Nebst Anhang: Sagen, die sich nur vereinzelt finden.

[242] In Holzmayers Osiliana S. 68 wird folgende Volksüberlieferung der Insel-Esten mitgeteilt:

In alter Zeit waren die Leute nicht so klein, wie jetzt so viele von uns, sondern bei weitem größer und stärker, manche sogar rechte Riesen, wie sie nun nimmer zu finden sind. Die Insel Dagden heißt nicht umsonst Riesenland, denn dort haben mit die größten gewohnt.


  • Literatur: Vgl. Verh. d. esthn. Gesellschaft II, 3. 61.

In dem Tarnobrzeger Bezirkskreise (Galizien) ist eine ähnliche Anschauung bei den Sandomierer Waldbewohnern gefunden worden:

Als aus Adam und Eva ein ganzer Volksstamm entstanden war, war jeder Mensch ein Riese (Arch. f. slaw. Philol. V, 364). Damals waren die Menschen größer, als bei uns die größte Fichte oder Eiche ... Solche Bäume, wie wir sie haben, das hieß bei ihnen ein Strauch, und so einen Strauch, die größte Eiche oder Fichte, die wir niederhauen müssen, brach[242] sich so ein Riese oder Riesenmensch mit der Hand, wie wir ein Stöcklein, und stützte sich darauf, wie auf einem Stocke (635) ... Aber wenn es dem Menschen gut geht, so vergißt er Gott; so wurden auch die Riesen sehr ausgelassen und fingen an zu sagen, daß sie stärker seien als der Herrgott selbst – so schickte damals Gott die Sündflut herab, und eine große Menge von ihnen ging zugrunde (636).

Im Etnografičnij Zbirnyk XIII, 214 finde ich folgende rutenisch-galizische Parallele:

Am Anfang der Welt gab es so große Menschen, daß sie mit den Köpfen bis zu den Wolken heranreichten und über Berge und Täler hinwegschritten. Als solch einer einmal an eine Eiche kam und sich am Fuße stieß, packte er die stärkste Eiche mit einer Hand, zog sie aus der Erde und sprach: »Ich habe mich an einer Distel gestochen.« Einer gab dem andern über den Dnjestr hinüber eine Axt von Hand zu Hand. Aber nach der Sündflut gab es diese Menschen nirgends mehr. Als diese kommen sollte, erschienen Menschen von mittlerem Wuchs und wühlten auf dem Felde mit dem Pflug. Ein Riese, der auf dem Heimwege war, nahm auf der flachen Hand vier Ochsen, den Pflug und zwei Menschen mit, brachte sie nach Hause und zeigte sie der Mutter. Er schritt über die Schwelle und rief: »Guck, Mutter, was für Würmchen dort auf dem Felde wühlen!« Die Mutter sprach: »Trage sie zurück, mein Sohn, woher du sie nahmst. Denn solche Menschen werden nach uns sein. Und nach dem mittleren Geschlechte wird ein dritter Menschenschlag kommen. Der wird so groß sein wie die Maiskörner, davon werden zwölf in einem Ofen dreschen.1 Und wenn ein Mensch des mittleren Geschlechts solche winzigen Menschen antrifft, so wird er sie auch auf die flache Hand nehmen und der Mutter zur Ansicht bringen können«.

Auch aus dem weißrussischen Volksmund ist die Bemerkung aufgezeichnet worden:


Am Anfang waren die Menschen so groß, daß sie die Tanne als Stock benutzten (Federowski I, Nr. 783). Es folgt dann in Verbindung damit die Geschichte vom Riesenspielzeug, die in Rußland recht häufig zu sein scheint.

Nach huzulischer Überlieferung lebte im Anbeginn der Welt ein Zwergengeschlecht. Auf dieses folgten Riesen, die so stark waren, daß sie die größte Fichte umfassen, ausreißen und wegtragen konnten. Sie schritten von einem Berggipfel zum andern. Da sie jedoch viele Frevel verübten, so faßte Gott den Entschluß, dieses Geschlecht durch einen vierzigtägigen Regen zu vernichten. Aus der Sündflut retteten sich zwei Menschen, von denen alle jetzt lebenden abstammen. Diese sind aber im Verhältnis zu den Riesen sehr klein, und sie weiden mit der Zeit noch kleiner werden, bis schließlich die Erde wieder nur[243] von Zwergen bewohnt werden wird. Zwölf dieser kleinen Männer werden in einem Backofen genug Raum zum Dreschen haben.


  • Literatur: Die zwölf Drescher im Ofen auch bei Nowosielski, Lud Ukraiński I, 13.

Eine Sage der Kalmücken (Anhänger der Lamaischen Religion) erinnert am Schluß an diese winzigen Drescher. Sie lautet:


In den ersten Zeiten, nach Entstehung der Welt, gelangten die Menschen zu einem sehr hohen Alter, denn sie lebten achtzigtausend Jahre lang. Sie waren von Heiligkeit erfüllt, wurden von unsichtbaren Gnadengaben genährt und hatten die wunderbare Kraft, sich in den Himmel zu erheben ... Hierauf folgte ein unglückliches Zeitalter. Ein gefräßiger Mensch kostete von einem süß wie Honig schmeckenden Gewächs der Erde, Schime genannt, und machte es auch den übrigen bekannt. Dadurch verschwand alle bisherige Heiligkeit unter den Menschen und die Kraft, sich in den Himmel zu erheben; ihr Alter und ihre Riesengestalt fing an abzunehmen, und sie lebten eine lange Zeit in Finsternis, bis endlich die Sonne und die Gestirne am Himmel entstanden sind. (Es folgt dann die Erzählung des fortschreitenden Verfalls der Menschheit, wie man anfangen mußte, Ackerbau zu treiben, wie das Alter und die Gestalt des Menschen immer mehr abnahm.) Gegen Ende des jetzigen Zeitalters wird nach und nach die Größe und das Alter der Menschen und aller Geschöpfe dergestalt abnehmen, daß die Pferde endlich nicht größer wie jetzt die Hasen und die Menschen kaum eine Elle hoch sind und nur zehn Jahre leben, aber schon im fünften Monat nach der Geburt in den Ehestand treten. (Danach Weltzerstörung und wiederum aufwärtssteigende Entwicklung der Menschen, von den noch übrigen Zwergen angefangen bis schließlich zu Riesen mit einem Alter von wiederum achtzigtausend Jahren.)


  • Literatur: Majer, Myth. Lex. 1, 330 = Müller, Sammlung russischer Geschichte IV, 336.

Im Bulgarischen2 finde ich folgende Variante:


Zuerst hatte Gott die Menschen groß und stark wie Riesen geschaffen, aber wenn diese zu ihrer Feldarbeit liefen, zerrissen sie sich die Füße an den Brombeersträuchern, und wenn sie hinfielen, zerbrachen sie sich so die Stirn, daß sie nicht wieder aufstehen konnten. Und so kamen sie nicht dazu, ihre Gattung zu vermehren. Da sah Gott, daß das nicht ging, und ließ diese Rasse von Riesen aussterben.

Da erschuf Gott andere Menschen von der Höhe eines Daumens und mit einem fußlangen Bart. Wenn diese Menschen an ihre Feldarbeit gingen, kletterten sie auf die Sträucher, um zu sehen, wo ihre Ochsen wären. Aber diese Menschen konnten auch nicht gedeihen, denn die Ameisen und Bienen ließen sie nicht in Ruhe und erwählten sich ihren Kopf, um darin zu nisten. Darum bereute Gott ebenfalls, sie geschaffen zu haben, ließ ihre Rasse aussterben und schuf eine dritte Menschenart, die mittleren Menschen.3[244]


Im Rumänischen ist diese Vorstellung eines urweltlichen Riesengeschlechtes mit der Person Adams in folgender Weise verknüpft:


Die Menschen waren gewaltige Riesen mit enormen Gliedmaßen. Der größte war Adam, den Gott zuerst erschaffen hatte. Sein Haupt verweste nicht, bis Christus auf die Erde kam. Ein Kaiser, der davor erschrak, befahl 1000 Soldaten, es mit Steinen zu bedecken; diese hatten drei Tage lang damit zu tun. Erst nach Christus sind die Menschen so klein geworden, wie wir noch sind, Fliegen im Vergleich zu jenen Riesen. Einst arbeiteten einige dieser kleinen Menschen auf dem Felde; da kam ein Mädchen von jenen Riesen und nahm an die drei Menschen mit dem Pfluge und an die sechs Ochsen in die Schürze und brachte sie der Mutter. Die aber befahl, sie zurückzutragen, denn das wären Menschen, die die Erde bearbeiten müßten.

Die Riesen aber hat Gott vernichtet, weil sie Böses taten; er hat sie geblendet, und so sind sie verhungert.

Das Volk glaubt, daß wir nicht von den Riesen abstammen, sondern besonders durch eine zweite Schöpfung von Menschen entstanden sind.


  • Literatur: Şežatoarea III, S. 28 f.

Diese rumänische Tradition steht in Zusammenhang mit apokryphen Berichten über Adam, die ihrerseits wieder, wenigstens in bezug auf Adams Größe, an jüdische Quellen erinnern.

Über das von Jesus aufgefundene Haupt Adams, das so groß war, daß 30 Männer in ihm sitzen konnten, handelt die slawische Compilation de ligno crucis, welche dem Pop Jeremias zugeschrieben wird (Jagić, S. 61 = Sokolov, Materiali, S. 95). Über das Haupt als Höhle, in der ein Diener Salomos nebst Windhund und Falken Unterkunft findet, und das vom »Kaiser« Salomo gesteinigt wird, vgl. Jagić, S. 62.4[245]

Die Vorstellung von der Riesengröße des ersten Menschen und zugleich der Gedanke des Kleinerwerdens findet sich schon in alter jüdischer Überlieferung. Im Traktat Chagiga, fol. 12 a (Wünsche, Babylon. Talmud I, 267) heißt es:


Als Adam erschaffen wurde, füllte seine Größe die ganze Welt aus; nachdem er aber der Sünde verfiel, wurde er ganz klein. (Vgl. Ehrmann, Aus Palästina u. Babylon, S. 62, Nr. 18.)


Und im Bereschit Rabba, Par. VIII, Kap. IV, v. 26:5


Als Gott den ersten Menschen erschuf, war derselbe ein bloßer Kloß, und er reichte von einem Ende der Welt bis zum andern (s. Ps. 139, 16). Nach andern erfüllte der erste Mensch die ganze Welt vom Morgen bis zum Abend (s. Ps. 139, 5) und vom Norden bis Süden (s. Deut. 4, 32).


Im Bereschit Rabba, Par. XIX, Kap. III, v. 8 (Wünsche, S. 85) wird zu den Worten: »Und Adam und Eva verbargen sich« bemerkt: Nach R. Ibo kürzte Gott Adam seine Höhe, daß sie nur noch hundert Ellen betrug.

Diese jüdische Tradition ist auch zu den Arabern übergegangen. Nach der Vertreibung, heißt es dort, hatte Adam noch die ganze Körpergroße, mit der er erschaffen worden war, wie aus seinen noch heut auf dem Adamsberg gezeigten Fußstapfen zu ersehen.6 Gabriel geschmeidigte seinen für die Erde zu großen Körper, indem er ihn mit seinen Flügeln vom Haupte gegen die Erde zusammendrückte.


  • Literatur: Hammer, Rosenöl, S. 28. Tabarî 1, 84. Mas'ûdi 1, 59. Ibn el-Atîr. Nach Abou-Zeïd (Huart, S. 89) war Adam 60 Ellen lang. Vgl. ferner Fabricius, Cod. pseudepigraphus V.T., 2. ed., I, 30; II, 30 f.

Eine besondere Pointe hat diese Vorstellung von Adams machtvoller Größe in der schon oben erwähnten ukrainischen Sage erhalten, in der es heißt:


Unsere Ureltern waren so stark, daß sie in den Steinen, auf welche sie traten, eine Spur zurückließen. Nach dem Sündenfall war es umgekehrt: die Steine drückten sich in den Fuß. Daher rührt die Einsenkung der Fußsohle.


  • Literatur: Veselovskij, Razyskanja XI, S. 82.

Anhang zu den Adamssagen:

Vereinzelte Sagen.

1. Unsere Stammmutter Eva war schon ziemlich alt geworden, da fragte der liebe Herrgott, wieviel sie Kinder habe. Eva wußte die Zahl nicht genau[246] und gab um einige Tausend zu wenig an. Alle diese Tausend sind infolge davon verbannte Menschen geworden und verzaubert. Das sind die Affen.7


  • Literatur: Menghin, Aus dem deutschen Südtirol (1884), S. 87 f.

Diese sonderbare Tradition gehört in einen weitverbreiteten Sagenkreis, der einer besonderen Untersuchung bedarf, die Sagen von den ungleichen Kindern Evas (Grimm, KHM. Nr. 180, Zeitschrift des Vereins f. Volksk. II, 409, Revue des trad. pop. X, 1, Rivista della Trad. Ital. I, 510, 672). Das Verstecken der schmutzigen Kinder bildet bekanntlich das Hauptmotiv. Statt des aus Grimms Märchen bekannten Schlusses, worin die Ungleichheit der Stände von Evas Verhalten hergeleitet wird, erscheint anderswo die Erklärung der Herkunft gei sterhafter Wesen. Ich verdanke Herrn Pastor Feilberg mehrere nordische Fassungen (vgl. »Nachträge«):


a) Eva lebte lange und gebar viele Kinder. Einst wollte Gott sie sehen; sie aber schämte sich alle ihre Kinder zu zeigen und verbarg einige von ihnen hinter Hügeln und in Felsklüften, und sie führte nur einige von ihnen hervor. Er aber wurde zornig und sprach: »Verbirgst du sie mir, sollen sie dir verborgen8 bleiben,« sie verschwanden und wurden Unterirdische und »Bergtrolle«.


  • Literatur: P.M. Søegaard, J Fjeldbygderne (1868) p. 102. Dialekt aus Valders, Norwegen.

b) Eva war eines Tages im Begriff ihre Kinder zu waschen. Plötzlich rief sie der liebe Gott, sie wurde erschrocken und verbarg die Kinder, die noch nicht rein waren. Ob alle ihre Kinder da seien, fragte Gott. Sie antwortete ja, seinen Zorn fürchtend, wenn er sähe, daß nicht alle rein waren. Gott antwortete, daß, was sie ihm verborgen, auch den Menschen verborgen sein sollte. Augenblicklich verschwanden die nicht gewaschenen Kinder und wurden im Gebirge verborgen, von ihnen leiten die Unterirdischen ihre Abkunft her.


  • Literatur: Dänemark. Thiele, Danmarks Folkesagn (1843) II, 175.

c) Auf seinen Wanderungen kam unser Heiland an ein Häuschen, wo viele Kinder waren. Die meisten blieben in der Stube, andere verbargen sich hinter einer Mauer. Unser Heiland wurde dies alles gewahr und sagte, daß die Kinder, welche er sah, sichtbar bleiben sollten, die unsichtbaren aber unsichtbar.


  • Literatur: Schweden. Mytiska S gner från Norrland af J. Nordlander, p. 17 ff. Svenska Fornminnes föreningens tidskrift, 14. Heft.

Eine ähnliche Sage wird es auch in Tirol gegeben haben; sie wurde dann zur Sage vom Ursprung der Affen umgewandelt, wobei gleichzeitig mit leichter Änderung an die Stelle des Versteckens die falsche Zahlangabe gesetzt ward.[247]


2. Eine Fischersage, die unser dritter Band bringen wird, ist bei den Friesen willkürlich auf Adam übertragen. Sie erzählt:


Adam hatte einst eine Menge Fische gefangen und sie am Ufer niedergelegt. Während er nun an der Arbeit war, sie auf einen Haufen zu sammeln, kam er zu Fall, da der Boden vom Schleim der Fische schlüpfrig geworden war. Er fiel mit dem Hinterteil mitten auf eine Scholle, die davon ganz platt wurde. Nun hatte aber Adam eine Hose mit Noppen an. Davon kriegte die Scholle Flecken auf der Haut, wie man noch heute sehen kann. Auch ist sie seitdem platt geblieben.


  • Literatur: Dijkstra II, 137.

3. Eine französische Sage, die uns ähnlich im zweiten Band in Verbindung mit Christus begegnen wird, lautet, wie folgt:


Als Gott Adam aus dem Paradies verstieß, hatte er ihm in seiner Barmherzigkeit die Macht gegeben, die Tiere, die er brauchte, sogleich zu erschaffen, indem er mit einem Stab in das Meer schlug. Eines Tages versuchte Adam dies und schuf das Schaf. Eva wollte ihm nachahmen, aber als sie mit dem Stabe schlug, entstand ein Wolf, der sich auf das Schaf stürzte. Da nahm Adam den Stab schnell wieder und erschuf den Hund, der dem Wolf widersteht. Alle Tiere, die Adam aus dem Meere entstehen ließ, sind Haustiere; Eva schuf nur die wilden Tiere, darunter auch den Fuchs.


  • Literatur: Roman de Renart, ed. Martin II, p. 336 f.v. 21 ff. Ebenso Roumanille, Li conte prouvençou p. 1 ff. (vgl. Sébillot, Folklore de France III, 4). Vgl. auch oben S. 174, 6 u.a. in Kap. IV. – Adam und Eva = Gott und Teufel!
    Parallele: Als der liebe Gott einst durch die Bretagne wandelte, wollte er eine mitleidige Alte belohnen und schlug mit seinem Stab auf den Herdstein, so daß eine Kuh erschien. Als der liebe Gott fort war, wollte die Frau ihn nachahmen, aber da entstand ein Wolf, der die Kuh zerriß. Luzel, Lég. chrétiennes d.l.B.-Bret. I, 4 = Sébillot, Folklore de France III, 5.

4. In Dalarne [Landschaft in Mittel-Schweden] sieht man im Monde Adam und Eva nebst dem Baume der Erkenntnis.


  • Literatur: Hyltén-Cavallius, Wärend och Wirdarne (1868) II. XVIII. Parallelen bringt ein späterer Band.

Fußnoten

1 Daß die Menschen immer kleiner werden, enthalten auch die Nummern 213, 215 (mit dem Zusatz: Wir bemerken oft, daß die Söhne kleiner werden als die Väter) und 216 des Zbirnyk.


2 Schischmanoff, Nr. 25 = Strauß, S. 39 (Variante, die nichts Neues bringt, ebd. S. 38).


3 Zu den drei Schöpfungsversuchen stellt sich als interessante Parallele eine Sage der Quiché von Guatemala, die im Popol Vuh, ihrem heiligen Buch, überliefert ist: Der Schöpfer Gott und seine Genossin gingen miteinander zu Rate, um Menschen zu schaffen. Zuerst formten sie Menschen aus Ton; alle diese blieben steif und stumm und dumm, so daß sie bald als ein verfehlter Versuch wieder zerstört wurden. Darauf wurden Menschen aus Holz geformt; diese fielen schon um vieles besser aus, und sie durften Generationen hindurch die Welt bevölkern. Allein auch ihnen fehlte das Herz und der Verstand, so daß die Götter endlich beschlossen, auch dieses Menschengeschlecht wieder zu vernichten. Nur wenige Individuen wußten sich diesem Götterurteile zu entziehen und leben als Affen noch bis in die Gegenwart. Dann endlich formten die Götter vier Menschen aus Mais, und diese Schöpfung gelang so über alles Erwarten, daß die Menschen den Göttern fast gleich waren. Aber der Gott hauchte ihnen über die allzu scharfen Augen, und so entstand die schwarze Pupille, die den Blick des Menschen einschränkte und seine Intelligenz verdunkelte. Dies Geschlecht endlich hatte Bestand, und von ihnen stammen die Quichés ab.

Häbler, Rel. d. mittl. Amerika, S. 26.


4 Tichonravov I, 312 (serb. Text d. 15. Jhdts.) und Stojanović, Glasnik, Bd. 63, S. 59 (17. Jhdt.) und jüngere Moskauer Handschrift: Pypin, Ložn. i otrečenn. knigi, S. 8. Als Salomon in die Höhle kommt, erkennt er, daß es Adams Haupt ist. Und Salomon ließ Menschen holen, und alle versammelten sich, vom kleinsten bis zum größten, und er befahl ihnen: »Wie ihr mich seht, so tuet!« Und Salomon nahm einen Stein, verneigte sich vor ihm (dem Haupt), indem er sprach: »Ich verehre dich, als die erste Schöpfung Gottes« – und warf den Stein aufs Haupt Adams und sprach: »Ich schlage dich, als einen Verbrecher Gottes.« Und das ganze Volk warf Steine, und sie errichteten Lithostraton, die Hebräer nennen es Golgatha. – Über die Sitte des Steinwerfens und der Bildung von Steinhaufen siehe Karl Haberland, Ztschr. f. Völkerpsychologie XII, 289.


5 Wünsche, S. 30; vgl. S. 96 u. 110; siehe ferner Sanhedr. 38 b; Philo, Creation of the World ed. Mangey I, 33, 47.


6 Vgl. Kazwini, Kosmographia, S. 335:

Der Berg Serandîb (auf Ceylon) ist derjenige Berg, auf den Adam herabgeworfen ist ... Er reicht bis in den Himmel ... Auf ihm zeigt sich noch die Spur von Adams Fuß, und zwar ist das nur ein einziger, tief in den Felsen eingeschnittener Fuß, dessen Länge ungefähr 70 Ellen beträgt. Man sagt, den zweiten Schritt habe er schon ins Meer gesetzt, während dieses doch eine Tag- und Nachtreise entfernt liegt.


7 Vgl. Bundehesh, Kap. 23: Yima, als die Majestät von ihm gewichen war, nahm aus Furcht vor den Daevas eine Daevi zur Ehe, und Yimah, welche seine Schwester war, wurde einem Daeva zur Ehe gegeben. Von ihnen sind die Affen und geschwänzten Bären und die übrigen schadenbringenden Arten entstanden. Vgl. ferner: Sacred books of the east ed. by M. Müller, vol. XVII, Pahlavi texts, Part II (1882), p. 418 f.: Aus Yimas Ehe entstammen Bär und Affe, aus der Ehe seiner Schwester die Schildkröte, die Katze, der Habicht, der Frosch, der Kornwurm und noch viele schädliche Tiere.


8 »dei bli huldø før de«, huldø = verborgen, mit Anspielung auf »Huldrer« = das verborgene Volk, Unterirdische.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 248.
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