.
Mich erschrecken offt die Blätter,
Die man sanffte rauschen hört,
Wenn bey kühlen Dämrungs-Wetter
Zephyr durch die Büsche fährt.
Wo sich nur ein Blümgen rühret,
Das ein Schmetterling geküßt,[220]
Denck ich, weil es mich verführet,
Daß es meine Phyllis ist.
6.
Komm, du Helffte meines Lebens!
Dein Adonis ruffet dich.
Ist mein Hoffen gantz vergebens,
Ach! so will ich lieber mich
Unter wilde Thiere machen,
Trifft und Heerde, fahret hin,
Ich kan euch nicht mehr bewachen,
Weil ich satt des Lebens bin.
7.
Sagt mir, lauen Zephyr-Winde,
Die ihr auf die Gegend weht,
Saget, ob ich das bald finde,
Was mir an die Seele geht,
Hoffnung, Sehnsucht und Verlangen
Fressen mir das Hertz gantz ab.
Kan ich Phyllis nicht umfangen
Stürtz ich mich noch heut ins Grab.
8.
Zeiget mir, ihr gütgen Sterne!
Wann es nicht kan nahe seyn,[221]
Meine Schöne nur von ferne,
Und soll ich auch ihren Schein
In der Weite nicht geniessen,
Ach! so last von ihren Fuß
Mich die süssen Tapffen küssen,
Weil ich sonst verschmachten muß.
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