Vierundzwanzigstes Capitel.
Von der Verlockung des Teufels durch zeitliche Güter.

[45] Es wird von einem gewissen Zauberer erzählt, der einen sehr schönen Garten besaß, in welchem soviele wohlriechende[45] Blumen waren, soviele süße Früchte und solche himmlische Ergötzlichkeiten, daß es sehr angenehm war, sich darin aufzuhalten. Diesen Ort aber wollte er Niemandem zeigen als Thoren und seinen Feinden: wenn diese nun einmal hineingeführt worden waren, da erblickten sie soviele und so große Freuden, daß sie sich verwunderten und inständig baten, daß sie darin bleiben könnten. Jener aber gestand diese Erlaubniß Keinem zu, als wer ihn zum Erben einsetzen würde. Die Thoren aber glaubten, der Garten sey das Paradies, in welchem sie immer bleiben könnten, und gestanden ihm ihr Erbe zu; der Zauberer aber stand des Nachts auf, traf sie schlafend und tödtete sie. So vollbrachte er vermittelst dieses Gartens unendliches Böse.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 45-46.
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