Dreizehnte Erzählung.
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Eine schöne Rede von Diocletiano, Domiciani Sohn2.

[161] Einst war der gewaltige Kaiser Domicianus in Rom, der hatte gar ein schönes Weib, die ward von ihm mit einem Sohne schwanger, der ward Diocletianus genannt. Da nun der Knabe sieben Jahre alt war, da ward des Kaisers Frau gar krank, so daß sie wohl verstand, daß sie nicht wieder genesen konnte. Da sandte sie nach dem Kaiser, und als derselbe zu ihr kam, da sprach sie: Herr, ich spüre wohl, daß ich von diesem Gebreste nicht davon kommen kann, ich muß sterben. Nun habe ich eine Bitte an Dich vor meinem Tode, und solche gewähre mir. Da sprach der Kaiser: Frau bitte, was Du willst, es sey Dir gewährt. Da sprach sie: ich weiß, daß Du nach meinem Tode eine andere Frau nehmen wirst, und bitte ich Dich, daß Du nicht gestattest, daß sie Gewalt über[161] meinen Sohn habe. Das verhieß ihr der Kaiser sogleich, und nach dieser Rede starb sie. Da klagte der Kaiser sehr und wollte lange Zeit kein anderes Weib wieder nehmen. Nun dachte er aber eines Nachts darüber nach, wie er mit seinem Sohne leben sollte, und am andern Morgen rufte er alle seine Edelleute zusammen und fragte sie um Rath, wie er seinen Sohn unterrichten lassen solle. Da riethen sie ihm sieben Philosophen an, die Meister wären in aller Kunst, die in dieser Welt sey, die seyen zu Rom, und denselben solle man den Knaben anbefehlen. Darin ward ihnen gefolgt, der Kaiser sandte nach ihnen, und als sie kamen, befahl er ihnen seinen Sohn auf ihr Wort, daß sie den Knaben also unterrichteten, daß er nach seinem Tode das Reich weislich regieren möge, das verhießen sie ihm und waren des gar froh, daß sie den Knaben in ihrer Pflege haben sollten. Da es nun also geschehen war, da nahmen sie den Knaben und führten ihn mit sich hinweg. Nun wendeten die Meister aber solchen Fleiß auf den Unterricht des Knaben, daß, als sieben Jahre um waren, sie ihn versuchen wollten, wie er ihnen auf ihre Fragen antworten könnte. Da rieth einer von ihnen, der hieß Tantillus, daß man in jedem Winkel seines Bettes ein Lorbeerblatt legen solle. Also geschah es, und da er erwachte, da blickte er gleich über sich in die Höhe. Da fragten ihn die Meister, was er gesehen habe. Da sprach er, entweder die Höhe oder der Boden ist niedrig geworden, oder die Erde unter meinem Bette ist höher gewachsen, denn sie zuvor gewesen ist. Wie das die Meister hörten, da sprachen sie: sollte der Knabe leben bleiben, wird er groß an Weisheit werden und uns weit übertreffen. Während der Zeit hatten die Herren seines Landes mit dem Kaiser also geredet: Herr, Du weißt wohl, daß Du nur einen[162] Sohn hast, es könnte möglich seyn, er stürbe eher denn Du. Darum gefällt es uns wohl, daß Du wieder ein Weib nimmst, damit Dein Reich nicht ohne Erben bleibe. Des ließ er sich überreden, und es ward ihm von einer schönen lieblichen Jungfrau gesagt, die nahm er zum Weibe, und vergaß nun alsbald seiner ersten Frau, und sie lebten also lange Zeit mit einander in großen Freuden Nun konnte aber die Frau während der Zeit gar nicht schwanger werden, und das wurde ihr gar leid. Nun hörte sie auch, wie der Kaiser einen Sohn in der Fremde hätte, und dachte darauf, wie sie es zu Wege brächte, daß sie ihn sehen könne. Und sie bat den Kaiser eines Nachts gar eifrig um eine Gunst, die er ihr gewähren solle, und sie überredete ihn, daß er ihr solches zusagte. Da sprach sie: ich habe vernommen, Du hast einen Sohn in der Fremde, auf den habe ich nun meinen Sinn gestellt, da ich selber keine Kinder haben soll. Ich bitte Dich also, daß Du nach ihm sendest, auf daß ich seiner ansichtig werde. Das ward ihr gewährt. Der Kaiser sandte also einen Brief an die Meister, sie sollten nicht ablassen, den Knaben mit zu Hofe zu bringen. Wie nun die Meister des Kaisers die Botschaft vernommen hatten, begaben sie sich alle an einen geheimen Ort und lugten nach den Gestirnen, ob die Zeit darzu gut wäre, daß sie mit dem Knaben an den Hof zögen. Da sahen sie an dem Firmamente, daß, so sie den Knaben in dieser Zeit hinbrächten, würden sie alle geköpft und der Knabe auch getödtet werden. Des wurden sie gar sehr betrübt, und da der Knabe zu ihnen kam und sie fragte, warum sie so traurig wären, da sagten sie ihm, wie sein Vater nach ihm gesendet habe, und wie sie darüber nach den Gestirnen geschaut hätten: da sähen sie aber nichts Anders, als daß, wenn sie mit ihm zu Hofe zögen, sie alle sterben[163] müßten. Da lugete er selber auch nach den Sternen, und sah, daß sie Recht hatten, allein er sah auch an einem kleinen Sterne, daß, so er sich sieben Tage lang, nachdem er zu seinem Vater gekommen wäre, des Redens enthielte, so würden sie zwar alle zum Galgen geführt werden, aber doch mit großer Mühe freigemacht, daß er nicht getödtet würde. Und da er das sah, da zeigte er den Meistern den kleinen Stern auch und sagte ihnen, wie ein jeder von ihnen einen Tag vom Tode freimachen werde. Wie das die Meister hörten, da freueten sie sich des gar sehr, daß ihr Jünger zu solcher Weisheit gelangt wäre. Darnach bereiteten sie sich nicht erst lange, sondern ritten gen Rom zum Kaiser. Wie das der Kaiser vernahm, da ritt er seinem Sohne mit großer Heeresmacht entgegen, und als er zu ihm kam, küßte er ihn und fragte ihn, wie er sich befunden habe. Darzu schwieg er und gab ihm keine Antwort. Des wunderte sich der Kaiser gar sehr, und sie ritten doch nach der Veste, und als sie in dieselbe gekommen waren, da ging ihm die Kaiserin entgegen, empfing ihn und führte ihn bei der Hand in ihre Kammer und setzte den Knaben neben sich und sprach: o mein lieber Diocletiane, Du sollst wissen, daß mich große Liebe darzu gebracht hat, daß ich mich nach Dir gesehnet habe, wiewohl ich Dich niemals gesehen habe. Um derselben Liebe Willen rede mit mir, und so wollen wir fröhlich mit einander leben, wenn Niemand bei uns ist, der es sieht. Das achtete der Knabe aber Alles nicht und kehrte sein Angesicht von ihr. Da also ihre Rede bei ihm nichts helfen wollte, zeigte sie ihm ihre Brust und entblößte ihren Leib und sprach: siehe an, was für einen schönen Körper ich habe, mit welchem ich Dir zu Diensten seyn will, den Du billiglich mit Liebe aufnehmen solltest. Das achtete er aber[164] Alles nicht und wollte von ihr hinweggehen. Da sprach sie: weil Du denn mit mir nicht reden willst, so nimm hier diese Schreibtafel und thue mir damit Deinen Willen kund. Das that er und nahm die Tafel und schrieb darauf, das soll nicht geschehen, daß ich jemals eine solche That thue, womit ich meinen Vater seiner Ehre beraube und die Liebe zwischen Euch Beiden störe, darum begehret solches nicht und überhebet mich einer solchen Bitte. Wie sie das gelesen hatte, was auf der Tafel geschrieben stand, da riß sie ihre Kopfbinde vom Haupte und zerkratzte sich das Gesicht unter den Augen und schrie laut nach Hilfe. Und wie der Kaiser das Klaggeschrei seiner Frau hörte, lief er schnell in ihre Kammer und viele Ritter folgten ihm nach, daß sie sähen, was der Frau zugestoßen wäre. Und wie er zu seiner Frau kam, da fragte er sie, was ihr wäre. Da sagte sie ihm, jener habe ihr ihre Ehre rauben wollen, und da sie ihm das nicht habe gestatten mögen, habe er sie mit Gewalt überfallen, und so zeigte sie ihm ihr Gewand und ihr Angesicht, das ganz zerrissen war. Das erzürnte den Kaiser sehr und er befahl seinen Schergen, daß sie ihn hinführten und ihn aufhingen. Da ward ihm aber gerathen, man solle ihn lieber ins Gefängniß legen, weil man keinen Menschen ungerecht tödten dürfe. Darin folgte er auch, und der Knabe ward in einen Kerker geführt und des Morgens vor Gericht gebracht: da ward geurtheilt, man solle ihn tödten. Man führe ihn also hin zum Galgen und es weinte Jung und Alt, und sie sprachen: wehe, das ist des Kaisers einziger Sohn, soll der also etödtet werden, das ist sehr schlimm. Und da man ihn also dahin führte, da begegnete ihm sein erster Meister, und da er zu ihm kam, da legte ihm der Knabe sein Haupt an seine Brust und sprach: gedenke[165] meiner, so Du zu meinem Vater kommst. Da sprach der Meister zu den Schergen, sie sollten innehalten und nicht eilen den Knaben zu tödten, er hoffe zu Gott, er wolle ihn frei machen. Des waren Alle froh und warteten darauf, ob der Kaiser den Tod seines Sohnes widerrufen werde. Da eilte der Meister zu dem Kaiser, und da er zu ihm kam, da kniete er nieder und grüßte ihn. Da sprach der Kaiser mit großem Zorn: saget an, habe ich Euch nicht meinen Sohn zur Wohlredenheit überantwortet, der ist nun stumm, und darzu habt Ihr ihn so erzogen, daß ich befohlen habe ihn zu tödten, und also soll es mit Euch auch geschehen. Da sprach der Meister: das weiß Gott, daß er in unserer Pflege wohl geredet hat, und es ist für uns unglaublich so etwas zu hören, da er solche Dinge vorher nie gepflegt hat. Aber Eins sage ich Euch, so Ihr Eueren Sohn nach der Aussage Eueres Weibes tödtet, so wird es Euch übler ergehen, wie dem Ritter, der seinen Vogelhund tödtet nach dem Worte seines Weibes, der ihm sehr lieb war, was ihm nachher sehr gereuet hat. Da bat ihn der Kaiser, daß er ihm sage, wie das geschehen sey. Da sagte der Meister: ich sage es Euch nicht, es sey denn, daß Ihr den Tod Eueres Sohnes widerrufet, so daß er heute nicht getödtet wird: denn wenn ich es Euch so sage, so wird der Knabe nun getödtet. Darum schicke hin und befiehl, daß man ihn nicht tödte, und lege ihn in einen Kerker, und was Ihr nachher zu thun gedenkt, das machet. Des folgte ihm der Kaiser und befahl, daß man ihn gefangen setze und nicht tödte. Da hub der Meister an und sagte:


Von einem Ritter.
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[166] Es lebte einstmals ein edler Ritter, der hatte nur einen einzigen Sohn, den hatte er so lieb, daß er ihm drei Ammen anschaffte, die sein pflegeten. Er hatte aber auch einen Falken und einen Vogelhund, den er gar lieb hatte. Es hatte aber der Hund die Tugend, daß, wenn der Ritter zu einem Strauß ausreiten wollte und es ihm wohl gelingen sollte, er vor ihm herlief, wenn er zu Rosse saß, und sprang und war gar fröhlich, sollte es ihm aber übel ergehen, so fiel der Hund dem Pferde in den Zügel und hielt ihn fest und schrie. Daran erkannte der Ritter wohl, ob er reiten oder daheim bleiben solle, und darum war ihm der Hund desto lieber. Nun geschah es aber einstmals, daß der Ritter zu einem Turniere ritt, und eines Tages gingen die Ammen alle aus dem Hause, so daß Niemand darinnen blieb, nur der Hund lag bei dem Kinde, das in einer Wiege lag. Da kroch eine gräßliche Natter herbei und wollte das Kind tödten, das ersah aber der Falke, und er flatterte so sehr hin und her, daß er den Hund aufweckte, und als der Hund die Natter erblickte, machte er sich auf und lief gegen sie an, und sie stritten so lange mit einander, bis der Hund die Natter tödtete. Es hatte aber die Natter den Hund gebissen, daß er blutete, und die Erde bei der Wiege gar blutig war; von dem Streite aber den sie mit einander gehabt, hatten sie die Wiege umgestürzt, allein dem Kinde war doch kein Leid geschehen. Wie nun der Hund die Natter getödtet hatte, da legte er sich zu der Wand nieder und leckte seine Wunden. Darnach kamen alsbald die Ammen wieder nach Hause, und da sie sahen, daß die Wiege[167] umgestürzt da lag und der Hund am Maule blutig war, da meinten sie, er habe das Kind getödtet und liefen alle davon. Da begegnete ihnen aber die Frau vom Hause und fragte sie, was ihnen wäre. Da sagten sie, während sie ausgewesen wären, da wäre der Hund gekommen, der dem Herrn so lieb sey, und habe das Kind getödtet. Wie das die Frau hörte, eilte sie klagend nach Hause, aber die Ammen machten sich weiter auf die Flucht. Während der Zeit kam der Ritter und fand seine Frau weinend, die noch nicht hinein gekommen war, und er fragte sie, was ihr wäre. Da sagte sie ihm, sein Hund, der ihm so lieb wäre, habe ihr Kind gebissen und getödtet. Darüber erschrack der Ritter gar sehr und eilte zornig in sein Haus, und wie der Hund ihn kommen hörte, da lief er ihm entgegen und spielte um seine Füße herum. Da ward der Ritter voller Zorn, zuckte das Schwert und stach den Hund zu Tode, und dann ging er hin und wollte das Kind beschauen. Da fand er es aber gesund und wohlgemuth in der umgestürzten Wiege und sah die Natter todt und zerrissen bei derselben liegen. Da merkte er wohl, daß der Hund dieselbe um des Kindes Willen getödtet und dem Kinde das Leben erhalten hatte, und darum gereuete es ihm sehr, daß er dem Worte des Weibes geglaubt und dem Hunde seine Treue vergolten hätte. Wie das der Kaiser hörte, ward er dem Sohne wieder ein wenig gnädiger gesinnt, allein darnach am andern Tage kam seine Frau und fragte, warum er die Hinrichtung seines Sohnes widerrufen hätte, und sprach: wollt Ihr der süßen und schmeichlerischen Rede der Meister folgen, so wird es Euch ergehen, wie einem schönen Schweine, welches nur durch Jucken, das ihm so lieblich deuchte, getödtet ward. Da fragte sie der Kaiser, wie das gekommen[168] wäre, und sie sprach: nur so Ihr schafft, daß der getödtet werde, welcher meine Ehre also gefährdet hat, anders sage ich es Euch nicht. Wie das der Kaiser hörte, verlangte es ihn sehr darnach das zu wissen, und er verhieß ihr, daß er ihn tödten lassen wolle, da sagte sie also:


± † (72) *

Vor Zeiten war hier in der Nähe in einem Walde ein gar schönes Wildschwein, das war so stark, daß ihm Niemand widerstehen konnte. Nun hütete einmal ein Hirt in demselben Walde, und auf einmal sah er das Schwein von fern, wie es auf ihn los kam. Darüber erschrack er gar sehr und kletterte schnell auf einen Baum. Da kam das Schwein unter den Baum und fraß die Aepfel, die von dem Baume herabgefallen waren. Wie das der Hirt sah, da schüttelte er den Baum, daß der Aepfel viele herabfielen, und wie sich das Schwein mit den Aepfeln gesättigt hatte, legte es sich unter den Baum und schlief. Wie das der Hirte merkte, stieg er leise vom Baume herab und juckte es am Bauche. Das gefiel dem Schweine gar wohl, und so schlief es dabei ganz fest ein. Als aber der Hirt das ersah, da nahm er ein breites Messer und stach ihm damit die Kehle ab, so daß es zur Stelle todt war. Also kam das Schwein durch Jucken um seinen Hals. Darum hütet Euch, daß es Euch nicht auch so ergehet, und schonet seiner nicht. Wie das der Kaiser vernahm, da befahl er, daß man seinen Sohn zum Tode führe, und also geschah es. Indessen verzog man damit so lange, daß der andere Meister vor den Kaiser kam und also sprach: Herr, wenn dem so ist, daß Ihr der Rede Eueres Weibes glaubet, so wird Euch geschehen, wie einem Ritter, den sein Weib um[169] den Hals brachte. Darum widerruft den Tod Eueres Sohnes auf einige Zeit, und ich sage Euch, wie das geschah. Das that der Kaiser und widerrufte den Tod seines Sohnes; des war männiglich froh, und sie kehrten wieder um und führten ihn in den Kerker. Da hob der Meister an und sprach:


Von Julio dem Kaiser.
± * † (73).

Einst herrschte der gewaltige Kaiser Julius zu Rom, der ließ eine Glocke in seinem Palaste aufhängen, und setzte als Gesetz fest, daß, wer des Abends auf der Gasse betroffen würde, nachdem man dieselbige Glocke geläutet hätte, der darnach des Morgens ohne Gnade gehangen werden sollte. Es war aber ein Ritter in derselbigen Stadt, der hatte gar ein schönes Weib, die heimliche Buhlschaft mit einem Andern trieb. Nun begab es sich eines Abends, daß selbiger ihr Buhle an ihr Haus kam und ihr das durch einen Schrei zu wissen that, den sie wohl verstand. Und wie sie seine Ankunft vernommen hatte, stand sie leise auf und ging herab zu ihrem Buhlen, und wie ihr Mann erwachte und sie nicht in ihrem Bette fand, stand er leise auf, machte die Hausthüre zu und sperrte sie aus und legte sich dann zu Bett. Wie nun die Frau an die Thüre kam und merkte, daß das Haus zugeschlossen war, da erschrack sie gar sehr und bat ihren Mann mit heißen Zähren, daß er ihr aufmachen sollte. Der wollte es ihr aber nicht gewähren. Während dieser Zeit läutete man aber mit der Glocke. Wie das die Frau hörte, so that ihr das gar wohl, als sie merkte, daß sie der Mann nicht einlassen wollte, und sie sprach: ich merke wohl, daß Du nichts Anderes willst, als daß ich sterben soll,[170] und von den Hütern der Stadt ergriffen und geschmäht werde, das soll aber nicht geschehen, denn ich will mir den Tod selbst in diesen Brunnen suchen. Es stand aber ganz nahe am Hause eine sehr schöne Cisterne: und wie die Frau das gesagt hatte, nahm sie einen großen Stein und warf denselben in den Brunnen, als wenn sie es selbst gewesen sey, und eilte dann wieder zur Thüre. Wie das der Ritter hörte, erschrak er gar sehr und eilte aus dem Hause und beugte sich schnell über den Brunnen, indessen war aber die Frau in das Haus gewischt und schlug die Thüre hinter sich zu. Wie das der Ritter hörte, eilte er nach der Thür und fing sie an fleißig zu bitten, daß sie ihn einließe. Das wollte sie aber nicht erhören und erhob ein großes Geschrei: o Du Bösewicht, wie hältst Du Deinen Treuschwur an mir, denn wenn ich wähne, Du seyest zu Hause, da gehst Du andern Weibern nach, das soll Dir aber nicht ungestraft hingehen. Während der Zeit aber kamen die Hüter der Stadt und fanden den Ritter vor dem Hause, fingen ihn und führten ihn zu dem Richter. Des andern Tages aber ward er vor Gericht geführt, und was er auch reden mochte, es half ihm Alles nichts. Er ward dem Tode überantwortet und darnach aufgehängt. Also brachte ihn sein Weib um den Hals, darum sehet Euch vor und glaubt Euerem Weibe nicht zu viel, auf daß Ihr von ihr nicht betrogen werdet. Wie das der Kaiser vernommen hatte, ward er wieder ein wenig besänftigt; als er aber wieder zu seiner Frau kam, da fand er sie gar zornig, daß er seinen Sohn nicht getödtet hatte, und sie sprach: Ihr sollt wissen, daß Ihr diesen Sohn zu Euerem Schaden aufsparet, denn es wird Euch geschehen, wie einem Ritter, welchem sein eigener Sohn das Haupt abschlug. Wenn dem nun so ist, daß Ihr wollt, daß ich[171] Euch sage, wie dieß geschah, so verheißt mir, daß Ihr ihn noch tödten wollt. Das sagte er ihr zu da hob sie an und sprach also:


Von Tito dem Kaiser.
± * † (74).

Man liest von Tito dem Kaiser, daß er zwei Hofmeister hatte, denen er gar wohl trauete, und ihnen alle seine Schätze anempfahl. Nun war der eine gar geitzig und hatte an einer heimlichen Stelle ein Loch in den Thurm gebrochen, das Niemand bemerkte, und kam dann mit seinem Sohne und stieg hinein und stahl viele Güter, indessen sein Sohn Wache halten mußte. Das hatte er aber lange Zeit getrieben und war gar reich davon geworden. Darnach nahm aber der andere Hofmeister wahr, daß des Schatzes von Tage zu Tage immer weniger wurde, und kam deshalb in große Sorge und dachte bei sich: ich muß doch von der Sache etwas mehr in Erfahrung bringen, ehe ich Jemandem etwas davon sage, und ging und schaute sich allenthalben um, ob er irgendwo etwas verändert oder eine Stelle fände, wo man hineinkommen könnte, und kam zuletzt zu dem Loche, welches der Hofmeister durch die Mauer gemacht hatte. Wie er das gefunden hatte, da bedachte er sich nicht lange, sondern ließ ganz im Geheimen eine Grube in die Erde machen, die eine Mannshöhe tief war. Wie das fertig war, füllte er sie mit Pech an und ging von dannen. Darnach kam am andern Abend der andere Hofmeister nach seiner alten Gewohnheit an den Thurm, führte seinen Sohn mit sich und stieg in das Loch, fiel aber dadurch bis an den Hals in die Grube. Da überkam den Hofmeister große Furcht und er warnte den[172] Sohn, daß er ihm nicht nachkäme. Wie das der Sohn vernommen hatte, stieg er vorsichtig neben der Mauer hinab und schauete, wie dem Vater wäre. Da sah er aber, daß er mit dem Leben nie aus der Grube davon kommen möge. Darum dachte er also bei sich: wenn man meinen Vater hier also findet, das ist uns Allen eine Schmach, und besann sich kurz, zog sein Schwert und schlug seinem Vater das Haupt ab, nahm es mit sich von dannen, und ließ den Leichnam des Vaters liegen. Als man denselben nun des Morgens in der Grube fand, da konnte ihn Niemand erkennen. Da befahl der König, daß man ihn an einem Roßschweife durch die Stadt schleifte, da weinten aber Alle, die in dem Hause waren; das merkten aber die, welche mit ritten, und also ward er erkannt. Das möchte Euch von Euerem Sohne auch wohl geschehen, darum richtet darnach, ob Ihr das wollt. Und wie das der Kaiser vernahm, da befahl er, daß man ihn am andern Morgen früh zum Tode führe. Darüber erschracken aber Alle männiglich, und es war ihnen sehr leid, darum hielten sie doch so lange mit der Hinrichtung ein, bis daß der dritte Meister zu dem Könige kam. Der sprach: Herr, wenn dem also ist, daß Ihr nach der Rede Eueres Weibes Eueren Sohn tödten lasset, so wisset, daß Ihr gewiß also von ihr werdet betrogen werden, wie der Ritter mit der Elster von seiner Frau betrogen ward: und so Ihr hören wollt, wie das geschah, so widerruft den Tod Eueres Sohnes bis auf morgen. Also geschah es, und des waren sie männiglich froh und führten ihn wieder in den Kerker. Da sprach der Meister also:


± † (75) *

[173] Man liest von einem Ritter, der einst in einer Stadt seinen Sitz hatte, daß er ein schönes und feines Weib hatte, die aber heimlicher Buhlschaft pflog. Nun begab es sich aber einmal, daß der Ritter über das Meer nach dem heiligen Grabe fuhr, und während er da draußen war, da sandte die Frau nach ihrem Buhlen, der kam zu ihr, und sie lebten gar fröhlich mit einander. Nun hatte der Ritter eine Elster, die redete so deutlich wie ein Mensch, und da sie sah, daß jene also mit einander lebten, das verdroß sie sehr und sie sprach zu der Frau mit solchen Worten: Du thust gar Unrecht, daß Du Deinem Herrn die Treue brichst: wisse, daß ich ihm nichts verschweigen werde, so er zurück kommt. Wie das die Frau hörte, da befahl sie ihren Jungfern, daß sie Fenster und Thüre zusperrten, so daß es finster wurde, als wenn es Nacht wäre: dann nahm sie Wasser in ein Becken, stellte sich über das Vogelhaus und sprengte das Wasser auf den Vogel, als wenn es regnete; das merkte sich die Elster gar wohl. Kurze Zeit nachher kam der Ritter, und sobald ihn der Vogel erblickte, da sagte er ihm alle Mähr, die er gesehen hatte. Darüber erschrak der Ritter gar sehr und frug fleißig nach, wie es um die Sache stehe. Da leugnete aber die Frau Alles und sprach: willst Du die Wahrheit inne werden, so frage sie nur, wenn es geschehen ist, dann magst Du ihr glauben. Und wie er sie fragte, da sprach sie: es wäre in der dritten Nacht geschehen und habe gerade sehr geregnet. Alsbald sprach die Frau: nun kannst Du wohl einsehen, daß sie nicht die Wahrheit spricht, denn daß es dieselbige Nacht ganz heiter gewesen ist, wirst Du wohl wissen. Wie das der Ritter hörte, da dachte er nicht anders, denn die Elster[174] habe gelogen, und schlug es sich ganz aus den Sinn. Darnach aber über etliche Tage fand er ein Becken auf einem Balken über dem Vogelhause stehen, in welchem noch Wasser war. Da erinnerte er sich wieder an das, was ihm die Elster gesagt hatte, und dachte, wenn das geschehen ist, so müssen es die Jungfern wissen, und ging zu ihnen und zwang sie mit Schlägen und mit Drohungen, bis daß sie ihm Alles verriethen, wie sie mit dem Vogel gethan hatten, und also kam die Wahrheit an den Tag. Wie das der Kaiser hörte, da ward er dem Sohne wieder etwas gnädiger gesinnt, und wie er des Abends zu seiner Frau kam, da strafte sie ihn gar sehr mit Worten, warum er den Tod seines Sohnes widerrufen hätte, und sprach: es wird Euch also geschehen, wie einem Gärtner, der einen Hasen lange zu seinem Schaden aufgezogen hatte, daß er ihn zuletzt sogar um seinen Hals brachte, und das geschah also:


Von Aureliano dem Kaiser.
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Einst war ein gewaltiger Kaiser, Namens Aurelianus, zu Rom, der hegte große Liebe zu Baumgärten, und er hatte einen Baum gepflanzt, der ihm gar lieb war, und setzte darzu einen Wächter, der den Baumgarten hüten und pflegen sollte. Nun hatte aber der Gärtner einen Hasen von Jugend auferzogen, den er gar lieb hatte und sein wohl pflegte. Nun kam es aber eines Tages, daß er das Gemach, darin er täglich lag, durchgrub und in den Garten kam und da großen Schaden anrichtete und manchen Baum verdarb, davon der Gärtner in große Noth kam. Wie nun der Herr kam, da ward er sehr erzürnt, als die besten Bäume angefressen[175] und verderbt waren. Da fragte er ihn, wie das also hätte geschehen können, und jener konnte sich nicht anders ausreden, als daß er sagte, er habe einen Hasen jung aufgezogen, der sey eines Nachts herausgekommen und habe diesen Schaden gethan. Wie das der Kaiser vernahm, da ward er sehr zornig und befahl, daß man ihn hinge, und dem geschah also. Darum sehet Euch wohl vor, daß Ihr Euern Sohn nicht auch zu Euerem Schaden erzieht. Als das der Kaiser hörte, befahl er, daß man seinen Sohn am Morgen des andern Tages zum Tode führen solle. Wie das geschah, da kam der vierte Meister zum Kaiser und sprach: wollt Ihr immer noch der Aussage Eurer Frau glauben? Wenn das geschieht, dann glaubt mir, wird Euch geschehen, was dem Meister Yppocras geschah. Wenn Ihr das hören wollt, so widerruft den Tod Eures Sohnes auf morgen und ich sage Euch, was da geschah. Das that aber der Kaiser, und des waren Alle männiglich froh, und jener sprach also:


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Man liest, daß Yppocras gar ein bewährter Arzt war, so daß man zu seinen Zeiten in der ganzen Welt von ihm sprach. Nun geschah es, daß der Königssohn von Frankreich gar siech auf den Tod lag und Boten an ihn mit reichen Geschenken schickte, daß er sich es gefallen ließe zu ihm zu kommen. Nun war aber Yppocras alt, so daß er vor Alter nicht gut über Land reisen mochte, jedoch hatte er einen Neffen, der auch gar klug in der Arzneikunst war, den sandte er ihm und den nahmen die Boten mit sich. Und wie er hinkam, da freuete sich der König über alle Maßen, und er wendete allen seinen Fleiß und alle seine Arzneien an, also daß jener in kurzer Zeit[176] gesund und wohl ward, darum er von Allen männiglich gelobt ward. Und da das geschah, daß des Königs Sohn nun wieder wohl geworden war, da schickte er ihn mit reicher Vergeltung wieder heim. Als aber Yppocras vernahm, wie sein Neffe Alles so gut gemacht hatte und darum so gut gelobt wurde, so mochte er das nicht leiden und fürchtete, er möchte ihn in seiner Kunst übertreffen, und trachtete täglich, wie er ihn vom Leben brächte. Er sprach also eines Tages zu ihm: wohlan, wir wollen ein wenig auf's Feld lustwandeln gehen. Das war der Neffe zufrieden und ging mit ihm. Wie sie nun aber an einen heimlichen und einsamen Ort kamen, der ihm gut darzu deuchte, da zeigte er seinem Neffen ein Kraut und hieß ihn es ausgraben. Der that es, während er sich aber nach dem Kraute bückte, da zuckte jener heimlich sein Schwert und schlug ihm das Haupt ab, ließ ihn liegen und ging seine Straße wieder heim. Kurz darauf ward Yppocras gar siech bis auf den Tod, so daß er sich nicht helfen konnte, und ließ sich zu einem Fasse tragen, das ganz voll Wein war. Daran wollte er aber seine Meisterschaft bewähren, mit der er sich doch selbst nicht helfen konnte, und legte ein Kraut hinein und ließ hernach das Faß überall anbohren, und wie viel man auch Löcher bohrte, doch kam kein Tröpflein heraus. Das wunderte aber Alle männiglich sehr, allein er sprach: Ihr seht wohl, wie viel ich vermag, doch kann ich mir selbst nicht helfen, und mit diesen Worten verschied er. Also bedenkt Euch wohl, daß Ihr Euer Kind nicht nach der Rede Eures Weibes tödtet, denn Ihr wißt nicht, wenn Ihr dasselbe bedürft, daß es vielleicht auch Euer Leben vor dem Tode fristen mag. Wie das der Kaiser hörte, widerrief er den Tod seines Sohnes und ward ihm gnädig. Als er aber am Abend zu seiner[177] Frau kam, da fand er sie gar zornig, daß er den Tod seines Sohnes widerruft hatte, und sie sprach: so das Laster an Euerem Sohne ungerochen bleibt, so wisset, daß Euch geschehen wird, wie einem Ritter, der seinem Sohne allen Muthwillen gestattete, und das will ich Euch sagen.


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Es war in einer Stadt ein Mann, der hatte einen Sohn, welchen er sehr zärtlich erzog. Der hatte sich nun in seiner Jugend das Stehlen angewöhnt, so daß Alles verloren war, was in seine Hände kam, und so man ihn bei seinem Vater verklagte, vergütete der Alles, was der Sohn gestohlen hatte, strafte ihn aber nicht. Das trieb aber der Sohn so lange fort, bis der Vater davon verarmt war, zuletzt vergriff er sich gar an einem Großen, so daß weder er noch der Vater genug hatten es wieder zu bezahlen. Darum ward er vor Gericht gebracht und überführt, und da man ihn zum Galgen führte, da rief er seinen Vater und bat ihn, er solle ihn noch zu guter Letzt küssen. Das that der Vater und ging zu ihm, und wie er zu ihm kam, da biß er ihm Mund und Nase ab. Also lohnte er ihm seine Treue. Darnach wisset Ihr Euch nunmehr zu richten. Am andern Morgen aber früh befahl der Kaiser, daß man seinen Sohn zum Galgen führe, und als das geschah, da kam der fünfte Meister und sprach: mich wundert es, daß Ihr den Worten Eueres Weibes so lange glaubt, die nichts Anders als böse Wollust darzu treibt. Wollt Ihr aber die rechte Mähr inne wer den, so müßt Ihr thun, wie es ein Ritter machte, den auch Wollust zu solcher Bosheit trieb. Darum widerruft den Tod Eueres Sohnes bis auf morgen, und ich sage Euch, wie das geschehen ist. Das[178] that der Kaiser und es freuete sich Alles männiglich, er aber hub an und sprach also:

Von einem Ritter.
* † (76).

Man erzählt von einem Ritter, der ein gar schönes junges Weib hatte, das ihm sehr lieb war. Nun diente derselbigen Frau ein anderer Ritter lange Zeit, und trieb das so lange, bis ihm die Frau auch günstig ward. Kurze Zeit nachher begehrte die Frau eines Tages von ihrer Mutter, daß sie nach dem Ritter senden solle, denn sie könne sein nicht entrathen, oder sie müsse sterben. Wie nun die Mutter der Tochter Ernst vernahm, da sprach sie: liebe Tochter, es paßt sich nicht für Dich, daß Du das thust. Aber willst Du Dir ihn nicht aus dem Sinne schlagen, so thue eins, d.h. erzürne Deinen Mann zuvor, um dessen Zorn zu kennen es Dir aber besonders zu thun seyn muß, da Du also bisher wohl mit ihm ausgekommen bist. Der Rath gefiel aber der Tochter gar wohl, und sie fragte also ihre Mutter, wie sie das angreifen solle. Da sprach die Mutter: Du weißt wohl, Dein Mann hat einen Vogelhund, der ihm selber lieb ist, den mußt Du tödten, und sieh dann zu, wie es ihm gefällt. Den Rath vollbrachte die Tochter und tödtete den Hund, und da das der Mann gewahr ward, so sagte er weiter nichts als: ich und Du wir können fürder nicht zusammen seyn. Darnach kam die Tochter und sagte der Mutter, was ihr der Mann zur Antwort gegeben hatte, und begehrte dabei, daß sie nun nach dem Ritter senden solle. Da sprach die Mutter: folge Du meinem Rathe und versuche ihn baß. Du weißt wohl, er hat einen Baum in seinem Garten, der ihm gar lieb ist, den mußt[179] Du abhauen, und siehe dann zu, wie es ihm gefällt. Der Mann aber sprach nichts weiter, als er es sah, als: daß Dir solches fürder nicht mehr widerfahre, denn ich würde zornig werden. Die Tochter ging nun hin und sagte es ihrer Mutter, und begehrte, daß sie nach dem Ritter sende. Da sprach die Mutter: versuche ihn noch zum dritten Male, und darnach vollbringe ich Deinen Wunsch. Du weißt wohl, daß er morgen viel Gäste haben will, so thue also, als ob Du von Tische noch etwas laufen wolltest, und binde dabei das Tischtuch an einen Schlüssel und ziehe es mit dem Essen und mit Allem, so darauf ist, vom Tische nach Dir, und sieh zu, wie es ihm gefalle. Darnach am andern Morgen vollbrachte die Tochter der Mutter Rath. Des schämte sich der Mann vor den Gästen und ward davon sehr erzürnt, und gleich nach dem die Gäste fort waren, da befahl er, daß man schnell ein warmes Bad bereite, darin mußte sich die Frau baden. Dann sandte er nach einem Bader und hieß ihr aus allen Adern Blut lassen, so lange, bis die Frau gar ohnmächtig ward und als todt hinfiel. Darnach ließ er sie auf ein Bett legen in einer Kammer, da kam ihre Mutter und tröstete sie und sprach, sie solle munter und lustig seyn, und ob sie den Ritter haben wolle, sie wolle jetzt nach ihm senden. Da sprach die Tochter: nein, ich bedarf sein nicht, wenn ich auch ganz gesund wäre, übrigens siehst Du wohl, daß ich nur wenig mehr zu wünschen habe, dieweil ich beinahe todt bin. Da sprach die Mutter zu der Tochter: gehab Dich wohl, also ist Alles wohl gerathen. Darum sehet zu und glaubt Euerem Weibe nicht zu viel, da sie nur das Uebermaaß der Wollust zu solcher Thorheit getrieben hat. Wie das der Kaiser hörte, da befahl er, daß man den Sohn wieder in den Kerker legte, und ward ihm[180] wiederum etwas gnädiger; des Abends aber, da er heim kam, da fand er die Frau gar zornig, daß er den Tod seines Sohnes widerruft hatte, und sie sprach: ich sage Euch, es geschieht Euch von Eueren sieben Meistern gleichwie einem König geschah in Frankreich, und das will ich Euch sagen:


* † (78).

Valentinus war einst ein gewaltiger König in Frankreich, in dessen Reiche waren sieben weise Meister, die wurden des eins, daß sie ihre Kunst an dem Könige versuchen wollten, und so machte ein Jeder, daß der König einen Tag krank war, und alle Tage an einem neuen Gebrechen, als heute blind, morgen krumm, übermorgen auszehrig. Des ward der König sehr betrübt und sandte aus nach allen den Weisen, die in seinem Lande waren, und fragte sie um Rath über seine Gebreste. Deren konnte ihm aber keiner rathen, da hub die Kaiserin selber an und sprach: Ihr habt in der Stadt sieben Meister, nach denen schicket, und so die kommen, so laßt Euch rathen. Des ward der König froh und schickte nach ihnen, und sie kamen. Da sprach sie: Herr, Ihr sollt wissen, daß die sieben Meister Ursache an Eurer Krankheit sind, und ich will Euch das also beweisen. Macht es so und schlaget Einem das Haupt ab, und sehet dann zu, was Euch darnach künftig geschieht. Darin folgte der König und ließ den einen zur Stunde enthaupten, und sobald das geschah, da ward ihm ein Tag weniger, so daß er alle Wochen einen Tag gesund ward. Wie das der König gewahr ward, da ließ er sie alle tödten, und sobald das geschehen war, da ward der König er löst von aller Krankheit. Also achteten auch[181] die sieben Meister nicht darauf, ob sie Euch um den Hals brächten, wenn sie nur den Sohn erhielten. Wie der Kaiser das hörte, da befahl er, daß man den Sohn am Morgen zum Tode führen solle. Des erschraken Alle männiglich sehr, hielten aber doch so lange mit der Vollziehung seiner Befehle ein, bis der sechste Meister zu dem Kaiser kam. Der sprach: Herr, wenn dem so ist, daß Ihr der Rede Eueres Weibes folgt und ihr glaubt, so wisset, daß Ihr von ihr betrogen werdet, also wie es einem Ritter geschah, der seinem Weibe auch gar wohl trauete, und will ich Euch sagen, wie das geschah.


*


Honorius herrschte einst gar gewaltig in Rom, in dessen Reiche war ein Ritter, der ritt eines Tages von einer Stadt zur andern, und kam von ohngefähr zu einem Dorfe, das ganz in Feuer stand. Nun sah er in einem Hause eine Natter, die that gar wehmüthig und kläglich, weil sie ringsum vom Feuer umgeben war. Darüber erbarmte sich der Ritter und befahl seinem Knechte, daß er der Natter heraushelfen solle. Der aber redete ihm ab und wollte es nicht thun. Da nahm der Ritter den Spieß seines Buben, hob sie damit aus dem Feuer heraus und zog sodann seine Straße. Nun war der Ritter aber müde, darum hielt er auf einem Anger an bei einem kühlen Brünnlein und ruhete da. Und als sie eine kleine Weile da niedergesessen hatten, da sahen sie die Natter, welcher der Ritter aus dem Feuer geholfen hatte, die schnell auf ihn los fuhr. Wie sie aber die Diener daran hindern wollten, verbot es ihnen der Ritter, und als sie zu ihm kam, lief sie ihm an den Mund hinan und legte ihm eine Wurzel hinein. Sobald aber das geschehen[182] war, da däuchte es ihm, wie wenn Jemand zu ihm spräche: schlinge das hinunter, aber sage es Niemandem. Als er aber solches verstanden hatte, da schlang er sie hinunter, und somit ging die Natter wieder ihres Weges. Darnach besann sich aber der Ritter nicht lange, sondern ritt heim zu seinem Hause. Nun begab es sich aber einstmals, daß er zu seinem Vergnügen des Abends in einem Baumgarten speisete, und seine Frau mit ihm, da hörte er auf einmal ein großes Geschrei von Sperlingen, die einen Streit in einem Baume ausmachten und sich einen Richter gesetzt hatten. Einer aber von ihnen klagte, wie sie mit andern Sperlingen in eine Scheune gekommen wären, darin hätten sie ausgedroschenen Hirsen gefunden, den hätten sie alle gegessen, das hätten ihm andere nicht gegönnt, wiewohl sie den Hirsen nicht gesäet hätten, und ihm darum ein Auge ausgebissen. Und da die andern vernommen hatten, daß dem Sperlinge Unrecht geschehen war, da machten sich alle über ihn her und bissen ihn, daß er todt vom Baume fiel. Das verstand aber der Ritter durch die Kraft der Wurzel Alles ganz wohl, und wie er dem Streite also fleißlig zuhörte, das nahm die Frau Wunder und sie begehrte, daß er ihr sage, was die Sperlinge meinten, seit er ihnen so fleißig zuhöre. Darauf antwortete der Ritter und sprach: ich habe nur dem Sperlinge zugesehen, der jetzt von den andern zerbissen worden ist, aber was sie damit meinen, das ist mir unbekannt. Indessen ließ die Frau nicht ab mit Bitten und bat noch emsiger, als zuvor, und als sie sah, daß ihr der Ritter die Wahrheit nicht bekennen wollte, da verschwur sie Essen und Trinken bis auf den Tag, da er ihr die Wahrheit sagen würde, machte sich kurz darauf krank und ließ sich beichten und absolviren. Darüber ward der[183] Ritter gar betrübt. Nun kam es aber eines Tages, daß er also traurig in seinem Hofe herumging, da hörte er einen Hahn, der sprach zu dem andern: ich meinte, wir hätten einen Herrn, nun sehe ich aber wohl, daß wir keinen haben, denn mein Herr läßt sich von seiner Frau nach Herzenslust über den Löffel barbiren. Die soll nun gar krank seyn, aber ihre Krankheit werde ich täglich wohl inne, wenn ich jeden Tag zwei meiner Weiber weniger habe, und ist es der Fall, daß sie die Krankheit nunmehr noch acht Tage hat, so bleibt mir kein Weib mehr im Hofe. Wäre aber mein Herr ein richtiger Mann, so nähme er zwei starke Knüttel, und schlüge sie an ihr entzwei, ich wollte wetten, sie würde gesund. Das verstand der Ritter Alles gar wohl und dachte bei sich: sicherlich will ich Euch folgen, und damit ritt er hinaus ins Feld. Und wie er in den Wald kam, da schnitt er sich zwei starke Knüttel ab, und kam damit des Abends heim und ging zu seiner Frau und bat sie, daß sie aufstünde und mit ihm äße. Das schlug sie ihm aber ab und sagte zorniglich, sie wolle nicht essen. Darüber ward der Ritter erzürnt und schlug sie ohne Erbarmen so lange, bis er die Knüttel an ihr zerbrochen hatte, sie aber wollte doch noch nicht mit ihm essen. Und wie der Hahn das Geschrei hörte, da kam er geflogen und schaute zu, und als er sah, daß sein Herr beide Knüttel zerschlagen hatte, da schrie er: stich sie mit den Stümpfen. Wie das der Ritter vernahm, folgte er ihm und stach sie, daß das Blut herausrann, und wie die Frau des Ritters Ernst ersah, da stand sie auf und aß mit ihm. Also ward der Ritter von dem Hahne gewarnet: darum sehet Euch vor, daß Ihr von Eurer Frau nicht auch betrogen werdet. Wie das der Kaiser vernahm, da ward er seinem Sohne wiederum etwas gnädiger, und als er des Abends zu[184] seiner Frau kam, da fand er sie zornig, weil er den Tod seines Sohnes widerruft hatte, und sie sprach: es wird Euch also geschehen, wie es einem Ritter ging, der von seinem Sohne getödtet ward, und das geschah also:


Von einem frommen Ritter.

Vor Zeiten war gar ein frommer Ritter, der hatte einen Sohn, der ihm gar lieb war. Aber der Sohn suchte auf allen Wegen seines Vaters Tod herbeizuführen. Nun begab es sich aber, daß dem Ritter eines Nachts träumte, wie er in einem Brunnen großes Gut finden sollte. Des war der Ritter froh und machte sich des Morgens früh auf und nahm seinen Sohn mit sich und sagte ihm seinen Traum, und sie gingen also zu dem Brunnen. Wie nun der Ritter dahin kam, da stieg er in den Brunnen und fand darinnen einen unermeßlich großen Schatz. Nun dachte aber der Sohn bei sich darüber nach, wie er es machen müsse, daß ihm das ganze Gut allein verbleibe, faßte einen Entschluß, nahm einen großen Stein und warf ihn auf seinen Vater. Damit tödtete er denselben in dem Brunnen, und bemächtigte sich des ganzen Gutes. Also möchte es Euch von Euerem Sohne auch geschehen, so Ihr ihm nicht zuvorkommt. Als das der Kaiser hörte, befahl er, daß man den Sohn am Morgen früh zum Tode führe. Darüber erschraken Alle männiglich, jedoch ward damit so lange gezögert, bis daß der siebente Meister zum Kaiser kam. Der sprach aber zu ihm: wollt Ihr noch immer der Rede Eures Weibes glauben, die mehr Eueren Schaden sucht, als Euer Frommen und Nutzen, von der Ihr wohl möget betrogen werden, wie ein Ritter, der sein Weib mit gen[185] Preußen führte. Wenn Ihr aber hören wollt, wie das geschah, so widerruft den Tod Eueres Sohnes bis auf morgen. Das that auch der Kaiser, und darob freuete man sich männiglich und führte den Sohn wieder in den Kerker. Da sagte der Meister also:


Von Gordianus dem Kaiser.

Einst herrschte zu Rom der gewaltige Gordianus, in dessen Reiche war aber ein edler Ritter, der nahm ein schönes Weib, die ihm gar lieb war, und lebten sie also etliche Zeit fröhlich mit einander. Nun kam es aber dem Ritter in den Sinn, daß er nach Preußen reiten wollte, und er sagte das seinem Weibe. Die ward davon sehr betrübt, und da sie seinen Ernst vernahm, da begehrte sie mit fleißigen Bitten, daß er sie mit sich reiten ließe, und trieb das so lange, bis der Ritter überredet ward, daß er ihr das gestattete. Da schickte sich die Frau in allen Sachen dazu an und ward fertig mit ihrem Manne. Als sie aber dahin kamen, da wurden sie von Allen männiglich für zwei Ritter gehalten, und als sie nun zur Schlacht auszogen, da kämpfte die Frau gar ritterlich neben dem Manne manchen Tag. Jedoch begab es sich zuletzt eines Tages, daß die Heiden die Oberhand gewannen und unter andern den Ritter samt seinem Weibe gefangen nahmen: die legten sie gar schwer in einem Thurme gefangen, darin sie lange Zeit mit großem Leide lagen. Wenn aber der Ritter klagte, zeigte sich die Frau weit fester. Nun kam es, daß des heidnischen Königs Geburtstag kam, den er alle Jahre mit großer Freude beging, und als der gekommen war, da befahl er, daß man alle Gefangenen los ließ und ins Bad führte. Wie[186] das der Ritter inne ward, da erschrak er darüber dermaßen, um seiner Frauen Willen, und hätte sich das Bad gern erspart, auf daß man seinen Gesellen auch desselben überhoben hätte. Das wollte ihm aber der König nicht gewähren, und ließ sie ins Bad führen. Alsbald erkannte man, daß der eine Ritter ein Weib war und nicht ein Mann, und die Mähr kam auf der Stelle zum König. Der sandte gleich nach der Frau, die war aber ausnehmend schön, und fragte sie nach Allem, wie das gekommen war. Da sagte sie ihm Alles, und als der König das hörte, da dachte er täglich darüber nach, wie er den Ritter tödten möchte. Endlich kam er darauf hinaus, daß er den Ritter fangen und an eine Säule in seiner Kammer mit Riemen binden ließ, und legte sich dann vor dessen Weibe zu dem Weibe, also daß es der Ritter mit ansehen mußte. Nun hatte aber der König einen Topf mit Wein bei sich vor dem Bette stehen, und so es ihm gelüstete, trank er daraus und umarmte darnach die Frau. Das sah der Ritter Alles wohl. Nun ermahnte der Ritter die Frau, wie er merkte, daß der Heide schlief, bei ihrer Treue, sie solle ihn losmachen. Das schlug sie ihm aber zorniglich mit Worten ab, der Ritter aber nahm Alles gütlich hin. Nun begab es sich aber, daß Beide einschliefen, der Heide und die Frau, da sah der Ritter, wie sich eine giftige Spinne in den Topf hinabsenkte. Des freuete sich der Ritter sehr und merkte auf das, was da kommen sollte. Und gleich darauf, wie es Gott wollte, erwachte der Heide, griff nach dem Topfe und trank, und sobald er getrunken hatte, da platzte er und starb eines jämmerlichen Todes. Wie das die Frau ersah, da erzürnte sie sich gar sehr gegen den Ritter, als wenn er daran Schuld sey, stand vom Bette auf und nahm des Heiden Schwert, und[187] machte sich damit über den Ritter und verwundete ihn gar sehr. Nun kam es aber von ohngefähr, daß sie einen Hieb auf die Riemen that, mit welchen der Ritter gebunden war, so daß der Ritter frei ward. Darüber freuete er sich gar sehr, aber die Frau erschrack, daß sie nicht wußte, was sie beginnen sollte. Da beruhigte sie der Ritter also, daß sie mit ihm von dannen ziehen durfte. Das that die Frau, und damit kehrte der Ritter tugendsam nach Hause zurück und kam ohne alles Leid aus dem Lande und fuhr heim. Wie aber seine Freunde seine Ankunft vernahmen, wurden sie dessen über die Maßen froh und kamen ihm alle entgegen und empfingen ihn und fragten ihn, wie es ihm ergangen wäre. Und als sie alle an dem Tische saßen und aßen und sich seiner und seines Weibes freuten, da sagte er ihnen seine Gefahren auf seinem Abenteuer, gerade wie wenn es einem Andern geschehen wäre, und fragte sie darüber, was eine solche wohl werth wäre, die also übel thue an ihrem Manne. Da redete ihr Jeder auf seine Weise, welcher Strafe eine solche verfallen sey. Da sprach er: sehet, dieses Abenteuer ist mir widerfahren, deshalb richtet über sie, wie Ihr versteht, meinetwegen ist sie sicher. Da vereinigten sich aber seine Freunde dahin, daß sie sie in ein Gewölbe sperrten und ihr nichts zu essen gaben, bis daß sie Hungers darin starb. Darum bedenket Euch gar wohl, was Ihr thun wollt, damit Ihr Euch davor hütet, daß Ihr nicht auch von Ihr betrogen werdet, da ich mich versehe, daß sie nichts Anderes im Sinne gehabt hat. Darum, daß Ihr mit der Sache zu einem Ende kommen möget, so schicket nach Euerem Sohne und höret seine Rede selbst, denn daß er bisher als stumm erfunden worden ist, das ist durch seine Weisheit geschehen, da er diese Sachen alle wohl durch seine[188] Kunst gewußt hat, ehe er hierher kam. Wie das der Kaiser hörte, ward er sehr froh über diese Rede und sandte nach seinem Sohne und fragte ihn nach dieser Mähr, wie das gekommen sey, daß ihn seine Mutter solcher Sachen geziehen habe. Da Hub er an und erzählte von Anfang bis zu Ende, wie seine Mutter an ihm gehandelt und was sie von ihm begehrt hatte, gerade wie oben geschrieben steht. Wie das der Kaiser hörte, da ward er davon sehr erzürnt und befahl also in seinem Zorne, daß man sie zum Tode führe, und des waren Alle männiglich froh, aber die Frau ward um ihrer Untreue Willen getödtet und die sieben Meister um ihrer Weisheit Willen gar sehr gelobt.

2

Ist eine besondere Redaction des Volksbuches von den sieben Meistern: das Zeichen ± deutet an, daß diese oder jene Geschichte auch in demselben zu finden ist.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 161-189.
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