[18] 1. Aus Lincolnshire.
In der Nacht, da der Herr geboren wurde, war der Stall bestreut mit Farnkraut und dem, was man jetzt das gelbe Frauen-Bettstroh (lady's bedstraw) nennt. Vor dieser Zeit hatten beide im Sommer unbedeutende weiße kleine Blumen hervorgebracht, aber jetzt war es Winter, und sie hatten keine Blüten. Als der erste Schrei des göttlichen Kindes gehört wurde, trieb das Bettstroh Blüten zur Ehre der Geburt des Heilandes, aber das Farnkraut zeigte keine Verehrung, so daß es seitdem überhaupt keine Blüten mehr hervorbringen kann, während das Bettstroh lange Zweige voll goldener Blümchen bekommen hat.
[18] 2. Der Name Ladies Bedstraw findet sich schon bei John Gerarde, The Herball Historie of Plantes 1633 S. 1126.
3. Bauhinus, de plantis p. 70–72 bringt für lat. Galium = S. Mariae stramen und Serpillum = S. Mariae stramen lecti aus einer großen Anzahl Quellen die Namen: Unser Frauen Bettstroh, Unser lieben Frauen Bettstroh oder »w lstro«, »Walstro«, Unser lieben Frauen Weg-, Wald- (so!) oder Bettstroh.
Auch Hypericum heißt außer Sankt Johanne skraut und Harthaw: Unser Frauen Bettstroh. (Dreifach bezeugt bei Bauhinus p. 72.)
4. Catalogus p. 22: Gallium album White Ladies Bedstraw, Gallium luteum Yellow Ladies Bedstraw. Vgl. Phytologia Britannica 1650, p. 45.
5. Tabernaemontanus S. 433 nennt das Megerkraut (Gallium luteum, Gallium palustre album, Gallium album minus – »die Sachsen und Meißner nennen es Labkraut und Raynritzen«) Walstrow, Unser Frauen Bettstrowe, Unser Frauen Wegstrow und Liebkraut. »Englisch heisset dieses Kraut Meydes here [Ladies Bedstraw – Zusatz von Bauhinus], Flemisch und Brab ndisch Walstrov.« – Beim Johanneskraut (S. 1249 f.) führt Tabernaemontanus den Namen Unser Frauen Bettstroh nicht an.
6. In der Eifel heißt die Pflanze Muttergottes- oder Marienbettstroh; ein Bündel davon lag, wie man sagt, während der Geburt in dem Bett der Jungfrau.
7. Auch die Kunst hat sich der Pflanze bemächtigt; unter den Gemälden, auf denen sie sich findet, ragt besonders die Madonna della casa in Petersburg hervor.
Söhns bemerkt hierzu, daß Maria an die Stelle der germanischen Freia getreten ist. Ihr, der blütenreichen Mutter der Erde, der Göttin der Natur und Fruchtbarkeit, zugleich Göttin der Liebe, der Schützerin von Ehe und Geburt, an deren Tage – dem Freitage – man sich am liebsten verheiratete, war dieses Kraut besonders heilig, und ein Strohbündel davon wurde schwangeren Frauen in das Bett gelegt, um die Geburt zu erleichtern.
Sehr unsicher ist die Vermutung, daß im Indiculus superstitionum et paganiarum Kap. 19 statt: de petendo, quod boni vocant sanctae Mariae zu lesen sei: de petenstro. (Vgl. darüber H.A. Saupe, Der Indiculus superstitionum, Progr. des Realgymn. zu Leipzig 1891, S. 25.)
1. Aus dem Erzgebirge.
»Einer Sage dankt der Name Mariae Bettstroh sein Dasein, mit dem man hier das Johanneskraut (Hypericum) belegt, und bis zum heutigen Tage lassen sich den Knospen dieses Krautes die blutigen Tränen entpressen, mit denen die hl. Jungfrau ihr Lager netzte.«
1. Der Schlesier und der Märker bezeichnen die Pflanze »Unserer lieben Frau Bettstroh«, was sich schon in Brunfels' Herbarium findet. In Mecklenburg und Holstein heißt sie Marienbettstroh.
[19] 2. Sie gilt als kräftigend. Nach einer Tiroler Sage soll sich Maria bei ihrem mühevollen Gange über das Gebirge ermattet auf dem Kräutlein niedergelassen und es so vor allen anderen bevorzugt haben; auch einen Kranz davon pflegte sie zu tragen.
Offenbar liegt wieder eine altgermanische Sage von Freia zugrunde. Söhns denkt an Freya die Wandernde, die – eine germanische Demeter – den Menschen überallhin Kultur und Gesittung zu bringen berufen war und von der es etwa hieß, daß sie sich einst ermüdet von ihren Wanderungen auf dem zarten, weichen und von da an ihr heiligen Kraute niedergelassen habe.
3. Eine besondere Stellung nimmt eine vlämische Legende ein.
Maria war das Kind armer Eltern und mußte, als sie klein war, auf einem sehr harten Lager schlafen. Ihre Mutter, die hl. Anna, hätte sie gern auf weiche Daunen gebettet, aber sie hatte kein Geld dazu. Da fiel ihr ein, zarte Kräuter für ihr Kind zu suchen. Sie ging auf die Heide und pflückte wilden Thymian. Der war just, was sie brauchte. Von nun an hatte Maria eine bequeme Ruhestätte.
In fast allen Familien des Ermlandes ist es Sitte, am 1. Weihnachtsfeiertage bei der Hauptmahlzeit weiße Erbsen zu essen. Als Grund wird von den Leuten angeführt, daß Christus gleich nach seiner Geburt in die Krippe aufs Erbsenstroh gelegt sei. Diese Sage hat jeder von seinen Eltern und Großeltern gehört.
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