[111] Vier Elemente des menschlichen Körpers werden in der slawischen kommentierten Palaea (in Texten vom J. 1406 u. 1477) erwähnt:
Vom Feuer hat er die Wärme, von der Luft die Kälte, von der Erde die Trockenheit, von dem Wasser die Flüssigkeit. (Vgl. Jagić, S. 59.)
Ähnlich heißt es in dem syrischen Buche: Die Schatzhöhle (Bezold, S. 3):
Und die Engel sahen die Rechte Gottes, wie sie sich ausbreitete über die ganze Welt ... Und sie sahen, wie er von der ganzen Erde ein Körnchen Staub nahm und von der ganzen Natur des Wassers einen Tropfen Wasser und von aller Luft, die oben ist, ein Lüftchen des Windes und von aller Natur des Feuers ein wenig Hitze der Wärme. Und die Engel sahen, wie diese vier schwachen Elemente, nämlich Kälte, Wärme, Trockenheit und Feuchtigkeit, in die hohle Fläche seiner Hand gelegt wurden. Und da bildete Gott den Adam. [Es folgt die Darlegung des Zwecks solcher Schöpfungsweise: die ganze Welt sollte Adam untertänig sein.][111]
Adams Erschaffung aus vier Erdarten oder Weltgegenden (der slawische Ausdruck dafür läßt beide Erklärungen zu1 findet sich in dem besprach der drei Heiligen Gregorius, Basilius und Johannes Theologus2 (Jagić 59 f.) und in der slawischen Compilation de ligno crucis, welche dem Pop Jeremias zugeschrieben wird (Sokolov, Materiali S. 95, übers. bei V. Jagić, Slaw. Beiträge, S. 61). Dort wird erzählt, daß Christus in den Tagen, da er geboren wurde, dem Jordan befahl, eine Überschwemmung zu machen und seine Gebeine auseinander zu tragen, nach vier Richtungen, von welchen Erden (oder Ländern) es (der Stoff) genommen war zu seiner Erschaffung, und seinen Gebeinen, getauft zu werden einmal durch den Jordan, dann durchs Meer, drittens sein Haupt durch das Blut unseres Herrn Jesus Christus. [Dieses Haupt findet dann der zehnjährige Knabe Jesus am Jordan; es wird auf Golgatha begraben.]
Hierzu sind folgende Belege aus altjüdischer Literatur zum Vergleich zu stellen:
Im Pirke R. Eliezer c. 11 wird erzählt: Gott nahm Staub von allen vier Enden der Welt, von roter, schwarzer, weißer und brauner Farbe, und im Mittelpunkte der Erde, an einem reinen Orte, nämlich am Orte des Tempels, erschuf er daraus Adam. Im jerus. Targum, Gen. 2, 7 heißt es: Gott nahm roten, schwarzen und weißen Staub vom Orte des Tempels und von allen vier Weltgegenden, knetete denselben mit den Wassern der ganzen Welt und erschuf daraus Adam. Im Talmud (Sanhedrin 38 a) wird die Meinung angeführt, daß der Staub, aus dem Adam erschaffen wurde, aus der ganzen Welt gesammelt worden war.
Als syrisches Zeugnis sei eine Stelle im Bienenbuche (ed. Budge p. 15 f. – vgl. Grünbaum, Neue Beiträge S. 58) genannt, wo es heißt, daß Gott Erde aus allen vier Weltgegenden nahm und Adam im Mittelpunkt der Erde schuf. Ähnlich die arabische Tradition: Die vier höchsten Engel, Gabril, Michail, Israfil und Asrail, mußten von den vier Enden der Welt die Erde herbei bringen, aus der Gott seinen Körper bildete, für Herz und Kopf wurde aber nur Erde von der Stelle genommen, wo sich später die Kaaba erhob.
Bei den Arabern erhält diese Sage ihre besondere Spitze, indem der Ursprung der verschiedenen Farben der Menschen auf diese Erschaffungsart zurückgeführt wird.
Es wird erzählt, daß, als Gott Adam erschaffen wollte, er den Engel Gabriel entsandte, um Staub [Ton] von der Erde zu holen (vgl. oben S. 93);[112] die Erde aber weigerte sich dessen und sprach: »Ich rufe Gott gegen dich um Hilfe an«3; dasselbe wiederholte sich bei Michael, und erst als Gott den Todesengel sandte, da schwur dieser, er würde nicht zurückkehren, ohne den Willen seines Herrn vollzogen zu haben, worauf die Erde nachgab. Er nahm nun von der Oberfläche der Erde weißen, schwarzen und roten Staub, und daher kommt es, daß die Menschen verschiedener Farbe sind.4
1 Die weiterhin angegebenen Parallelen weisen auf die Erklärung Weltgegenden hin.
2 Anders folgende Stelle des Gesprächs der drei Heiligen, die in der lateinischen Übersetzung von Jagić so lautet: Et ita creavit corpus eius de octo partibus quattuor compositionum: prima pars de terra figulari, quae deterior est omnibus partibus; altera de mari, quae est sanguis et sapientia; tertia de sole, quae est pulchritudo et oculi eius; quarta de nubibus caelestibus, quae est cogitatio et mollities; quinta de vento, id est aere, quae est spiritus et invidia; sexta de lapidibus, quae est firmitas; septima de lumine huius mundi, qui carne factus est, haec est humilitas et modestia; octava pars de spiritu sancto, constituta in hominibus ad omnem bonitatem, plena salutis: haec potissima pars est.
3 Bei Tabarî schwört sie bei Gott, er werde nichts erhalten, und sagt: »Was wäre das denn, wenn Gott aus mir Geschöpfe bilden würde und diese Geschöpfe dann Böses auf der Erde begingen und ungerecht Blut vergießen würden!« Vgl. hierzu den Abschnitt: Abel.
4 Aus Grünbaum, Neue Beiträge S. 62: [Danach wohl Jewish Encyclopædia I, 178 s.v. Adam.] Eine ausführliche Wiedergabe der Erzählung, doch ohne den naturerklärenden Schluß, der auch bei Tabarî I, 72 fehlt, findet man in Hammers Rosenöl S. 19 f. und in Majers Myth. Lexikon I, 36. Beide sagen, daß erst Gabriel, Michael und Asrafel entsandt werden und schließlich der Todesengel Azrael (Izrâël) die Handvoll Erde bringt.
Die Entstehung der Hautfarben auch bei Herbelot, Bibl. orientale s.v. Adam.
Vgl. ferner Huart, Livre de la Création d'Abou-Zéïd p. 73: Es heißt, daß Gott eine Handvoll Erde von der ganzen Erdoberfläche nahm, auch von dem salzigen, dem sumpfigen, dem schwarzen und dem rötlichen Erdboden, und darum sind Adams Nachkommen verschiedenfarbig, weiß, schwarz und rot.