3. Der Wiedehopf, der Kuckuck und die wilde Taube.

[396] 1. Aus Brandenburg.


Der Wiedehopf, der Kuckuck und die wilde Taube hatten einmal alle drei zusammen eine Kuh. Die führten sie immer hin, wo das beste Futter, das längste Gras und der schönste Klee war. Alle Tage mußte einer sie hüten, einen Tag der Wiedehopf, den andern Tag der Kuckuck und den dritten Tag die wilde Taube und immer so weiter. Dafür gab ihnen dann die Kuh Milch, Butter und Käse, so daß es beide Teile gut hatten und keine Not zu leiden brauchten.

Den einen Tag, wie der Wiedehopf gerade hüten muß, geht die Kuh etwas zu weit ins Gras auf einer niedrigen Wiese, und da auf einmal fällt sie hinein und[396] bleibt darin liegen. Da schreit der Wiedehopf immer: »Olle up, up, up!« Aber die Kuh blieb liegen und kam nicht wieder heraus.

Da kommt denn auch der Kuckuck herzu, der den Wiedehopf hat schreien hören. Der sagt immer: »Kruepruet, Kruepruet!« Aber sie ist nicht wieder herausgekommen und hat müssen versaufen.

Endlich kam auch die wilde Taube noch, aber da war die Kuh schon tot. Und da fing sie an zu weinen und zu jammern und schrie: »Mine schöne Kuë, Kuë, Kuë! Mine schöne Kuë, Kuë – Kuë – Kuë!«

Und seit der Zeit schreit der Wiedehopf noch immer bis auf den heutigen Tag: »Olle uppupup! Olle uppupup!« und der Kuckuck: »Kruepruet! Kruepruet!« und die Taube jammert immer noch: »Mine schöne Kuë, Kuë, Kuë! Mine schöne Kuë, Kuë – Kuë – Kuë – Kuë!«


  • Literatur: Nach der Erzähl, im Dialekt bei Engelien u. Lahn, Der Volksmund in der Mark Brandenburg 1, 111 f.

2. Aus Mecklenburg.


a) Wiedehopf, wilde Taube und Kuckuck halten sich zusammen eine Kuh. Die fallt in einen Sumpf. Der Kuckuck bemerkt es zuerst und ruft die anderen herbei. Der Wiedehopf ruft nun der Kuh zu: »Up, up, Oll up!« Und die wilde Taube jammert: »Uns' schöne Kuh!«


  • Literatur: Wossidlo, Mecklenb. Volksüberlieferungen 2, Nr. 290.

b) Ein Taubenpaar hat einmal eine bunte Kuh besessen, die ihm abhanden gekommen ist. Noch immer jammern Männchen und Weibchen darüber. Ersteres ruft: »Du, du, du, mien bunte Kuh;« und das Weibchen antwortet: »Kuldudi hett mien bunte Kuh.«


  • Literatur: Wossidlo, Mecklenb. Volksüberl. 2, Nr. 298. Hierher gehören die Klagerufe: »Fru, Fru, miene bunte Kuh, Kuh!« (ebd. Nr. 296 a) und »Söök doch uns' bunt Kuh, mien oll trug' Fru, Fru, Fru!« (ebd. Nr. 297).

3. Aus Dänemark.


Der Kuckuck und die Tauben hatten sich gemeinschaftlich einen Ochsen gekauft und sollte jedes einen Tag denselben hüten. Es gelang dem Kuckuck schlecht, der Ochse verlief sich in einen Moorgraben und ertrank.

Die Ringeltaube ward auf den Kuckuck böse und meinte, er habe den Ochsen in den Graben hinausgeschoben, und ruft seit der Zeit:


»Skut ut, skut ut!«


oder

»Skut ut, mit stut!«

[Ausgeschoben [ist] mein Ochs.]


Blädufvan [die Blautaube] meint dagegen, es sei ein Unglücksfall, und sie ruft:


»Olyck, olyck!« [Unglück.]


Der Kuckuck sagt aber, daß der Ochs selber in den Moorgraben hinausgegangen sei, und ruft:


»Gick ut, gick ut!« [Ging aus.]


Und so hadern sie noch immer.


  • Literatur: Cavallius, Wärend 2, XXVIII–XXIX.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 396-397.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon