Zwölfte Erzählung.
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Von einem klugen Meister der schwarzen Kunst.

[160] Es lebte zu einer Zeit in Rom ein gar kluger Meister der schwarzen Kunst, der hatte einen jungen Schüler, der Tag und Nacht mit allem Fleiße darnach aufstellte, wie er jenem das Buch stehlen möge, worin alle seine Kunst geschrieben war. Nun begab es sich aber eines Tages, daß der Meister vom Hause weggeritten war, da nahm der Jüngling das Buch und zog damit[160] seine Straße. Wie nun der Meister zu Hause kam und vernahm, daß der Schüler mit seinem Buche fort war, da brachte er es mit seiner Kunst zu Wege, daß er an die Straße kam, welche der Jüngling gezogen war, und eilte ihm behendiglich nach, und als er ihn sicher eingeholt hatte, da ersah ihn der Jüngling. Der aber erschrack sehr und eilte mit dem Buche unter eine Brücke. Da ging der Meister oben darüber hin und ward sein Buch also los, mit welchem ihm sein Knecht entlief.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 160-161.
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