39. Der Müllerbursch und die Katze.

[220] Kam einmal ein Mühlknecht zu einem Müller und bat ihn, er möchte ihm doch Arbeit geben, er sei schon lange Zeit gewandert und wolle sich nun wieder ein paar Kreuzer verdienen. Der Mühlknecht gefiel dem Müller, denn er war ein flinker, rüstiger Bursche, und er hätte ihm sogleich Arbeit gegeben, wenn ihm nicht ein sonderbares Bedenken in den Kopf geschossen wäre. Er kratzte sich eine Zeitlang hinter den Ohren und rückte dann langsam mit seiner Meinung heraus: »Ja, ich brauche jetzt freilich einen Mühlknecht und es stand mir nicht leicht einer so gut zu Gesicht wie eben du. Aber noch hat's einen andern Haken.«

»Was denn für einen?« fragte hastig der Müllerbursch.

»Ja, du wirst mir's vielleicht nicht glauben wollen, aber es ist doch so, wie ich sage. So oft ich noch einen Mühlknecht in der Mühle schlafen ließ, ward er am andern Tage tot gefunden. Was eigentlich dahinter steckt, konnte ich noch nie erfahren; aber es ist einmal so.«

»So weit hat's noch nicht herabgeschneit, daß sich unsereiner fürchtet,« erwiderte lachend der Mühlknecht. »Da laßt nur mich machen, ich bin nicht von Schreckbühl zu Hause.«

»Nein, wäre doch jammerschade um dein junges Leben,« meinte der Müller, »und wo noch keiner davongekommen ist, da wird mit dir nichts besonderes gemacht werden.«[221]

»Kurz und gut, ich fürchte mich nicht und ich bleibe bei Euch, wenn Ihr mir Arbeit gebt.«

»Wenn du durchaus dein Leben aufs Spiel setzen willst, so bleibe halt. Angehen tut's dich,« erwiderte halb froh und halb zornig der Müller.

Der neue Mühlknecht ging nun in die Mühle und arbeitete trotz einem. Als es nachtete, legte er sich ein wenig nieder, ließ aber keinen Schlaf über seine Augen kommen und schaute und schaute, was denn etwa in der Mühle spuken möchte. Auf einmal kam eine große schöne Katze auf ihn zugeschlichen und miaute und stellte den Buckel auf und wedelte langsam mit dem Schweif und schlich immer um den Mühlknecht herum, so daß dieser genug zu tun hatte, das unheimliche Vieh von sich abzuwehren. Wie aber das »Gsch!« und »Mache dich!« und solche Sprüche nicht helfen wollten, wurde er über und über zornig, faßte die Katze am Schweif und warf sie weit von sich weg. Nun schlich die Katze wieder zur Türe hinaus, der Mühlknecht aber dachte sich: »Warte du, komm mir noch einmal,« legte sich auf ein Ohr und konnte ungestört schlafen.

Morgens in aller Frühe kam der Müller und wollte nach dem Leichnam des Mühlknechtes sehen. Wie machte er aber große Augen, als ihm der Bursche singend und pfeifend entgegenkam und die Geschichte von der Katze erzählte.

Als es wieder Abend wurde, holte sich der Mühlknecht eine kleine Hacke und die versteckte er in seinem Bette. Bald war es Nacht, der Bursche legte sich nieder und die Katze schlich wieder miauend heran. Der Mühlknecht scheuchte sie diesmal nicht von sich, sondern tat ihr schön und suchte sie immer näher und näher zu sich heranzulocken. Wie sie eng an seinem Bette stand, zog er flink die Hacke heraus und schlug ihr lachend eine Vorderpfote ab. »So,[222] nun werde ich Ruhe haben,« meinte er und legte sich wieder in seinem Bette zurecht. Die Katze aber hinkte mit erbärmlichem Miauen auf drei Beinen zur Türe hinaus.

Morgens in aller Frühe kam wieder der Müller, um nach seinem Burschen zu sehen. Dieser war seinen Meister kaum ansichtig geworden, da schrie er schon voll Freude: »Da seht einmal, was die Bestie zurückgelassen hat. Die kommt zu mir gewiß nimmer.« Mit diesen Worten zeigte er dem Müller die Pfote, die er der Katze abgehackt hatte. Der Müller lachte sich den Buckel voll an und konnte sich über seinen neuen Mühlknecht nicht genug freuen. Als er sich genug gelacht hatte, ging er wieder seiner Wege und der Vormittag verging wie andere Male, nur wunderte es den Meister, warum sich heute sein Weib gar nicht sehen lasse. Es wurde endlich Mittagszeit und in der Küche brannte noch kein Feuer. Da ging dem Meister die Geduld aus und er schrie an allen Ecken und Enden nach seiner Alten. Die Meisterin aber kam nicht und gab auch keine Antwort. Endlich ging der Müller in die Schlafkammer hinauf und fand die Seinige noch im Bette. »Was tust du denn?« rief er. »Es ist schon Mittagszeit und in der Küche drunten brennt noch kein Spänlein.« »Ich kann heute nicht kochen, antwortete sie, mir fehlt etwas.« Der Müller war neugierig, was denn das sei. Da bemerkte er, daß sein Weib mit den Armen so verzagt tat, und auf einmal sah er, daß ihr eine Hand abgehackt sei. »Aha,« dachte er sich, »das fehlt dir«, und lief zornig über die Stiege hinab und erzählte dem Mühlknecht, was er gesehen habe. Der Bursche merkte wohl auch sogleich, daß die Katze niemand anders gewesen war als die Meisterin, und daß diese eine böse Hexe sei.


(Meran.)

Quelle:
Zingerle, Ignaz Vinc. und Josef: Kinder- und Hausmärchen aus Tirol. Innsbruck: Schwick, 1911, S. 220-223.
Lizenz:
Kategorien: