Hundertundfünfzigstes Capitel.
Vom Thau der himmlischen Gnade.

[11] Plinius erzählt, daß es ein Land gab, in dem weder Thau noch Regen fiel; daher entstand daselbst eine Trockenheit und Wassermangel, weil daselbst nur ein einziger Brunnen war, der Wasser in einer großen Tiefe enthielt. Wie nun die Leute Wasser haben wollten, so begaben sie sich mit jeder Art von Musikern, die sie nur besaßen, zu diesem Brunnen und zogen um denselben herum, indem sie eine süße Melodie aufspielten. Als diese aber geendigt war, stieg das Wasser bis zur Mündung des Brunnens herauf und floß im Ueberfluß heraus. Also erhielten die Leute Wasser und zogen dann wieder ihres Weges.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 11-12.
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