11. Kapitel.

Lichtscheue Tiere.

[266] »Ein Paar merkwürdige Kreaturen« nennt Max Bartels (in der Ztschr. des Vereins f. Volksk. 9, 171) den Maulwurf und die Fledermaus. Beide führen nach der kindlichen Anschauung des Volkes »ein für Tiere ihrer Ordnung ganz ungewöhnliches Leben«. Der Maulwurf »wühlt sich seine Gänge und Straßen, wie die Maikäferlarve, der Engerling, oder auch wie der Regenwurm; und dennoch ist er ein Säugetier. Wenn man doch einmal seiner ansichtig wird, dann bemerkt man, wenigstens wie das Volk fest glaubt, daß er keine Augen hat. Wozu sollte er diese auch wohl unter der Erde gebrauchen? Es fiele ihm ja doch nur Sand hinein. An seinem dichtbehaarten, einer kurzen, dicken Wurst ähnlichen Leibe sitzen ein Paar merkwürdig gestaltete Vorderextremitäten, welche an eine breite menschliche Hand erinnern.« Nicht minder absonderlich ist die Fledermaus. »Der Bereich ihrer Lebenstätigkeit ist die Luft, wo sie sich gleich den Vögeln unter dem Himmel tummelt. Aber die Fledermaus hat, wie Konrad von Megenberg († 1374) schrieb, ›kain vedern an dem leib noch an den flügeln; si ist ainer maus aller ding geleich‹. Noch 300 Jahre später hieß es: »Die Fledermauß ist ein Mittelthier zwischen dem Vogel und der Mauß, also daß man sie billich eine fliegende Mauß nennen kan, wiewohl sie weder unter die Vögel, noch unter die Mäuß kan gezehlet werden, dieweyl sie beyder Gestalt an sich hat. (Gesneri redivivi aucti et emendati tomus II oder vollkommenes Vogel-Buch 1669.)«

Wie Bartels mit Recht annimmt, hat die absonderliche Gewohnheit beider Tiere, am Tage zu ruhen und erst mit Beginn der Dunkelheit sich für die Menschen bemerkbar zu machen, mit dazu beigetragen, daß sie als besonders merkwürdig erschienen. Zu den zahlreichen Nachweisen, die Bartels über die mit beiden Tieren verknüpften abergläubischen Meinungen gibt, bilden die Sagen ein interessantes Gegenstück. Die Ähnlichkeit[266] zwischen der Maus und der Fledermaus spiegelt sich in den drei folgenden Sagen wider:


1. Aus der Bretagne.


Vor langer, langer Zeit lebte eine Schwalbe; die hatte oben in einem alten, verlassenen Kamin ihr Nest. Eines Tages, als sie eben von langer Krankheit genesen war, machte sie sich daran, ihre Eier auszubrüten. Der Sommer war schon vorgeschritten, und das Korn war reif. Da kam eine Maus, die sich verirrt hatte, steckte ihr Schnäuzchen ins Nest und suchte ein Loch, wo sie die Nacht zubringen konnte.

»Gute Frau,« sagte sie zur Schwalbe, »wollt ihr mich die Nacht bei euch zubringen lassen? Es ist heute Sabbath, und ich fürchte mich vor den Katzen.« »Ich will es tun,« sagte die Schwalbe, »aber unter einer Bedingung: ihr müßt mir drei Tage lang helfen, meine Eier auszubrüten. Mein Mann hat mich verlassen, ich bin sehr schwach und habe niemand, der mir Nahrung bringt. Ihr werdet statt meiner brüten, während ich Nahrung suche. Zum Dank für eure Mühe werde ich euch nähren und euch schöne Weizenähren bringen.«

Drei Tage lang saß nun die kleine Maus auf den Eiern, während die Schwalbe Vorräte herbeiholte.

Dann ging die Maus fort. Aber was für Junge hatte sie ausgebrütet! – Kleine ungeheuer, die statt Federn ein Fell hatten, einen Mäusekopf mit Ohren und gebogene Flügel wie der Teufel. Die Mutter wurde krank und starb bald vor Kummer. Man hielt ein feierliches Begräbnis zu Tréguier, und es war schön zu sehen, wie sie geliebt und betrauert wurde. Schwalben aus aller Herren Länder waren da, und die Kirche war ganz schwarz von dieser Menge. Sie beweinten das Unglück ihrer armen Schwester sehr, und ehe sie abreiste, ließ die Königin der Schwalben die armen Waisen in das Kloster zu Tréguier einschließen und verbot ihnen bei Todesstrafe, je ans Tageslicht zu kommen. Sie gebot auch den Schwalben, ihre Nester in Zukunft nicht an den Wegen zu bauen. Darum kommen die Fledermäuse, denn das waren die Jungen der Schwalbe, nicht ans Tageslicht, und darum bauen die Schwalben ihr Nest unter den Fenstern.


  • Literatur: Revue des trad. pop. 1, 120. Vgl. Sébillot, Folklore de France 3, 7.

2. Aus Niederösterreich.


[Eine arme Alte hat nichts als einige Kohlstauden und Krautköpfe nebst einem Stück Speck, das im Schornstein hängt. Die Raupen fressen ihr das Gemüse ab, im Speck findet sie eine Maus. Als sie ihr unwillig den Schwanz ausreißen will, verspricht ihr die Maus, alle Raupen zu fressen, und wird in den Garten gesetzt. Doch kann sie die große Zahl Raupen nicht vertilgen.]

»Erzürnt darüber, daß das Mäuslein sein Versprechen nicht gehalten, ergriff die Frau das Tierchen, nagelte es mit den Vorderfüßen an die Tür und riß ihm das Schwänzlein aus. Da ertönte die Abendglocke, und die Frau kniete nieder, um ihr Abendgebet zu verrichten. Sie bat die Himmelskönigin, zu kommen und ihr in dieser Not zu helfen. Die Himmelskönigin erhörte sie und kam herbei. Als sie aber das arme Mäuslein so hängen sah, erbarmte sie sich des Tierchens und sprach: »Du sollst von nun an in der Luft flattern, und zwar immer abends und morgens, wenn die Glocke zum Gebet läutet.« Dem Weib aber machte sie Vorwürfe wegen ihrer Grausamkeit; wenn sie solches noch einmal tue, so werde auch sie kein Erbarmen finden.«


  • Literatur: Nach Th. Vernaleken, Heimgarten 24, 780.

[267] 3. Aus Mazedonien.


Die Fledermaus ist anfangs nur eine Maus gewesen. Als sie aber einmal in der Kirche das zum hl. Abendmahl bestimmte Brot auffraß, bekam sie Flügel, damit sie in der Luft umherflattere. Auch nahm ihr der Herr zur Strafe die Fähigkeit, am Tage zu sehen, und ließ sie ihr nur für die Nacht. Zugleich verfluchte er sie, daß sie nur in öden, unbewohnten Gebäuden und Ruinen hause.


  • Literatur: Strauß, Die Bulgaren S. 65. Revue des trad. pop. 8, 284. Vgl. Natursagen 1, 197 f, 351.
    Das lichtscheue Wesen der Fledermaus wird in den folgenden Sagen auf eine Bestrafung zurückgeführt, die mit der Sonne zusammenhängt.

4. Estnische Sage.


Die Fledermaus ist früher ein hübsches Tier gewesen.

Einmal hat die Fledermaus über des mächtigen Taara Handlungsweise geknurrt; sie war mit der Erschaffung der Sonne nicht zufrieden. Da sagte Taara: »Weil du klüger sein willst wie ich, sollst du das häßlichste Tier auf Erden sein.« »Wenn die Sonne scheint, sollst du dich nie zeigen. Alle Vögel sollen vor Sonnenaufgang aus ihren Nestern heraus sein. Wer es aber nicht ist, kann am Tag nicht fliegen, alle andern Vögel werden ihn verachten. Du aber, Fledermaus, mußt vor Sonnenaufgang in deinem Versteck sein, sonst kannst du von allen Tieren und den Menschen verfolgt werden.«


  • Literatur: Aus d. hdschr. Nachlaß von J. Hurt.

5. Sage der Kazanschen Tataren.


[Einst hielt die Sonne in ihrem Lauf inne und blieb stehen, um sich zu erholen. Da sagte die Fledermaus zu ihr:] »Geh weiter! Bleib nicht stehen.« Diese Ermahnung erzürnte die Sonne. »Nimm dich in acht,« sprach sie, »und komm mir nicht unter die Augen, sonst werde ich deine Flügel versengen!« Seit der Zeit fliegt die Fledermaus nicht mehr am Tage, sondern nur noch nachts.


  • Literatur: Potanin. Vost. mot. 459/60 = dess. Tanguto-tibetskaja okraina kitaja 2, 320. (Potan. erinnert an den Ewigen Juden, der deshalb zu seinen Qualen verurteilt sei, weil er Christus auf dessen Kreuzgang zugerufen habe: »Geh weiter!«)

Der Maulwurf büßt gleichfalls für ein Vergehen. In den weiter unten angeführten Sagen vom Wegebau und von Verwandlungen spielt er keine geringe Rolle. Wie gespenstig er zu sein schien, zeigt die Sage (1, 157), daß er vom Teufel erschaffen sei. Gespenstige Kräfte schreiben ihm auch die Indianer zu. Es gibt folgende


6. Sage der Cherokee.


Ein Mann liebte eine Frau, die ihn verabscheute und nichts mit ihm zu tun haben wollte. Er versuchte alles, um ihre Gunst zu gewinnen, hatte aber keinen Erfolg, bis er zuletzt entmutigt war und selbst ganz krank darüber wurde. Der Maulwurf kam des Weges, und da er ihn so niedergeschlagen antraf, fragte er nach seinem Kummer. Der Mann erzählte ihm die ganze Geschichte, und als er geendet hatte, sagte der Maulwurf: »Ich kann euch helfen, und zwar wird sie euch nicht nur lieben, sondern aus freiem Willen zu euch kommen.«

In der Nacht grub der Maulwurf seinen Weg unter der Erde bis zu dem schlafenden Mädchen und nahm ihr Herz fort. Er ging auf demselben Wege zurück[268] und brachte es dem Manne, der es, selbst als er es in der Hand hatte, nicht sehen konnte.

»Da,« sagte der Maulwurf, »schluckt es hinunter, und sie wird zu euch kommen müssen.«

Der Mann verschluckte das Herz, und als das Mädchen erwachte, dachte es von ungefähr auch einmal an ihn und fühlte ein sonderbares Verlangen, bei ihm zu sein, als ob sie sogleich zu ihm gehen müsse. Sie wunderte sich und konnte es nicht verstehen, weil sie ihn immer verabscheut hatte Aber zuletzt wuchs das Gefühl so sehr, daß sie beschloß, zu dem Manne zu gehen und ihm zu sagen, daß sie ihn liebe und seine Frau zu werden wünsche. Darauf heirateten sie, aber alle die Zauberer, die beide gekannt hatten, waren überrascht und wunderten sich, wie es dazu hatte kommen können. Als sie herausfanden, daß es des Maulwurfs Werk war, den sie alle für zu unbedeutend gehalten hatten, um ihn zu beachten, wurden sie eifersüchtig und drohten ihn zu töten, so daß er sich unter die Erde verbarg und seither nie gewagt hat, wieder an die Oberfläche zu kommen.


  • Literatur: Mooney, Myths of the Cherokee S. 277.

Übernatürliche Kraft hat der Maulwurf auch in einer


7. Sage der Wishosk.


Der Maulwurf schämt sich, sich am Tage sehen zu lassen. Vor Zeiten fiel der Himmel einmal herunter, und er hielt ihn mit der Hand auf. Unter dem Gewicht des Himmels drehten sich seine Hände um. Daher sind seine Hände jetzt verdreht.


  • Literatur: Journ. of Am. Folklore 18, 99.

In zwei untereinander engverwandten Indianersagen tauschen der Maulwurf und das virginische Murmeltier ihre Rollen.


8. Sage der Pawnee.


Als die Menschen noch unter der Erde waren, grub der Maulwurf eines Tages ein Loch durch die Erddecke, daß das Licht hereinströmte und er erschreckt zurückfuhr. Seitdem hat er keine Augen, das Licht hat sie getötet. Der Maulwurf wollte nicht mit hinauf kommen, aber die andern gingen durch sein Loch hinauf.


  • Literatur: Grinnell, Journ. of Am. Folklore 6, 124.

9. Sage der Iroquois.


Als die Indianer zuerst aus der Erde ans Licht kamen, wollte ein Tier nicht mitgehen, das virginische Murmeltier. Darum lebt es unterirdisch.


  • Literatur: Journ. of Am. Folklore 3, 179.
    (Aus American Antiquarian, Oct. 1881: Mitteilung von A.S. Gatschet aus dem Mskr. des Missionars Christopher Pyrlaeus vom J. 1743).

Zu diesen merkwürdigen Kreaturen stellt sich eine dritte, die den Volksglauben nicht minder beschäftigt, die Eule. Die Feindschaft zwischen ihr und den übrigen Vögeln (s.u., sowie Bd. IV), ihr geisterhaft klagender Ruf, ihr Aufenthalt in der Öde unheimlicher Einsamkeit, die ganze Schrecknis ihres Wesens mußte die Phantasie des Beobachters aufs heftigste erregen. Besonders gab sie den Stoff zu allerlei schaurigen Verwandlungssagen (s.u.). Nur selten zeigt ein leiser Humor, daß man den Vogel auch als gewöhnlichen Sonderling aufzufassen wußte, als »komischen Kauz«, dessen[269] Eigenart Anspruch auf besondere Bewertung machen darf. In den Sagen, die seine Scheu vor dem Tageslicht erklären, findet sich dieser Zug nur einmal, in der folgenden


10. Sage aus Polen.


Die Eule fragte einmal die Mücke, weshalb sie am Tage und nicht bei der Nacht fliege. Die Mücke antwortete: »Deshalb, weil sie fett sei«. Als aber die Mücke die Eule fragte, weshalb sie bei Nacht und nicht am Tage fliege, erklärte sie es mit ihrer außergewöhnlichen Schönheit, von welcher sie fürchtete, daß sie beschrien würde.


  • Literatur: S. Ciszewski, Krakowiacy 1, 323, Nr. 273.

In Gemeinschaft mit der Fledermaus erscheint die Eule in einer


11. Sage aus Wales.


Taube und Eule reisten einmal zusammen und kamen zur Abenddämmerung an einen alten Schuppen, wo sie zu übernachten beschlossen. In diesem alten Schuppen hauste der Häuptling eines Fledermaus-Stammes mit seiner Familie, und als er die Fremden bemerkt hatte, lud er sie ein, mit ihm zu Abend zu speisen. Als die Eule genug von den leckeren Speisen und starken Getränken genossen hatte, erhob sie sich und begann den Häuptling in folgender Weise zu loben: »O du hochedle Fledermaus, deine Freigebigkeit ist groß, dein Ruhm unaussprechlich. Ich halte keinen dir gleich, dir und deiner erlauchten Familie. Auch kenne ich nicht deinesgleichen an Weisheit und Gelehrsamkeit. Du bist tapferer als der Adler und schöner als der Pfau, und deine Stimme ist lieblicher als selbst die der Nachtigall.« Der Fledermaushäuptling war außerordentlich stolz über dies Loblied, und nun erwartete er, daß die Taube ihn ähnlich anreden sollte, aber die Taube saß still am Tische, ohne zu beachten, was die Eule sagte, und ohne etwas dazu zu bemerken. Endlich wandte sie sich um und dankte dem Fledermaushäuptling für seine Gastfreundschaft und Freigebigkeit, ohne sonst etwas hinzuzufügen. Da sah die ganze Sippschaft voll Ärger auf die Taube und blickte sie gar zornig an und warf ihr Mangel an Erziehung vor, weil sie den Häuptling der Fledermäuse nicht in zierlicher und höflicher Weise loben könne, wie es die Eule getan habe – doch alles, was die Taube darauf sagte, war, daß sie Schmeicheleien hasse.

Darauf gerieten alle in große Wut, schlugen und verwundeten sie und warfen sie hinaus in die dunkle und sturmvolle Nacht, wo sie hungerte und fror bis zum Morgen.

Bei Tagesanbruch flog sie zum Adler und klagte über die Fledermaus und die Eule, der Adler aber schwur: wenn sich die Fledermaus und die Eule jemals bei Tage zeigten, so sollten alle Vögel der Erde sie mißhandeln und verachten, aber den Tauben bewilligte er, daß sie immer in Schwärmen leben dürften, und er liebte und achtete sie von dieser Zeit an wegen ihrer Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe; aber ein Schwarm von Fledermäusen oder Eulen ist seitdem nicht mehr gesehen worden.


  • Literatur: Jolo Manuskripts S. 583.
    Vgl. Notes on the Folklore of the Raven and the Owl by Clouston. Privately printed 1893, S. 27.

Von anderen Sagen, soweit sie nicht zu besonderen Motivgruppen zu stellen sind, gehören folgende hierher:[270]


12. Aus Rumänien.


Die Schleiereule war ursprünglich Königin der Vögel; aber da sie sehr schlecht und grausam war, erhob sich ihr Volk gegen sie und vertrieb sie vom Throne. Sie versteckte sich, und noch heute kommt sie nur nachts aus ihrem Verstecke hervor. Zeigt sie sich aber einmal bei Tage, so wird sie sofort von allen Vögeln verfolgt.


  • Literatur: Marianu, Ornitologia 1, 234.

13. Aus Pommern.


Einst war eine reiche Dame gestorben, die von Menschen und Tieren in gleicher Weise betrauert wurde. Die Vögel berieten unter sich, wen von den Ihren sie der Verstorbenen zu Ehren als Leichenwächter schicken sollten. Man warf das Los, und dasselbe entschied für die Eule.

Diese waltete auch anfangs ihres Amtes mit gewissenhafter Sorgfalt; endlich wurde ihr jedoch die Zeit zu lang, sie sprach bei sich: »Ek well ein Ôg tau måuke, un met dem andere war ek wachte.« Wie sie gesprochen, tat sie auch, nur schade, daß das andere Auge bald ebenfalls zuschlug und die Eule auf diese Weise in tiefen Schlaf verfiel. Der Morgen dämmerte, die anderen Vögel kamen herbeigeflogen und sahen die große Schande, daß der von ihnen gestellte Leichenwärter sein Ehrenamt so unehren haft verwaltet hatte. Zornig flogen sie auf den pflichtvergessenen Vogel zu, jagten ihn in die Flucht und schwuren ihm ewige Rache. So ist es gekommen, daß die Eule nur des Nachts sich hervorwagt und auf Raub ausgeht.


  • Literatur: Jahn, Volkssagen aus Pommern und Rügen S. 467.

14. Sage der Cherokee.


Als die Tiere und Pflanzen erschaffen wurden – wir wissen nicht von wem –, wurde ihnen befohlen, sieben Nächte zu wachen, so wie die jungen Leute jetzt fasten und wachbleiben, wenn sie zu ihrer Medizin beten. Sie versuchten es, und fast alle wachten die erste Nacht, aber in der nächsten Nacht schliefen viele ein und in der dritten noch mehr, bis in der siebenten Nacht von allen Tieren nur die Eule, der Panther und noch ein paar wachten. Die bekamen die Kraft, im Dunkeln zu sehen und umherzugehen und die Tiere und Vögel zu erbeuten, die des Nachts schlafen müssen. Von den Bäumen wachten zuletzt nur noch die Zeder, die Tanne, die Fichte, die Stechpalme und der Lorbeer, und ihnen wurde es gegeben, immer grün zu sein und reich an Heilkräften, aber den anderen wurde gesagt: »Weil ihr nicht bis zum Ende ausgeharrt habt, sollt ihr jeden Winter euer Haar verlieren!«


  • Literatur: Mooney, Myths of the Cherokee 1, 240.

15. Aus Loango.


Die Eule hat falsches Zeugnis abgelegt. Seitdem ist sie ausgestoßen von den andern Vögeln und verkriecht sich scheu bei Tage. Wo sie sich sehen laßt, wird sie beschimpft und zerzaust.


  • Literatur: E. Pechuël-Loesche, Volkskunde von Loango 1907, S. 106.

16. Aus Madagaskar.


Als die Vögel einen König wählen wollten, brütete das Eulenweibchen gerade, und das Männchen erschien nicht zur Versammlung. Daher stießen ihn die Vögel aus ihrer Gemeinschaft aus und verfolgen sie, so daß sie nicht mehr bei Tage ausfliegt.


  • Literatur: Folklore 3, 342.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 266-271.
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