C. Erschaffung des Menschen aus göttlichem Schweiße.

[113] Im Anfang gab es nur Gott; und Gott schlief und träumte. Dieser Schlaf dauerte Jahrhunderte lang. Der Augenblick, wo er erwachen sollte, war da. Er erwachte plötzlich, blickte um sich, und jeder seiner Blicke schuf einen Stern. Gott erstaunte und machte sich auf die Reise, zu sehen, was seine Augen geschaffen hatten. Er reiste und reiste, ohne Ende und Ziel. Er kam auf unserer Erde an; aber er war schon müde; der Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Ein Schweißtropfen fiel auf die Erde; dieser wurde beseelt, und daraus wurde der erste Mensch.

So ist der Mensch aus Gott geboren; aber er ist nicht zum Vergnügen geschaffen; er ist geboren aus göttlichem Schweiße, und von seinem Ursprung an ist er bestimmt, sich zu mühen und zu arbeiten.


  • Literatur: Aus dem Slowenischen nach der Sammlung von Erben, Sto pohadek, Prag 1865, S. 257. In franz. Übers. auch Mélusine I, 84.

Vgl. hierzu Bundehesh cap. III: Ahura mazda erschuf Gaya maretan, indem er »einen Schweiß auf die Masse brachte, aus welcher er ihn bilden wollte«. Dazu die transkaukasische Erzählung, daß Engel aus Gottes Tränen entstanden (S. 32). Ein interessantes Zeugnis aus dem Jahre 1071 führt Dragomanov an. Danach erschienen Zauberer am Bjeloje-See (jm Gouv. Nowgorod) und sprachen: Wir wissen, wie der Mensch erschaffen ist. Gott badete, und als er in Schweiß geriet, wischte er sich mit einem Tuche, das er alsdann auf die Erde warf. Aus diesem Tuche erschuf Satanas im Wettstreit mit Gott den Menschen. Gott aber blies diesem die Seele[113] ein. Darum kehrt der Körper des Menschen nach dessen Tod zur Erde zurück, seine Seele aber zu Gott. Vgl. hierzu die Sage S. 95.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 113-114.
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