Dampfkesselspeiseapparate [1]

[584] Dampfkesselspeiseapparate. Jeder Dampfkessel muß nach dem Gesetz mit zwei zuverlässigen Vorrichtungen zum Speisen versehen sein, die nicht von derselben Betriebseinrichtung abhängig sind und von denen jede für sich imstande ist, dem Kessel die zur Speisung erforderliche Wassermenge zuzuführen. Mehrere zu einem Betriebe vereinigte Kessel werden hierbei als ein Dampfkessel angesehen. Die Zuführung des Speisewassers in die Kessel geschieht entweder durch Pumpen oder Injektoren.

Für kleinere Kessel, bei denen das Produkt aus der wasserberührten Heizfläche in Quadratmetern und der höchsten Dampfspannung in Atmosphären Ueberdruck nicht größer als 100 ist, sind Handpumpen (Fig. 1) noch zulässig. Bei größeren Anlagen kommen Maschinenpumpen zur Anwendung, die entweder mittels Exzenters von der Kurbelwelle der Dampfmaschine oder von der Transmission angetrieben werden.

Von der Dampfmaschine und dem übrigen Betrieb unabhängig sind die Dampfpumpen. Dieselben werden liegend und stehend gebaut. Der Antrieb der Pumpe durch die Dampfmaschine erfolgt meistens mittels durchgehender Kolbenstange, auf der beide, der Pumpen- und der Dampfkolben, sitzen, entweder unter Zwischenschaltung eines Kurbeltriebwerkes mit Schwungrad zum Massen- und Kraftausgleich oder ohne dieses Triebwerk wie bei den schwungradlosen Dampfpumpen von Worthington u.a.

Die von einzelnen Firmen in neuerer Zeit als Spezialität gebauten schwungradlosen Dampfpumpen haben infolge der getroffenen Verbesserungen in der Dampfverteilung und des sich hieraus ergebenden geringeren Dampfverbrauches in vielen Betrieben zahlreiche Aufnahmen gefunden. Als Vertreterin dieser Gattung von Pumpen kann die in Fig. 2 im Längsschnitt dargestellte Oddessepumpe von der Maschinenfabrik Oddesse G.m.b.H. in Oschersleben gelten. Dieselbe besteht aus zwei nebeneinander angeordneten doppelt wirkenden Dampfpumpen, von denen die eine die Steuerung der andern betätigt. Die Schieberbewegung geschieht durch einen auf der Kolbenstange befestigten starren Arm und ein im Schieberkasten sitzendes Treibstück. Dieses Treibstück besitzt eine schräge Nute, in der ein entsprechend geformter schräger Ansatz des Grundschiebers gleitet, wodurch dieser bei der Längsbewegung der Kolben quer zur Zylinderachse verschoben wird und mit Hilfe des auf ihm gleitenden Expansionsschiebers die Dampfverteilung bewirkt. Die Anordnung ist so getroffen, daß die linke Kolbenstange den Grundschieber des rechten Dampfzylinders, dieser Grundschieber aber wieder den Expansionsschieber des linken Dampfzylinders betätigt, und umgekehrt. Der schräge Ansatz am Grundschieber hat ein gewisses Spiel in der Nute des Treibstückes, um am Hubende eine Pause entstehen zu lassen, in der die Pumpenventile Zeit finden sich sanft und stoßfrei zu schließen. Die Expansionsschieber werden entweder für eine bestimmte Füllung eingeteilt, oder aber sie erhalten nach Art der Meyerschen Steuerung Stellspindeln mit Handrad und Zeiger, um sie von außen auf die erforderliche Füllung einstellen zu können. Die zur stoßfreien Begrenzung des Kolbenhubes und Vermeidung von Beschädigungen benötigte Kompression wird bei diesen Pumpen dadurch erzielt, daß der Dampfkolben den Ausströmkanal vor Hubende überdeckt und dadurch den eingeschlossenen Auspuffdampf komprimiert. Damit aber der Frischdampf beim Hubwechsel trotzdem hinter den Kolben gelangen kann, sind an beiden Zylinderenden kleine [584] Ventile angebracht, die mit dem vom Kolben verschlossenen Kanal in Verbindung liehen und sich öffnen, sobald Frischdampf vom Schieberkasten in den Kanal gelangt. Beim Beginn der Expansion schließen sich diese Ventile unter dem Einfluß der auf ihnen sitzenden Belastungsfedern, um nach dem Hubwechsel dasselbe Spiel zu wiederholen. Die Pumpe geht nach Oeffnen des Dampfventils in jeder Kolbenstellung ohne weiteres an. Sie läßt sich so einstellen, daß die Speisung fortlaufend geschieht und der Wasserstand im Kessel bei nicht sehr stark wechselndem Dampfverbrauch nahezu konstant bleibt.

Sehr zuverlässig in den heutigen Ausführungen, wenn auch in der Speisung nicht so gleichmäßig, sind die Injektoren. Dieselben werden als langend und nichtsaugend gebaut, die saugenden Injektoren können das Wasser je nach der Temperatur desselben auf mehrere Meter Höhe anfangen, während den nichtsaugenden das Speisewasser zufließen muß. Ein besonders auch mit warmem Wasser zuverlässig arbeitender Injektor ist der Universalinjektor von Gebr. Körting in Körtingsdorf bei Hannover. Wie Fig. 3 zeigt, sind in einem Gehäuse zwei selbständige Injektoren vereinigt, von denen der erste das Wasser ansaugt und unter einen gewissen Druck setzt, während der zweite den Druck des Wassers so weit steigert, daß es in den Kessel treten kann. Durch eine geringe Vorwärtsbewegung des Handhebels wird zuerst das die erste Düse schließende Ventil V etwas gehoben, dadurch das Wasser angesogen und anfangs durch den Kanal M ins Freie getrieben; durch weitere Fortbewegung des Hebels schließt der Hahn E diesen Kanal ab, so daß das Wasser in das Düsensystem F1 unter Druck eintritt und nun durch den Kanal M1 noch so lange ins Freie ausfließt, bis das Ventil V1 ganz geöffnet ist und gleichzeitig der Hahn E den Kanal M1 abgeschlossen hat, worauf das Wasser durch das Speiseventil G in den Kessel strömt. Der ganze Vorgang vollzieht sich so schnell, daß es nur nötig ist, den Handhebel langsam von einer Seite zur andern zu bewegen. Diese Injektoren sind imstande, Kessel bei 11–12 Atmosphären Betriebsdruck mit zufließendem vorgewärmten Wasser von 65° vollkommen sicher zu speisen, während sie bei saugender Aufteilung 60° warmes Wasser auf 2 m, kaltes bis auf 6 m sicher anfangen und in den Kessel drücken ( s.a. Strahlapparate). Die Speisung mit Injektoren ist sehr sparsam, da die ganze Wärme im Speisewasser verbleibt. Der Abdampf der Dampfpumpen wird zwar auch zum Vorwärmen des Speisewassers verwendet, dies kann jedoch des Zylinderschmieröls wegen nur indirekt durch Heizröhre[585] geschehen, wodurch die im Kondensationswasser enthaltene Wärme verloren geht.

Außer den vorgenannten Speisevorrichtungen kommen Apparate zur Anwendung, die den Kessel automatisch ohne Zuhilfenahme von Kolbenpumpen oder Injektoren speisen. Einen solchen Apparat, der Firma W. Schönicke in Gera patentiert, zeigt Fig. 4. Die Aufstellung des Apparates erfolgt ca. 1–11/2 m über dem normalen Wasserstand, entweder auf dem Kesselmauerwerk oder seitlich desselben auf Wandkonsolen. Die an dem Dampfeintritt angeschlossene Leitung taucht im Kessel bis auf den normalen Wasserstand ein und wird durch ein Ventil, das unter dem Einfluß des im Oberbehälter B befindlichen Schwimmers m fleht, in dessen höchster Stellung geöffnet und in der niedrigsten Stellung geschlossen. Von diesem Ventil kann der Dampf nur in den unteren Behälter A, nicht aber direkt in den Behälter B eintreten. Bei der Inbetriebsetzung wird der ganze Apparat mit Wasser gefüllt, der Schwimmer m steigt dadurch in seine höchste Lage, öffnet hierbei das Ventil e, und im Apparat herrscht, nachdem noch ein in die Leitung eingebautes Absperrventil geöffnet wird, die Kesselspannung. Sinkt nun der Wasserstand im Kessel bis unter die Mündung des Eintauchrohres, so strömt der Dampf durch e nach dem Behälter A und drückt aus diesem das Wasser durch das Rückschlagventil i nach dem Kessel. Mit dem Behälter entleert sich zusammen das Standrohr l und der Rohrschenkel von c, wobei Rohr d als Heber wirkt. Ist nun Behälter A bis unter den Doppelkrümmer des Rohres c entleert, so zieht die Wassersäule im Rohre d das Wasser im langen Rohrschenkel c heberartig nach oben und gestattet dadurch dem Dampf den Eintritt in Behälter B. Mit Eintritt des Dampfes in Behälter B stürzt das Wasser aus diesem durch Rohr d, l und Klappenventil n in den Behälter A, gleichzeitig durch Sinken des Schwimmers m das Ventil e schließend. Durch das im Behälter A angeordnete Standrohr l wird das von B kommende Wasser rasch mit dem Dampf gemischt und dadurch ein gutes Vakuum erzeugt, das ein rasches Ansaugen und Wiederfüllen des Apparates herbeiführt. Der Schwimmer m steigt wieder in seine höchste Stellung und öffnet das Ventil e; ist dann die Mündung des Eintauchrohres noch frei, so wiederholt sich dasselbe Spiel, und zwar so oft, bis das Wasser im Kessel über diese Mündung steigt und dem Dampf den Eintritt in das Rohr verwehrt. Die Wärmeverluste sind bei diesem Apparat wie bei den Injektoren außerordentlich gering.

Die Speisevorrichtungen werden so reichlich bemessen, daß jede für sich mindestens die doppelte Wassermenge zu fördern vermag, welche die Kesselanlage bei angestrengtem Betrieb verdampfen kann.

An jedem Dampfkessel muß ein Speiseventil angebracht sein, das bei Abstellung der Speisevorrichtung durch den Druck des Kesselwassers geschlossen wird. Dieses gesetzlich vorgeschriebene Ventil soll möglichst nahe am Kessel sitzen; um dasselbe bei eintretendem Undichtwerden oder Festsitzen des Ventilkegels nachsehen zu können, schaltet man zweckmäßig eine Absperrvorrichtung zwischen Kessel und Speiseventil. Zuweilen wird beides zusammengegossen, wie das Speiserückschlagventil mit Absperrhahn von Schaeffer & Budenberg in Magdeburg-Buckau, Fig. 5, zeigt. Literatur s. Pumpen, Strahlapparate.

G. Schwarz.

Dampfkesselspeisepumpen [1] an Bord der Schiffe sind Dampfpumpen, die den Dampfkesseln, unabhängig von dem Betriebe der Hauptmaschine, das erforderliche Speisewasser zuführen; sie werden in den Kesselräumen aufgestellt und wird für jeden Kesselraum eine Hauptspeisepumpe und eine Reservespeisepumpe vorgesehen. Jede der Pumpen muß imstande sein, für die in dem betreffenden Raum aufgestellten Kessel das erforderliche Speisewasser – für Compoundmaschinen 9,0 l, für Dreifach- und Vierfach-Expansionsmaschinen 7–7,5 l pro PSi und pro Stunde – [1] zu liefern. Die Hauptspeisepumpen saugen meist aus den in den Maschinenräumen untergebrachten Warmwasserkasten, in welche die Luftpumpe das Kondensat des niedergeschlagenen Dampfes drückt und die meist zugleich mit einem Kesselspeisewasserreiniger (s.d.) und Vorwärmer (s.d.) derart verbunden sind, daß das Speisewasser mit Gefälle den einzelnen Speisepumpen zufließt [2]. Die Reservedampfspeisepumpe liefert ferner das Druckwasser für den Aschejektor und ist außerdem an die Feuerlösch- und Flutrohrleitung der Munitionskammern angeschlossen, in welchen Fällen sie aus See saugen [4]. Für Schiffszwecke finden direkt wirkende Simplex- oder Duplexpumpen, vorwiegend in vertikaler Aufstellung, Verwendung; sie werden meist an den Bunker- oder Querschotten befestigt. Am gebräuchlichsten sind die Systeme von Worthington, Weir, Blake, Weise und Monski; sie arbeiten alle ohne rotierende Teile, und erfolgt die Steuerung des Dampfschiebers direkt oder indirekt durch die Kolbenstange [3].


Literatur: [1] Bauer, G., Berechnung und Konstruktion der Schiffsmaschinen und -Kessel, Berlin 1904. – [2] Roters, F., Blake-Marinepumpen, Schiffbau 1901, Nr. 21 und 22. – [3] Hartig, J.,[586] Aus der Praxis für die Praxis, Bremerhaven 1903. – [4] Dick, C., und Kretschmer, O., Handbuch der Seemannschaft, Berlin 1902.

T. Schwarz.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 584-587.
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Faksimiles:
584 | 585 | 586 | 587
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