42. Das kluge Ehepaar.

[234] Es war einmal ein Mann, der zwar kein Haus, aber ein kluges Weib hatte. Da bezog er ein kleines Haus, das einem reichen Herrn gehörte, gegen einen bedeutenden Mietzins. Mann und Weib arbeiteten und sparten das Jahr hindurch wohl fleißig, allein da es zu Ende ging, war dennoch nur wenig Geld in ihrem Schreine und sie sahen mit Angst und Furcht dem Zinstage entgegen. Als dieser angebrochen war, blieb auch der Hausherr nicht lange aus, um die Miete einzutreiben. Wie aber das arme Weib ihn kommen sah, trug sie einen großen Kessel mit siedendem Wasser auf den Söller hinaus. Der Herr, welcher die Bäurin von der Straße aus gesehen hatte, ging zuerst auf die Laube und fragte den Mann, der auch bei dem Kessel stund: »Was machst du hier?«

Der Bauer antwortete: »Mein Weib will waschen und siedet hier Wasser.« Da erwiderte der Herr: »Du Narr, wie wird das Wasser ohne Feuer sieden?«

»Tut nichts,« sprach der Bauer. »In diesem Kessel siedet auch das Wasser ohne Feuer. Greift nur hinein, und Ihr werdet es glauben.«

Der Herr griff in das heiße Wasser und rief: »Wahrlich, das ist ein kostbarer Kessel! Möchtest du ihn nicht mir geben? ich erlasse dir dafür den Zins.«[235]

Der Bauer weigerte sich anfangs, erfüllte aber endlich den Wunsch des Herrn und dieser ließ den Kessel in sein Haus tragen. Seelenvergnügt rief er seiner Frau bei der Heimkunft zu: »Liebes Weib, da hast du nun einen Kessel, in welchem das Wasser ohne Feuer siedet.« Entzückt über dies Geschenk und voll Neugierde ließ sie den Kessel mit Wasser füllen, allein das Wasser wollte nicht warm werden. Endlich brach ihr die Geduld, sie lief zu ihrem Herrn und rief: »Du dummer Esel, wie hast du dich betrügen lassen! – Der Kessel braucht Holz wie jeder andere. Jage doch das betrügerische Lumpenpack, das dich so bei der Nase herumgeführt hat, aus dem Hause!« Der Herr sprach: »Wart nur, ich werde das Gesindel schon wegtreiben wie die Hunde.«

Nach einem Jahre ging der reiche Mann hinaus zu den armen Leuten, um den Zins zu fordern und ihnen die Wohnung aufzukünden. Er traf aber nur das Weib zu Hause und fragte sie: »Wo ist dein Mann?« Sie antwortete: »Er ist auf dem Felde, ich werde aber gleich das Häschen hinausschicken, um ihn zu holen.«

»Ei was,« sprach der Herr, »ein Häschen soll ihn rufen?«

»Ja«, erwiderte das Weib und verließ auf einige Minuten den Herrn. Bald darauf kam der arme Mann mit einem Häschen im Arme, das er streichelte. Der Herr glaubte nun, der Hase habe wirklich den Bauern, der zwei Hasen besaß und einen auf das Feld mitgenommen hatte, herbeigerufen, und sprach: »Potztausend, das ist doch ein kluges Tier. Überlaß es mir für meine Frau und ich will dir den Zins schenken.« Der Bauer wollte anfangs nicht darauf eingehen, gab aber doch endlich nach und der Herr eilte hocherfreut mit dem Wundertiere nach Hause. »Ei sieh!« sprach er zu seiner Frau, »was ich dir heute bringe. Wenn ich fort bin, brauchst du nur dies kluge Tier nach mir zu schicken, und es läuft und holt mich.«[236]

Die Frau bewunderte den Hasen und dachte: »einen solchen Boten kann ich wohl brauchen.«

Am folgenden Morgen wollte der Herr mit den Arbeitern auf das Feld gehen und sprach zur Frau: »Ich gehe nun auf den Acker, um dort nachzusehen. Wenn das Mittagsmahl bereitet ist, schicke das Häschen hinaus.« Er begab sich nun fort, und als das Essen bereitet war, schickte die Frau das Häschen ins Freie. Dies aber sprang lustig ins Weite, ohne sich um den Auftrag zu kümmern, und ließ sich nie wieder sehen. Der Herr wartete und wartete auf den Boten, der ihn zum Essen rufen sollte; allein vergebens. Endlich war seine Geduld alle und er eilte nach Hause. Als er zu seiner Frau kam, rief er: »Warum hast du den Hasen nicht hinausgeschickt, um mich zu rufen?« Darauf entgegnete die Frau: »Ich habe ihn wohl mit der Botschaft weggesandt. Ist er nicht gekommen?« »Nein,« antwortete der Mann. Da ward die Frau zornig und schrie: »Du bist ein gepelzter Narr, weil du dich wieder hast betrügen lassen.«

Der Herr sagte aber: »Nur Geduld, ich werde die Leute aus dem Hause werfen.« Es verging aber wieder ein Jahr, bis er zu dem armen Paare hinausging. Als er die Treppe hinaufstieg, schlug der Mann das Weib mit einer Stange zu Boden, daß es wie leblos da lag. Der Reiche fragte erschrocken: »Ei, was hast du hier getan?« Der Arme antwortete: »Ich werde sie schon aufstehen machen,« holte eine alte Geige aus der Truhe, begann damit aufzuspielen – und das Weib sprang lustig wie ein Widder auf und ging das Mittag kochen. Da staunte der Reiche und sprach: »Ei, was hast du für eine Geige!« »Ja,« antwortete der arme Mann: »sie ist goldeswert, denn wie ich mit ihr aufspiele, so muß das Weib tanzen.« Darauf sagte der Herr: »Wenn diese Geige eine solche Eigenschaft[237] hat, könnte ich damit meine Frau gehorchen machen. Gib mir die Geige und ich schenke dir den Mietzins und gebe dir darüber noch das Geld, das ich bei mir trage.« Der Mann war des zufrieden, gab ihm die Geige gegen das versprochene Entgelt und der Reiche ging seelenfroh nach Hause. Bald darauf erzürnte ihn seine Frau und er nahm eine Stange und schlug sie damit tot. Das ganze Gesinde lief zusammen und fragte: »Warum habt Ihr dies getan? Die Frau ist tot, Ihr seid ein Mörder.« Er antwortete ruhig darauf: »Ich werde[238] sie schon aufstehen machen,« holte die Geige und fiedelte lange Zeit der Leiche vor. Diese rührte sich aber nicht und lag steif und fest da wie ein Stock. Endlich ward er des Geigens müde und sprach zornig: »Warte nur, du faules Weib, ich werde dich doch zum Aufstehen bringen. Am jüngsten Tage will ich geigen, daß du gewiß aufstehen und nach meiner Geige tanzen mußt.«

Den armen Leuten ging es aber fürbaß gut, denn sie hatten für die Geige soviel bekommen, daß ihr Hauswesen sich bessern konnte.


(Proveis.)

Quelle:
Zingerle, Ignaz Vinc. und Josef: Kinder- und Hausmärchen aus Tirol. Innsbruck: Schwick, 1911, S. 234-239.
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