Des Löwen Krankheit

[144] Es wird erzählt, daß der Löwe einst krank war. Alle kamen, um ihn in seinen Leiden zu besuchen. Nur der Schakal besuchte ihn nicht, weil die Spuren derer, die zu ihm gingen, nicht wieder zurückkehrten. Die Hyäne verklagte ihn deshalb beim Löwen und sagte: »Ich komme und besuche dich, aber der Schakal läßt sich nicht herbei zu kommen und nach dir zu sehen.« Da schickte der Löwe die Hyäne aus, sie möchte den Schakal herbringen.

Als sie ihn brachte, fragte ihn der Löwe: »Warum hast du mich nicht besucht?« Der Schakal sprach: »Nicht doch, Herr! Als ich hörte, daß mein Oheim (damit meint er den Löwen) so krank sei, ging ich zum Arzt[144] und frug ihn, ob und welche Medizin meinem Onkel gegen seine Schmerzen gut thun würde: Der Doktor sagte mir: Gehe und sage deinem Onkel, er solle die Hyäne fangen, ihr das Fell abziehen und sich hineinwickeln, solange es noch warm ist, dann wird er wieder gesund werden. (Das habe ich gethan.) Die Hyäne kümmerte sich aber durchaus nicht um meines Oheims Leiden.«

Der Löwe folgte dem Rate, ergriff die Hyäne, zog ihr die Haut über die Ohren, während sie aus Leibeskräften schrie, und wickelte sich hinein.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 144-145.
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