A. Sage von Gott, dem Teufel und dem immergrünen Laub.

1. Teilungssage: Gott prellt den Teufel.

[177] Eine kurze Sage, die uns an den Streit über die Lebenden und Toten erinnert, lautet wie folgt:


Der Teufel fragte einst Gott, wann er die Ackerer einmal bekäme, welche viel Scheltens pflegten, und erhielt die Antwort: Wenn einmal alles alte Laub an sämtlichen Bäumen vor dem Hervorsprießen des jungen abfallen würde. Da nun die Eiche, wenn auch das junge Laub be reits hervorsproßt, noch immer altes hat, ist sie dem Teufel ein Ärger und Greuel.


  • Literatur: Baumgarten 1, 130.2

Ausführlichen Bericht, namentlich auch betreffs der Teilung, gibt eine bergische Sage:


Als der liebe Herrgott auch bei uns seine Herrschaft immer mehr aus dehnte, mußte sich der Teufel in das Dickicht des Waldes und in das Dunkel der Nacht zurückziehen. Das gefiel ihm nicht, und er beschloß, mit dem lieben Gott um die Herrschaft zu streiten. Seine Anhänger widerrieten ihm dies aber, und endlich kam man überein, der liebe Gott und der Teufel sollten beschließen, daß die Herrschaft zwischen ihnen wechsle. Der eine sollte sich in das Innere seiner Wohnung zurückziehen, wenn die Herrschaft des andern beginne. Der liebe Gott sollte nun in der Zeit herrschen, wenn das Laub auf den Bäumen sei, der Teufel aber, wenn der Wald entblättert stehen würde.

Die Boten, welche den Vertrag abschlossen, waren auf einer einsamen Heide zusammengekommen, um unbelauscht zu sein. Aber der Zaunkönig, unter einem verwelkten Laubblatte verborgen, hatte alles gehört. Der hatte es dem Markolf verraten, und dieser hatte es laut in den Wald geschrieen, so daß alle Bäume es hörten. Als nun der Herbst herankam, blieben die Tanne, die Hülse und der Wacholder grün, und auch Mistel, Buchs und Efeu behielten ihren grünen Schmuck. Andere Bäume hielten ihre verwelkten Blätter fest, bis der Mai neues Laub brachte, damit der Teufel nicht sagen konnte: Der Wald ist kahl, und meine Herrschaft beginnt. Da sah der Teufel, daß seine Herrschaft zu Ende war, und er mußte sich in die Tiefe der Erde zurückziehen. Nur zuweilen tritt er in den Stunden der Mitternacht als Spuk hervor. Zwar treibt der Teufel im Winter oft Böses mit Frost und Schneesturm. Wenn dann aber die Landleute in den Wald kommen und das dürre Laub noch fest an den Buchen und Eichen sehen, dann sprechen sie: Des Teufels Reich ist doch zu Ende; der liebe Herrgott waltet noch und wird uns das dürre Laub mit grünem vertauschen.


  • Literatur: Schell, Bergische Sagen, S. 536 = Montanus (Waldbrühl), Vorzeit I, 193. (Das Verhalten des Z. erinnert an das der Biene oben S. 3, vgl. 12.)

In Finistère ist das Thema vom Teufel und dem Wein (unten Kap. 15) mit dem Thema vom Teilen und Prellen verknüpft. Man erzählt:


[178] Einst war der Teufel ärgerlich, daß alle Bretonen selig starben und stracks in den Himmel gingen. Er erschien an der Pforte des Paradieses, um sich bei Gott zu beklagen. Der bewilligte ihm die Seelen von all denen, die sterben würden, wenn die Heide nicht grüne. Der Teufel stieg zur Erde hinab und rieb sich die Hände vor Vergnügen. Es war November, und er dachte, der Stechginster würde bald aufhören zu blühen. Aber die Monate vergingen, und die Heide war immer mit goldenen Blumen bedeckt. Da pflanzte er Wein rings um die Bretagne her. Und da er ihn selbst pflegte, ließ die Wärme seines Körpers die Trauben wunderbar reifen.3 Die Ernte war so reichlich, daß er Schenken eröffnen mußte, um sie dort abfließen zu lassen. Er richtete sogar welche auf dem Wege zum Paradies ein. Die Bretonen, die immer noch dorthin gingen, da ja die Heide das ganze Jahr blühte, hielten an, um etwas zu trinken. Indem sie nun ganz betrunken umhergingen, erreichte sie der Teufel an der Türschwelle und führte sie in die Hölle.


  • Literatur: Sébillot, Folklore de France III, 370 = Revue des trad. pop. XVII, 317.

Eine Tiroler Sage weiß dagegen nicht mehr, worum es sich bei dem Abkommen zwischen Gott und Satan handelt. Sie erzählt nur im allgemeinen von einer »Bitte«:


Der Teufel versuchte einstmals Gott Vater und wollte, daß er ihm eine Bitte gewähre. Gott der Herr versprach, sobald den Eichen alle Blätter würden abgefallen sein, wolle er die Bitte gewähren. Der Teufel war darüber froh und wartete den Herbst ab, aber die Blätter fielen nicht. Es kam der Winter – die Blätter fielen noch nicht ab, obschon sie ganz gelb und braun im Winde rauschten. Als der Frühling kam, wuchsen wieder neue grüne Blätter, und als diese ziemlich stark waren, fielen erst nach und nach die vorjährigen ab. Da sah der Teufel, daß seine Bitte niemals in Erfüllung gehen werde, weil vom Eichbaum nie alle Blätter abfallen. Das erzürnte den Teufel dermaßen, daß er in die Eichenbäume wütend fuhr und mit den Krallen die Blätter zerfetzte. Und bis jetzt trägt der Eichenbaum seine Blätter durch den Winter, bis die neuen stehen, und das Laub zeigt noch die von den Teufelskrallen zerschlitzten Blätter.


  • Literatur: Aus dem Unterinntal und bis in das Salzburgische hinüber. Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols, S. 391.

Eine neue Färbung erhält die Sage, wenn an die Stelle der im großen beanspruchten Herrschaft der Besitz einer einzelnen Seele tritt. Ein Mensch, der seine Seele dem Bösen verschworen, ruft Gottes Hilfe an, und Gott prellt den Teufel ebenso wie oben:


Ein Mann war einmal in großer Not und rief den Bösen an, daß der ihm helfen sollte. Der Böse kam und brachte ihm viel, viel Geld. Dafür mußte der Mann ihm seine Seele verschreiben. Die sollte jedoch erst dann dem Teufel gehören, wenn die Bäume alle kahl stünden. Der Mann kriegte das Geld und lebte herrlich und in Freuden. Als aber der Sommer zu Ende ging und er das erste Laubblatt fallen sah, kriegte er's mit der Angst, und seine Sünde wurde ihm leid. Und er ging zur Kirche und fiel vor unserm Herrgott auf die Knie und bat, er möge ihm seine Sünde vergeben und seine arme Seele retten. Da erbarmte sich unser lieber Herrgott seiner und sprach zu ihm: »Ich will deine Seele dem Teufel aus dem Rachen reißen. Wenn auch[179] die andern Bäume all ihr Laub abwerfen, an zweien soll's sitzen bleiben.« Und der Herrgott machte aus einer Eiche und einer Buche eine neue Art, die das Laub in Herbststurm und Winterskälte nicht ab warf, sondern so lange behielt, bis all die andern Bäume wieder grün wurden.

Als nun zur Herbstzeit der Teufel kam und des Mannes Seele haben wollte, sagte dieser: »Noch sind nicht alle Bäume kahl. Komm mit ins Holz. Ich will dir welche zeigen, deren Laub noch festsitzt.« Und er zeigte ihm die Steineiche und Steinbuche. Der Teufel fing wohl an, die Bäume zu schütteln und als Sturmwind dazwischen zu sausen, aber das Laub saß fest, und all sein Toben und Mühen war vergebens. Da fuhr er ab und rief: »Zum Frühjahr komm' ich wieder, dann bist du sicher mein!« Der Mann aber dachte: »Ich verlaß mich auf unsers Herrgotts Wort.«

Und als der Teufel zur Frühlingszeit wiederkam, da sah man noch etwas Laub an der Steineiche und Steinbuche, und der Teufel sagte: »Wart nur noch ein paar Tage, dann bist du sicher mein!« Der Mann aber dachte wieder: »Ich verlaß mich auf meines Herrgotts Wort.« Und als er sich umschaute, da sah er schon eine Birke und eine Weide grün schimmern. Die zeigte er dem Bösen.

Und ein paar Tage weiter, da war alles grün, und da kamen auch an der Steineiche und Steinbuche die jungen Blattknospen heraus und stießen das alte, trockene Laub ab, und unser Herrgott hatte die arme Seele gerettet.

Die Steineiche und Steinbuche aber ließ Gott bestehen. Jahr für Jahr behalten sie ihr Laub in Herbststurm und Winterskälte, bis alles wieder grünt und blüht.


  • Literatur: Nach dem plattdeutschen Märchen bei Bartsch, Sagen, Märchen u. Gebräuche aus Mecklenburg, I, 521. Vgl. Niederhöffer, Mecklenburgs Volkssagen, IV, 140.

2. Die Sage ohne Teilungsmotiv: Wieder prellt Gott den Teufel.

Gott der Herr hatte alle Tiere erschaffen und sich die Wölfe zu seinen Hunden auserwählt: bloß der Geiß hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen und machte die Geißen mit feinen langen Schwänzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhecken hängen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vieler Mühe losknüpfen. Das verdroß ihn zuletzt, und er biß jeder Geiß den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stümpfen zu sehen ist.

Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Das jammerte ihn, so daß er aus Güte und Gnaden seine Wölfe dran hetzte, welche die Geißen, die da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er vor den Herrn und sprach: »Dein Geschöpf hat mir das meine zerrissen.« Der Herr antwortete: »Was hattest du es zu Schaden erschaffen!« Der Teufel sagte: »Ich mußte das: gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mir's teuer zahlen!« »Ich zahl dir's, sobald das Eichenlaub abfallt, dann komm, dein Geld ist schon gezählt.« Als das Eichenlaub abgefallen war, kam der Teufel und forderte seine Schuld. Der Herr aber sprach: »In der Kirche zu Konstantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch all ihr Laub.« Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wüste nei, ehe er sie fand, und als er wiederkam, waren derweil wieder alle anderen Eichen voll grüner Blätter. Da mußte er seine Schuld fahren[180] lassen, stach im Zorn allen übrigen Geißen die Augen aus und setzte ihnen seine eigenen ein.

Darum haben alle Geißen Teufelsaugen und abgebissene Schwänze, und er nimmt gern ihre Gestalt an.


  • Literatur: Grimm, Kinder- und Hausmärchen, Nr. 148.4

3. Die Sage ohne Gott: Ein Mensch prellt den Teufel.

[181] a) Es war einmal ein armer Mann, der konnte gut zimmern und mauern, aber zu beißen hatte er eben nicht viel. Gern war er reich geworden, doch er hatte fünf kleine Kinder, und da ist's unmöglich, reich zu werden.

Nun hatte einmal das Wasser eine Brücke weggespült, über die man gehen mußte, wenn man in die Kirche wollte. Drum sollte sie schnell wieder gemacht werden. Man ging zu dem Manne und fragte den, ob er die Brücke für hundert Taler in drei Tagen machen könnte. Der Mann sah wohl ein, daß er um den Lohn ein reicher Mann werden könnte, und bat um einen Tag Bedenkzeit. Man gab sie ihm, und er besann sich den ganzen Tag bis um 12 Uhr nachts und sah am Ende doch, daß es ihm in der Frist nicht möglich wäre. Schon wollte er traurig zu Bette gehn, da klopfte es auf einmal ganz leise an seiner Tür, und ein kleines Männlein kam herein. Es wünschte ihm guten Tag und fragte den Maurer, warum er so traurig sei. Der Maurer erzählte ihm alles, wie es war. Das kleine Männlein aber lachte und sagte: »Da ist bald geholfen, ich stelle dir die Brücke her, ehe die drei Tage vorüber sind. Doch die erste Seele, die von deinem Hause über die Brücke geht, ist mein.« Dem Maurer schauderte anfangs, da er merkte, wer das kleine Männlein sei. Aber es kam ihm gleich ein guter Gedanke, und er schloß mit dem Teufel den Vertrag ab. In drei Tagen stand die Brücke fix und fertig da, wie das kleine Männlein gesagt hatte, und mitten drauf wartete schon der Teufel auf die erste Seele von des Maurers Hause. Der aber holte schnell den Ziegenbock aus seinem Stall und jagte den über die Brücke.5 Doch wie der Teufel den Ziegenbock hertrappeln sah, riß er ihm vor Zorn den Schwanz aus, und seitdem haben die Ziegen kurze Schwänze.6 Der Maurer aber hat hundert Taler gekriegt und ist ein reicher Mann geworden.


  • Literatur: Nach der mundartlichen Erzählung bei Vonbun, Die Sagen Vorarlbergs, 2. Aufl., 1889, S. 145 f. Ganz ebenso bei Alpenburg, Mythen u. Sagen Tirols, S. 288, aus dem Montafoner Tal.

b) Der Teufel hatte mit einem Bauern einen Pakt gemacht. Danach durfte er dessen Seele holen, sobald die Eiche kein Laub mehr trüge. Er freute sich schon auf den Oktober. Allein es kam der November, der Dezember, und alle Bäume standen nackt, nur die Eiche nicht. Denn ihre Blätter saßen, wenn auch braun und dürr, noch fest auf ihren Stielen. Endlich kam der Frühling, und einzelne Eichenblätter flatterten zu Boden. Da frohlockte der Teufel, allein der Bauer führte ihn dicht zur Eiche und zeigte ihm, daß zwischen den alten[182] Blättern schon die neuen herausgekommen waren. Der Böse wurde nun furchtbar zornig über den Betrug, durch den er sein Spiel verloren hatte, und fuhr mit den Krallen wütend in die Blätter.

Bis dahin waren sie glattrandig gewesen, seitdem aber wurden sie eingekerbt.


  • Literatur: Perger, Pflanzensagen, S. 292 f. Vgl. Zingerle, Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes, 2. Aufl., S. 102 f., und Zingerle, Sagen aus Tirol, 2. Aufl., S. 371 f. Krainz, Mythen aus dem steierischen Hochlande, S. 266 (aus dem Mürztal).

c) De Düwel het wedder enen Minschen hebben wullt, un so het he mit'n Buern werrt:7 wenn he dat künn, wat de Buer em upgew,8 denn süll de Buer sin wesen9; dunn is dat jo god, un allens makt he em na; toletzt segt he, en Del will he em noch upgeben, wat he dat kann. Dor treckt he enen los un segt, den sall he gripen un em wedderbringen. De Düwel jo nu achteran un will em gripen, dunn kümmt he na 'ne Pappel rin, un dat Blatt, wat sik rögt, dor glöwt he ümmer, dor is de Farz achter, öwer he kann em nich krigen. Dunn is de Buer fri, un dorvon rögen sik de Bläder hüt un dissen Dag noch.


  • Literatur: Wossidlo, Volkstümliches aus Mecklenburg, 1. Heft, Nr. 63.

4. Eine verwandte Sage der Schweden.

Recht nahe steht eine schwedische Sage aus Worms, indem Gott auch dort die Bäume benutzt, um den Teufel zu prellen:


Als die Menschen anfingen, sich Häuser zu bauen, kam der Teufel zu dem Herrn und sprach: »Alle Menschen bauen sich jetzt Häuser, und ich möchte doch so gern auch eins haben. Willst du mir erlauben, mir eins zu bauen?« Der Herr antwortete: »Geh hin in den Wald, und wenn du daselbst Bäume findest, die weder gerade noch krumm, weder groß noch klein sind, so magst du sie umhauen und dir nach Gefallen daraus ein Haus verfertigen.«

Der Teufel ging, aber niemals fand er einen Baum, den er hätte nehmen dürfen; erst am Abend fand er einen einzigen, der weder gerade noch krumm, weder groß noch klein zu sein schien. Ärgerlich und ermüdet trat er vor Gott und erzählte ihm von seiner vergeblichen Bemühung den ganzen Tag hindurch und bat ihn um einen andern Ausweg; denn aus diesem einen Baume könne er doch unmöglich ein Haus erbauen.

Gott aber antwortete: »Du siehst, daß für dich keine Bäume gewachsen sind, und daß du ohne Haus auf Erden unstät und flüchtig leben sollst allezeit!«


  • Literatur: C. Rußwurm, Sagen aus Hapsal, S. 130, Nr. 136.

5. Fernerstehende Parallelen.

a) Als Jesus Christus mit dem heiligen Petrus auf der Erde ging, kam er einst in ein Dorf, wo der Böse eine Mühle aufgebaut hatte. Doch das Korn wollte sich nicht vom Gerüst schütteln. Jesus Christus aber fragte: »Was tust du da?« – »Ja, sieh, ich habe eine Mühle ganz fertig gebaut, und das Korn will nicht fallen.« – »Ich werde [es machen, du mußt mich aber als deinen Herrn nehmen.« – »Ich nehme dich an, ich weiß nur nicht, auf wie lange.« – »So lange, bis vom Wald die Blätter fallen.« – Der Böse aber dachte bei[183] sich: »Bis zum Herbst, denn im Herbst werden sie fallen.« – Jesus Christus aber schlug auf das Stäbchen, da begann es zu klappern, und das Korn fiel auf den Mahlstein. Der Teufel aber stand da und sagte: »Ja, ich habe die ganze Mühle gebaut und konnte dennoch damit nicht fertig werden!« Und es tat ihm leid, und er ging zum Walde, ob die Blätter nicht fallen wollten; aber Gott fügte es so, daß sie nicht mehr abfielen. Einmal und zweimal sah der Teufel nach, – es fiel nichts herunter. So ging er denn hin und schüttelte die Bäume, trieb Keile hinein und schlug Nägel ein. Er dachte den ganzen Wald auszutrocknen. Doch siehe, wie hatte der sich schön entfaltet, jetzt reichten die Zweige sogar von der Erde bis nach oben, und es war die Binde ganz glatt. Da fuhr dem Bösen die Wut mit Gestank aus dem Leibe, und aus diesem Gestank entstand der Harz. Und bis zum heutigen Tage sitzt er in der Mühle; so hat er's verdient.


  • Literatur: Kleinrussisch. Aus Zbirnyk XII, S. 68, Nr. 71. Vgl. Dragomanov, Mal. pred., Nr. 45, und Čubinskij, Trudy I, 104.

b) Gott besaß eine Quelle, in der er sein Vieh tränkte. Der Teufel wollte ihn zum besten haben, daher gab er sich den Schein, als wolle er sich bei Gott über den Unverstand der Menschen beschweren, ging zu ihm hin und bat ihn, er möge doch versuchen, seine Untergebenen im Zaum zu halten. Auf dem Heimweg trank der Teufel Gottes Quelle leer. Gott sagte kein Wörtchen. Er füllte die Quelle mit süßem Bier und tränkte sein Vieh an einer anderen Stelle. Ein andres Mal kam er ihm wieder mit demselben Geschwätz, und auf dem Rückweg trank er abermals die Quelle leer. Diesmal war der Teufel aber überlistet: ausgetrunken hatte er sie zwar, dafür blieb er aber auch wie ein Klotz am Brunnenrande liegen. Den betrunkenen Teufel fesselte Gott mit starken Stricken und hielt ihn drei Jahre gefangen.10 Im ersten Jahr bat der Teufel, ihn loszulassen – Gott tat es nicht; im zweiten Jahr bat der Teufel, ihn loszulassen – Gott tat es nicht; im dritten Jahr sprach er zu Gott: »Nun, willst du mich nicht loslassen, meinetwegen, aber sprich mir wenigstens die paar Wörtchen nach, die ich kenne!«

Gott sprach sie nicht nach; er machte eine abweisende Handbewegung und ging lieber zu seinem Vieh. Da strengte der Teufel alle Kräfte an, bis es ihm endlich gelang, die Stricke zu zerreißen und fortzuschleudern. Hundert Meilen weit flogen die Stricke, und der Teufel holte sogleich mit den Armen aus, um mit Gott zu ringen. Aber Gott packte den Teufel, schleuderte ihn zweihundert Meilen weit fort, dann lief er ihm nach, um ihn noch zum zweitenmal zu packen. Wer weiß, wie es jetzt dem Teufel ergangen wäre; aber der war schlau, er schlug einen Haken, daß Gott ihn aus dem Auge verlor, ging dann im Bogen zurück und veranlaßte die Menschen, sich Bier zu brauen. Die Menschen verzapften auch wirklich Bier, aber sie hatten keine Oberhefe. Was war da[184] zu tun? Da wußte der Teufel Rat. Er machte einen Eber wild und trieb den Armen hin und her, bis ihm weißer Schaum vom Munde troff. Diesen Schaum gab er den Menschen als Hefe. – Gott suchte den Teufel drei Jahre. Im dritten Jahr kehrte er in einer elenden Hütte bei einem Weibe ein. Das Weib erkannte ihn sogleich und fragte: »Sag doch, bist du nicht Gott?« – »Der bin ich freilich.« – »Nun, was ist denn das für ein Gott, der nun schon drei Jahre alle Menschen zu Torheiten anstiftet?« – »Das ist nicht Gott, das wird wohl der Teufel sein!« rief Gott und eilte sogleich nach Hause, um den Teufel zu überfallen; der aber entfloh über das Meer und versteckte sich in einer Höhle. – Gott sandte den Bären aus, um den Teufel zu suchen; er selbst blieb zu Hause, um die Menschen zu bekehren. Es war eine schwere Arbeit, bis er sie wieder auf den rechten Weg geführt hatte. Der Bär ging indes in einem großen Bogen um das Meer und schnüffelte den Teufel mit vieler Mühe in seiner Höhle auf. Das erzählte er Gott. Da gab ihm Gott kluge Anweisungen und schickte ihn zurück. Der Bär kroch zum Teufel in die Höhle und sagte: »Dummkopf, was brauchst du dich so lange vor Gott zu verstecken; flicht dir ein tüchtiges Seil mit einer Schlinge, wirf sie ihm um den Hals und zieh die Schlinge zu.« Der Gedanke gefiel dem Teufel. Als das Seil fertig war, sagte der Bär: »Laß mich mal versuchen, ob es stark genug ist.« Der Teufel reichte ihm das Seil hin, aber der Bär zerriß es. Da flocht er ein stärkeres Seil. Als dieses fertig war, sagte der Bär wiederum: »Laß mich jetzt einmal versu chen, wie es mit diesem geht.« Aber der Bär zerriß es auch. Jetzt flocht er ein ungeheuer starkes Seil. Während er daran arbeitete, ging der Bär zu Gott, jetzt solle, er mitkommen. Gott kam und blieb außerhalb der Höhle, während der Bär hineinkroch. »Nun, wie steht's, ist das Seil einmal fertig?« – »Ja, es ist fertig,« antwortete der Teufel. »Nun, dann laß mich versuchen, ob es auch fest ist.« Der Bär zog und zog, er konnte es nicht zerreißen. »Hör mal, ich glaube, das Seil selbst wird gut sein, aber wie es mit der Schlinge steht, das mußt du noch versuchen. Wirf sie dir um den Hals, dann können wir die Probe machen.«

Sobald sich der Teufel die Schlinge um den Hals geworfen hatte, warf der Bär das Seilende durch die Öffnung der Höhle hinaus. Gott zog die Schlinge zu und fesselte den Teufel zum zweitenmal. Im ersten Jahr bat der Teufel Gott, ihn loszulassen, aber Gott ließ ihn nicht los; im zweiten Jahr bat der Teufel und fragte, wann er ihn eigentlich loszulassen gedenke; Gott erwiderte: »Wenn die Tanne ihre Nadeln fallen läßt.« Als er nun auch im dritten Jahre nicht freikam, da holte sich der Teufel im stillen sieben Helfer, die mit der Zeit das Seil zerschlissen. Der Teufel zog in eine andere Gegend und ließ sich nicht mehr vor Gott blicken.


  • Literatur: Lettisch. Lerchis-Puschkaitis II, Nr. 4, S. 7 f. Zum Bierbrauen vgl. Kap. 15.

Fußnoten

1 Vgl. Wünsche, Der Sagenkreis vom geprellten Teufel.


2 Ebenda eine Variante, die offenbar von geistlichen Händen geformt ist:

Die Eiche und besonders das Laub davon kann der Teufel nicht leiden. Als er nämlich einst in Gott den Herrn mit Fragen drang, wann er wieder selig würde, gab ihm dieser zur Antwort: »Wann das Eichenlaub abfallt!«


3 Über animalischen – vom Teufel verursachten – Einfluß auf den Wein vgl. auch Kap. 15.


4 Varianten:

a) Der Teufel erbat einst von Gott die Erlaubnis, auch ein Tier zu schaffen. Als er sie erhalten, begann er das Geschäft. Einem Geschöpfe, das ihm gleich sei, durften seiner Meinung nach hübsche Hörner nicht fehlen. Da der Bock ohnehin sein Lieblingstier ist, so wußte der Teufel nichts Schöneres zu schaffen, als die Gestalt von Bock und Ziege. Damit aber sein Geschöpf sich auszeichne, setzte er ihm den Bart über den After und gab ihm einen recht langen Fuchsschwanz. Das waren g'spaßige Viecher, und als sie fertig waren – Gemsbock und Gemsziege – lachte der Teufel hell auf. Denn er wußte recht gut, wie viele Wilderer um dieser Tiere willen an Leib und Seele zu Schaden kommen würden. Nun blieben aber die Gemsen mit ihren langen Fuchsschwänzen bald genug zwischen den Zuntern oder Legföhren hängen und verwickelten sich so damit, daß der Teufel sich manchen lieben langen Tag plagen mußte, die Tiere loszumachen, darüber er viele Zeit verlor und viel schwitzte. Endlich erfaßte ihn die Wut, und er riß allen Gemsen die Schwänze ab. Daher haben sie jetzt nur noch das kleine Stümpflein. Den wertvollen Bart aber tragen die Gemsen noch immer da, wo er nicht hingehört.

Alpenburg, Mythen u. Sagen Tirols, S. 254. Vgl. Wuttke, Aberglaube S. 120 (aus Tirol).

b) Gott erschuf jegliches Vieh und befahl den Heiligen, dasselbe zu ihm zu treiben, um es zu segnen. Der Teufel neidete dem Herrn seinen Ruhm und wollte, daß auch sein Vieh dort wäre. Da machte er sehr sehr viele Ziegen (Var. nach seinem Bilde) und trieb sie selbst hin. Unterwegs kamen sie in einen Wald. Die Ziegen wurden wild und begannen auf die Eichen zu klettern. Der Teufel jagte und jagte sie herunter, dann aber wurde es ihm langweilig, er wurde wütend und zog eine jede, die er klettern sah, am Schwanz herunter. Der aber wurde abgerissen. So riß er allen die Schwänze ab, und dadurch entstand das kurzschwänzige Geschlecht.

W.N. Jastrebov, Mat. po etn. Nowoross. kraja, p. 13.

c) Ehe Gott die Menschen geschaffen, hütete er selbst die Schafe. Die Schafe hörten auf Gott den Herrn: wie er ihnen pfiff, so gingen sie auch. Ziegen aber gab es damals noch nicht auf der Welt. Da kam zum Herrgott der Teufel und sagte: »Lieber Gott, gib mir einige Schafe! Du hast eine Herde, ich aber kein einziges Schäfchen.« – Da teilte der Herrgott dem Teufel einige Schafe zu. Mußte da der Teufel seine Schafe von einer Trift zur andern treiben. Die Schafe erschraken vor ihm und liefen nach allen Seiten auseinander. Da wußte sich der Teufel mit ihnen keinen Rat und wurde sehr zornig auf sie; er begann sie an den Schwänzen zu greifen und in einen Haufen zu zerren, und da die Schafe sich stark losrissen, so riß er ihnen die Schwänze ab. Und so wurden aus Schafen Ziegen, und deshalb haben sie so kurze und abgerissene Schwänze. Die Ziegen sind des Teufels Schafe. Und ihr ganzes Äußere ist bei ihnen, wie beim Teufel: sowohl die Hörner, als auch der Bart ist so, wie beim Teufel. Schreckhaft aber und störrisch ist die Ziege seit jener Stunde, da sie vor dem Teufel erschrak.

Etnogr. Zbirnyk XII, Nr. 26 = Žitje i Slowo 1894 II, 185, Nr. 13.

Parallelen, die ich nicht kenne:

Čubinskij, Trudy I, 49 = Romanow, Bjelorusskij Sbornik IV, 168, Nr. 22 = Sadownikov, Skazki i predanija Samarskago kraja, S. 251, Nr. 82 = Etnograf. Obozrěnie VI, 140. Wotjakisch: Veselovskij, Razyskanija XI–XVII, 367.

d) Hans Sachs: Sankt Peter mit der Geiß: siehe Band II.

e) Ein Märchen bei Zingerle, Sagen aus Tirol, 2. Aufl., S. 372 erzählt so: Als die Blindschleichen, die giftigsten Würmer, vor Zeiten mit Blindheit geschlagen wurden, baten sie Gott, nur so lange alljährlich sehen zu dürfen, als die Eichen unbelaubt wären. Um aber die Menschen vor ihnen zu schützen, ordnete der liebe Gott an, daß die Eichen nie ihr Laub verlieren und es selbst im Winter behalten.


5 Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, S. 507 (Österley, S. 293, nebst literar. Nachweisungen): Der grosz Alexander solt vff ein mal ein grose schlacht thůn vnd thet den götten ein gelübt, wan er morgens heim kem vnd das erst haupt das im begegnet vff der brucken, das wolt er inen opffern. Da er nun die schlacht gewan vnd da er an dem morgen vber die bruck reit, da bekam im ein müller, der treib ein esel geladen mit secken vor im an hin vnd wolt zů der mülin faren. Der künig sprach: o müller, du hast mich betrogen, ich můsz dich vff opffern, ich hab also ein gelübt gethon. Der müller sprach: lieber her, ich bin nit das erst haupt, mein esel ist vor mir gangen, also behielt der müller im selbs sein leben, vnd opfferten den selben esel vff.


6 Bei Hahn, Griechische Märchen, Nr. 41, verfolgt die Lamia einen Hasen und packt ihn gerade, als er zur Haustüre hereinschlüpfen will, beim Schwanz und reißt ihn aus.


7 gewettet.


8 aufgäbe.


9 ihm gehören.


10 Es erscheint mir zweifellos, daß hier ein Nachhall einer bekannten Sage des Salomonischen Sagenkreises vorliegt. Salomo bedarf zum Bau seines Tempels des wunderbaren Glas und Steine schneidenden Steines Schamir, von dem ihm gesagt wird, daß Aschmedai, der König der Dämonen, ihn im Besitz habe. Es gelingt Salomos Diener Benajahu, sich des Aschmedai zu bemächtigen, indem er einen Brunnen, aus dem jener zu trinken pflegt, mit Wein füllen läßt. Aschmedai wird in berauschtem Zustand mit einer Kette und mit einem Ring, in dem der Gottesname eingegraben ist, gefesselt. So wird Aschmedai vor den König gebracht.

Vgl. Wünsche, Babylon. Talmud II, Abt. 1, S. 180 f. = Tractat Gittin, fol. 68 a.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 185.
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