Buchbindereimaschinen [1]

[377] Buchbindereimaschinen. Die eiserne Bogen- oder Stockpresse gehörte bereits im 17. Jahrhundert zum ständigen Inventar einer Buchbinderei. Ihr folgte (etwa im Jahre 1820) die Schneidemaschine, die zuerst von Gebr. Heim in Offenbach in brauchbarer Form gebaut wurde; dann kamen die Prägepressen mit Schlagrad, Seitenhebel und Kniehebel und seit 1860–70 eine Reihe neuer Buchbindereimaschinen.

Schneidemaschine. Die Hauptteile der Maschine sind a) ein wagerecht, rechtwinklig zur Messerrichtung liegender Tisch, der einen auf einer Leitspindel durch Kurbelbewegung leicht verstellbaren Sattel trägt und unter der Messerschneide zur Aufnahme einer auswechselbaren Holzleiste eingerichtet ist; b) die Vorrichtung zum Festpressen des eingelegten Materials; c) das eigentliche Schneidwerkzeug, das Messer mit den Einrichtungen zu seiner Befestigung und Führung; d) der Bewegungsmechanismus für diese letztere.

Der Tisch ist bei allen Konstruktionen ziemlich gleichartig angeordnet, nur die Vorrichtungen für schnellere Bewegung des Sattels, die mancherlei Hilfsapparate für Seitenanlage, Maßstäbe und Zeigeeinrichtung unterscheiden sich etwas. Ebenso tritt bei der sogenannten Dreiseitenbeschneidemaschine eine bewegliche Platte an Stelle des Tisches. Die Vorrichtung zum Festpressen wird teils mit Schlagrad und Schraubenspindel (Handpressung), teils mittels Hebelanordnung (Selbstpressung) bewirkt; auch das Schneidwerkzeug zeigt wenig wesentliche Unterschiede: senkrecht-gerader, schräger und kreisförmiger Zugschnitt[377] sind die Schnittführungsarten, die zur Anwendung kommen. Am meisten ändert sich der Bewegungsmechanismus der Messerführung, doch lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden: Hebel- und Rädersystem. Das in neuerer Zeit mehr in Gebrauch kommende Beschneiden der periodischen Literatur führte zur Konstruktion der sogenannten Vierseitenschneidemaschinen. Hier werden zwei Stöße Hefte oder Bücher mit dem Rücken gegeneinander auf dem kreisförmigen beweglichen Tische festgepreßt und automatisch die zu beschneidenden Seiten viermal dem auf und nieder gehenden Messer zugeführt (s. Fig. 1). – Näheres über Schneidemaschinen s. [1] und Kataloge von Aug. Fomm, Carl Krause, Chr. Mansfeld, Leipzig.

Falzmaschine (Fig. 2). Hiervon existieren eine Menge Konstruktionen; am meisten verbreitet sind die Kreuzbruchfalzmaschinen für zwei bis vier Brüche von Preuße & Co. in Leipzig-Crottendorf, F. Martini & Co. in Frauenfeld, Gebr. Brehmer in Leipzig-Plagwitz sowie Gutberlet & Co. in Leipzig. Die Anlage des zu falzenden Bogens erfolgt am sichersten nach Punkturvorrichtungen; man kann aber auch nach Winkelanlage oder automatischen Schiebern arbeiten. Letztere schieben jeden Bogen, falls er nicht genau angelegt ist, genau gerade, bevor er vom Falzmesser erfaßt wird. Der angelegte Bogen wird vom ersten Falzmesser erfaßt und zwischen zwei geriffelte Stahlwalzen geführt, die in Federlagern ruhen und somit der betreffenden Papierstärke nachgeben. Auf Bändern besonderer Art wird der Bogen weiter zum zweiten, dritten, vierten Falzmesser und dementsprechenden Walzenpaaren geleitet. Der Antrieb der Walzen und Räder erfolgt durch Riemen, alle andern Bewegungen durch Exzenter.

Die gefalzten Bogen kommen nun in die Stockpresse; ist der damit ausgeführte Druck nicht hinreichend, um ein dauerndes Glattliegen des Buches zu gewährleisten, so werden die in Lagen von 5–20 Bogen abgeteilten Bände noch zwischen den Stahlwalzen einer Satiniermaschine hindurchgelassen.

Das früher übliche Einsägen des Buchrückens zur Aufnahme der Hanfschnüre, die das Buch zusammenhalten, ist im Großbetriebe gänzlich abgekommen, und zwar durch die von der Firma Gebr. Brehmer in Leipzig eingeführte Buchdrahtheftmaschine, deren Tätigkeit darin besteht, von einer Spule abgewickelten Stahldraht in einige Zentimeter lange Stücke zu schneiden, diese Stücke in Buchbindereimaschinen [1]-Form zu biegen, die Enden der Schenkel zugleich von innen nach außen durch den Falzbruch des vorliegenden Bogens zu treiben und an der Außenseite desselben fest in die Form Buchbindereimaschinen [1] zu drücken. Bei Anwendung dieses Verfahrens für wirkliche Einbände legt die Hefterin den zu heftenden Bogen auf den schwingenden Hefttisch, dieser führt denselben an die Heftköpfe, die im Augenblicke des Berührens eine Klammer durch den Bogen und das darunter befindliche, von der Rolle sich abwickelnde Heftzeug hindurchstoßen; im selben Augenblicke werden die Klammerschenkel durch am Tisch angebrachte Umbiegeapparate auf der unteren Seite des Heftzeuges umgelegt und so bei jeder neuen Schwingung des Tisches eine neue Lage angefügt. Sind sämtliche Lagen des Buches verheftet, so wird durch einen raschen Schnitt einer dazu angebrachten Rinne entlang das Heftzeug abgeschnitten, und das Buch kann herausgenommen werden.

So zweckmäßig dieses Verfahren für Hefte und Bücher von vorübergehender Gebrauchsdauer, Reklamesachen u. dergl. ist, hat es sich doch für Einbände wertvoller Bücher als gänzlich ungeeignet erwiesen und ist für solche völlig von der Buchfadenheftmaschine verdrängt worden (Fig. 3). Hier werden die Lagen einzeln über einen Sattel gehängt, dieser führt ihn den Nadeln zu. Letztere durchstechen den Bogen, während ein Weberschiffchen mit eingelegter Zwirnspule einen zweiten Faden in die durch den ersten gebildeten Schlingen einführt. Die Nadeln fahren nun zurück und ziehen den Schiffchenfaden fest an, wodurch der Bogen mit dem darübergehenden[378] Heftzeuge fest verbunden wird. Die Nadeln verändern dabei jedesmal seitwärts abwechselnd rechts und links ihren Standort, so daß sich über den Buchrücken ein Netz von Fäden spannt, die sich am Fitzbund ganz regelrecht verknüpfen. Ist ein Buch fertig geheftet, so wird, nachdem der letzte Bogen zwei Rädchen passiert hat, die ihn mit einem schmalen Klebstoffanstrich versehen, ein Klotz eingelegt, dessen Breite zugleich den nötigen Raum für das zu beiden Seiten überstehende Heftzeug gibt. Wie beim Heften besserer Bücher wurde die Drahtheftmaschine auch bei der Herstellung von Schreibheften durch die Knotenfadenheftmaschine verdrängt.

Die nächste Maschine, die nach dem Beschneiden, eventuell dazwischen, in Aktion tritt, ist die Buchrückenrundemaschine. Der geriffelte halbrunde Arbeitsteil der Maschine erfaßt den darunter geschobenen Band mit einem schräg nach der Mitte desselben gerichteten Drucke und preßt mittels der Pleuelstange des oberen Zahnrades erst die eine, dann die andre Hälfte des Buches gleichmäßig rund.

Die so gerundeten Bände kommen sodann in genau bestimmter Haltung in die Abpreßmaschine, deren Klemmbacken, durch einen Fußtritt geschlossen, den hinteren Teil fest zusammenpressen, so daß der die Heftfäden enthaltende Falz über die Kanten der Backen hinwegpreßt und durch Herüberdrücken der Walze fixiert wird.

Damit ist die Maschinenarbeit am Buchblock erledigt und es beginnt die Herstellung der Decke; zunächst das Schneiden der Pappdeckel. Die hierzu benutzten Maschinen beruhen auf dem Prinzip des Scherenschnittes. Die Pappschere mit Kreismessern trennt das Material durch Gegeneinanderwirken einer Anzahl Messerpaare, deren Querschnitt eine nahezu rechtwinkelige Fassette zeigt. Diese sind verstellbar auf zwei übereinander liegenden Wellen angeordnet, und wird das Material in ganzen Bogen von Walzenpaaren erfaßt und mit einmaligem Durchlaufen in Streifen zerlegt. Bei Fertigstellung der Einbanddecken kommen außer der Anschmier- und Anreibemaschine noch die Lederschärfmaschine, die Maschinen zum Schrägen und Abrunden der Deckel und die Prägepresse für Gold-, Blind-, Relief- und Farbendruck in Betracht (darüber s. Farbendruck, Goldpressung).


Literatur: Außer den beim Artikel Buchbinderei aufgeführten Fachwerken und Zeitschriften nennen wir: [1] Sturm, Die Schneidemaschinen, Buchgewerbeblatt 1893, S. 276. – [2] Saalfeld, Maschinenbuchbinderei, Papierzeitung 1895, Nr. 68, sowie die Kataloge der Firmen: K. Krause, Leipzig, Gutberlet & Co, Leipzig, Preuße & Co, Leipzig-Crottendorf, Gebr. Brehmer, Leipzig-Plagwitz, A. Fomm, Leipzig, Wilhelm Ferd. Heim, Offenbach, Chr. Mansfeld und Dietz & Listing, Leipzig-Reudnitz.

Saalfeld.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 377-379.
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Faksimiles:
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