Der Schakal auf dem Diebespfad

[131] Als der Schakal einst den Wagen der »weißen Menschen« herbeikommen sah, legte er sich in das Fahrgeleise und stellte sich tot. Wie nun der Wagen näher kam, blieb er liegen und rührte sich nicht. Der Fuhrmann schlug ihn erst mit der langen Peitsche, das half aber nicht. Da frug er nach dem Shambok (lederne Reitgerte), aber der Schakal rührte sich nicht. Dann verlangte er den Prügel, er aber blieb liegen. Endlich sagte er: »Gebt mir das Gewehr!« Der Schakal aber that, als hörte er es nicht. Nun sprach der »Weiße«: »Er ist tot; darum werft ihn hinten auf den Wagen hinauf für die Hunde.« Und sie warfen ihn hinauf. Als er nun auf dem Wagen lag, wartete er, bis es vollends dunkel geworden war; dann stieß er den Brotsack hinab und den Sack mit Datteln und den Zuckersack schob er auch hinab – verließ[131] so gegen Morgen den Wagen und aß sich satt nach Herzenslust.

Wie er nun so am Verschlingen der Dinge war, kam der Wolf des Weges daher. Der Schakal sprach zu ihm: »Nimm, und schmecke einmal, Gobe!« Der Wolf nahm und aß und frug: »Heisetse, wo hast du das gefunden?« Dieser sagte: »Ich habe es von jenem dort gehenden Wagen hinabgestoßen – darum gehe hin und mache es auch so, wie ich gethan habe. Wenn du hingekommen bist, dann lege dich ins Geleise. Und wenn der Wagen kommt – dann rühre dich nicht. Und wenn du mit der Peitsche geschlagen wirst – bleibe liegen. Und wenn er nach dem Shambok frägt – bleib ruhig liegen. Und wenn er den Prügel verlangt, dann rühre dich nicht. Und wenn er sagt: Gieb mir das Gewehr – mußt du nur liegen bleiben. Dann wird er dich aufladen – und du die Säcke hinabstoßen.« Da lief der Wolf so schnell er konnte, und hingekommen, legte er sich. Als nun der Wagen näher kam, rührte er sich nicht. Da wurde er mit der Peitsche geschlagen; er aber blieb liegen. Der »Weiße« ließ sich den Shambok reichen; er aber blieb liegen. Er sagte: »Gieb mir den Prügel!« er aber blieb liegen. Da sprach er: »das Gewehr her!« – Da sprang der Wolf auf und lief davon.

Erläuterung: die Geschichte im Gewande der Fabel spielte in der Kapkolonie. Der verwegene Schakal, ein Hottentott, erreicht seinen Zweck; er gelangt zur Nahrung während der Fahrt. Der »Weiße« meint, er hätte Futter für seine Hunde an dem für tot gehaltenen Schakal gefunden, während dieser dem »Weißen« den Proviant[132] ablädt und sich gütlich daran thut. – Gobe (Wolf) und Heisetse (Schakal) sind die Namen dieser Tiere in der Fabelsprache. Unter jenem hat man sich einen Mann der schwarzen Rasse zu den ken; dieser ist ein Hottentott. Der Wolf zeigt nicht so viel Ausdauer. Sein Gang hat ihm nur Schläge, weiter nichts eingetragen, und er kann nur froh sein, daß er nicht die ganze Zeche des Schakals bezahlen muß.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 131-133.
Lizenz:
Kategorien: