Buchdruckmaschinen [1]

[381] Buchdruckmaschinen. Man unterscheidet je nach der Art des Formenträgers und des Druckkörpers drei Hauptgruppen. 1. Maschinen, deren Formenträger und Druckkörper ebene Flächen besitzen. Hierher gehören:

A. Die Handpresse (Fig. 1). Diese, die 31/2 Jahrhunderte ausschließlich in Verwendung stand, wird wegen des umständlichen Arbeitsvorganges – elf Manipulationen bei jedem Druck – nur mehr zur Anfertigung von Korrekturabzügen, kleinen Auflagen und von den Aetzanstalten zum Andrucken der Klischees benutzt. Der auf einer eisernen Platte, dem Fundamente, befestigte Satz wird mit der Handwalze eingefärbt, der zu bedruckende Bogen auf dem die Zurichtung tragenden Deckel, ein mit Papier bespannter Rahmen mit zum Aufnehmen der Einlage bestimmtem zweiten Rahmen (Tympan) gelegt, ein drittes Rähmchen zum Festhalten des Bogens heruntergeschlagen und der Deckel auf die Form geklappt. Nun wird das auf Schienen gleitende Fundament unter die Druckplatte, den Tiegel, gefahren, dieser durch Anziehen einer Eisenstange (Bengel), was das Durchdrücken eines Kniestückes oder die Geradestellung zweier im Ruhezustande schräg stehender Kegel bewirkt, herabgepreßt. Beim Zurückgehen des Bengels hebt sich der Tiegel durch Federn oder ein Gegengewicht; die Form wird ausgefahren, Deckel und Rähmchen geöffnet und das Papierblatt abgehoben.[381]

B. Die Tiegeldruckschnellpressen. Die für gewöhnliche merkantile Arbeiten gebräuchlichen sogenannten »Amerikaner« (nach dem Typ der »Original-Liberty« von F.M. Weiler, Berlin-New York; s. dessen Katalog) besitzen zumeist schwingendes Fundament und schwingenden Tiegel, die buchartig auf- und zuklappen. Die Form wird beim Passieren der in Einschnitten liegenden Auftragwalzen eingefärbt, diese werden von einem Teller oder Zylinder gespeist, denen eine sich hebende und senkende Walze aus dem Farbekasten neue Farbe zuführt. Bei den auch für den feinsten Kunstdruck geeigneten modernen Tiegeldruckschnellpressen mit fixem Fundamente (Fig. 2) befindet sich die Form senkrecht, der das Papier tragende Tiegel schaukelt aus der im Ruhezustande fast wagerechten Lage in vertikale Stellung, um dann zur Form parallel vorzugehen. Die Einfärbung erfolgt durch in einem auf- und abwärts bewegten Wagen gelagerte Walzen, die von einem umfangreichen Farbwerke, dessen Hauptzylinder neben der rotierenden Bewegung eine axiale Verschiebung erleiden, neue Farbe empfangen. Die Tätigkeit der bedienenden Person beschränkt sich bei den Tiegeldruckschnellpressen auf das Ein- und Auslegen des Papierblattes, das von Eisenstäben, die sich erst einige Zeit nach dem Drucke heben, festgehalten wird.

Der Umstand, daß bei Verwendung zweier ebener Platten der Druck der ganzen Form gleichzeitig erfolgt, was bei großen Formaten einen außerordentlichen Kraftaufwand erforderte, und manche Hindernisse andrer Art machen es notwendig, die Größe derartiger Pressen enger zu begrenzen.

Für das Bedrucken großer Bogen dienen 2. Pressen, deren Formenträger flach, deren Druckkörper dagegen zylindrisch ist, die sogenannten Zylinderflachdruckmaschinen.

Das die Druckform tragende Fundament wird durch Eisenbahnbewegung, Kreisbewegung, Doppelrechenantrieb und auf andre Art in wagerechter Lage eine bestimmte Strecke hin- und zurückgeführt. Dabei passiert die Form Farbwalzen und den (oder mehrere) das Papier mittels Spangen, Greifern, festhaltenden Druckzylinder. Dieser kann ein Stopzylinder, d.h. bei der Rückfahrt der Form stillestehender sein, oder er bewegt sich kontinuierlich, wobei der sonst durch das plötzliche Arretieren des rasch rotierenden Körpers entstehende Stoß vermieden wird, oder aber er ist ein mit der Form zurückschwingender. Der Bogen wird mittels Bändern und einem Rechen oder andrer Vorrichtungen selbsttätig ausgeführt, bei einigen neueren Konstruktionen derart, daß der frische Druck mit Bändern, Stäben oder dergl. nicht in Berührung kommt (Frontbogenausgang). Die meisten Zylinderflachdruckmaschinen besitzen ein an Walzen reiches Farbwerk, ferner zur Erzielung genauen Passens Punktiervorrichtungen und Bogenschieber (s. Punktieren), Schnellgangpressen zur Verhinderung des Stoßes beim Bewegungswechsel des Fundamentes Luftpuffer u.a.m. Je nach der Leistung gibt es:

A. sogenannte einfache Schnellpressen (Fig. 3), die bei einer Tour einen während der Einfahrt der Form erhaltenen einseitig bedruckten Bogen liefern;

B. Doppelmaschinen, die bei einer Tour zwei einseitig bedruckte Bogen liefern, da ein schwingender oder zwei abwechselnd bewegte Zylinder auch die Rückfahrt der Form ausnutzen;[382]

C. Zweifarbmaschinen mit zwei hintereinander liegenden Fundamenten, die in einem Arbeitsvorgänge einen zweifarbigen Druck ergeben, und endlich

D. Komplett- oder Schön- und Widerdruckmaschinen, die während einer Tour einen Bogen auf beiden Seiten bedrucken. Zur Vermeidung des Abschmierens des erden Druckes ist zwischen Papierbogen und Widerdruckfläche ein sich verschiebendes Papierband eingeschaltet.

Die Leistungsfähigkeit aller dieser Maschinen wird dadurch eingeengt, daß das Hin- und Zurückführen des verhältnismäßig gewichtigen und von der Form noch beschwerten Fundamentes einen sehr raschen Maschinengang nicht zuläßt.

Für in kurzer Zeit zu bewältigende Massenauflagen werden 3. die sogenannten Rotationsmaschinen benutzt, bei denen Formenträger und Druckkörper Zylinder sind, demgemäß ein Bewegungswechsel schnellaufender Teile nicht stattfindet (Fig. 4).

Statt einzelner Bogen wird ein von einer Rolle ablaufendes Papierband (Endlose) verarbeitet, die runden Druckformen werden mittels Stereotypie (s.d.) oder auch galvanoplastisch vom Satze gewonnen. Die Rotationsmaschinen werden den vielfältigen Bedürfnissen der Zeitungsherstellung und andrer Zwecke entsprechend in den mannigfachsten Ausführungen gebaut. Sie können für veränderliches Format (Variable) konstruiert sein, in welchem Falle der Papierstrang bereits in Bogen zerschnitten dem Druckzylinder zugeführt und von diesem pneumatisch angesaugt und abgestoßen wird, oder für konstantes Format. Hier passiert das Papierband erst die verschiedenen Druck- und Formenzylinder, sodann erst Perforier-(Schneide-) und Reißwalzen. Dampffeuchtung bewirkt, daß das Papier weicher und aufnahmsfähiger für die Farbe wird; je ein umfangreiches Farbwerk bedient die Formenzylinder. Die Maschinen werden ferner häufig mit Klebe-, Falz-, Sammel-, Heft- und Zählapparaten, mit Abschmutzvorrichtungen beim Widerdruck u. dergl. m. ausgestattet. Sie können für die Lieferung umfangreicher Zeitungen, für Illustrations- und Mehrfarbendruck gebaut werden.

Zum Betreiben aller Arten Schnellpressen wird, mit Rücksicht auf die eigenartige, oft intermittierende Beanspruchung der Buchdruckmaschinen, in neuerer Zeit der elektrische Einzelantrieb besonders günstig angewendet.[383]


Literatur: König & Bauer, Die ersten Druckmaschinen, Leipzig 1851; Fischer & Wittich, Die Schnellpresse, Leipzig 1878; Goebel, Friedrich König und die Erfindung der Schnellpresse, Stuttgart 1883; Waldow, Hilfsbuch f. Maschinenmeister, I. Teil, 2. Aufl. 1895, II. Teil, 2. Aufl. 1893, III. Teil 1892, Leipzig; Wentscher, Maschinen der amerikanischen Druckindustrie, Berlin 1897; Stecker und Gerlach, Die Rotationsmaschine und ihre Technik, Bant-Wilhelmshaven 1904; Monet, Machines typographiques et procédés d'impression, Paris 1898; Ducrot, Presses modernes typographiques, Paris 1904.

A.W. Unger.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 381-384.
Lizenz:
Faksimiles:
381 | 382 | 383 | 384
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Lueger-1904: Buchdruckmaschinen [2]

Buchempfehlung

L'Arronge, Adolph

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Als leichte Unterhaltung verhohlene Gesellschaftskritik

78 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon