Klugheit des Hasen

Klugheit des Hasen.
Naosage.

[133] Es war einmal ein Mann der hatte eine sehr schöne Tochter, zu der sprach er:

»Koche zehn Körbe voll Essen! Wer es aufißt, soll dich heiraten.«

Sie kochte das Essen.

Da kamen sehr viele Leute, die das Mädchen gern heiraten wollten; aber sobald sie einen Korb voll von dem Essen genossen hatten, waren sie satt und mußten das Unternehmen aufgeben.

Da machte sich der Hase auf den Weg, nahm seine Axt, seine Hacke, einen Schlauch und ein Buschmesser, ein Tuch, Hirse und ein Körbchen. Unterwegs traf er das Ichneumon, welches sagte:

»Zerteile dein Tuch; morgen wird es dir vergolten.«

Da zerriß der Hase das Tuch und gab dem Ichneumon davon.

Als er weiter ging, traf er einen Vogel; der sagte:

»Gib mir Schnecken zu essen; morgen wird es dir vergolten.«

Der Hase suchte und gab dem Vogel Schnecken.[134]

Weiter auf seinem Wege begegneten dem Hasen Termiten, die riefen:

»Schlag uns diese Bambusrohre um; morgen wird es dir vergolten.«

Der Hase nahm sein Buschmesser und fällte die Bambusrohre.

Bald darauf begegnete ihm ein Perlhuhn, das bat:

»Gib mir von deiner Hirse; morgen wird es dir vergolten.«

Der Hase gab ihm alle Hirse, die er hatte. Ein Löwe begegnete dem Hasen, der sprach zu ihm:

»Gib mir eine Antilope; morgen wird es dir vergolten.«

Da stellte der Hase eine Falle auf, fing eine Antilope und gab sie dem Löwen.

Dann traf er den Elefanten. Dieser sagte:

»Haue mir einen Affenbrotbaum um; was morgen geschehen wird, wirst du dann sehen.«

Der Hase tat, wie ihm der Elefant geboten hatte.

Nun kam er in das Dorf, in welchem jenes schöne Mädchen wohnte.

Das Mädchen kochte dem Hasen zehn Körbe voll Essen, stellte sie ihm hin und sprach:

»Jetzt iß!«

Der Hase entgegnete:

»Stelle das Essen ins Haus; denn am Tage kann ich nicht essen.«

Da stellte sie es ins Haus.

Die Sonne ging unter. Der Hase trat nun ins Haus und begann zu essen. Da hörte er klopfen und rief: »Herein,« und es kam jener Vogel, dem er Schnecken gesucht hatte. Der aß einen Korb voll.

Dann klopfte es wieder, und der Hase rief:[135]

»Herein!«

Da kamen die Termiten, die aßen zwei Körbe voll.

Wieder klopfte es; es kam der Löwe, der aß drei Körbe voll.

Als der Elefant kam, aß er, was übrig war.

Das Ichneumon trank den Krug voll Bier.

Die Sonne durchbrach die Wolken, als der Hase aus dem Hause heraustrat. Die Leute kamen von allen Seiten herausgelaufen, um ihn zu sehen. Er aber holte sich Maniok, röstete ihn und sprach:

»Das war ein Stück Arbeit, all die Körbe voll Speisen aufzuessen! Jetzt habe ich aber Hunger!«

Und er heiratete jenes schöne Mädchen.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 133-136.
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