IV. Der Bär auf der Honigsuche.

[231] Die aus der mittelalterlichen epischen Überlieferung bekannte Geschichte, wie der Fuchs den Bären, um Honig zu erlangen, dazu verleitet, den Kopf in den Spalt eines Baumstammes zu stecken1, scheint in der mündlichen Tradition keine feste Wurzel gefaßt zu haben. Zu einer Naturdeutung bot sie in ihrer ursprünglichen Gestalt auch keinen Anlaß, daher mußte die einzige uns bekannte ätiologische Fassung aus Schweden eine sachlich recht unglückliche Änderung vornehmen, um eine der Ätiologie günstige Situation zu schaffen. Es heißt an dieser Stelle2: der Fuchs verlockte den Bären dazu, seinen Schwanz in die Kluft eines gespaltenen Stammes zu stecken, um Honig zu erhalten. Dann zog der Fuchs den Keil aus dem Stamm, der Bär saß festgeklemmt und konnte sich nur unter Preisgabe des Schwanzes befreien. Seitdem sind alle Bären schwanzlos.

Es liegt auf der Hand, daß man hier um des beliebten deutenden Schlusses willen und unter dem Einfluß des Abenteuers vom Fischfang3 den Kopf4 durch den Schwanz ersetzte, ohne zu beachten, daß die Handlung dadurch vollkommen sinnlos wurde. Vielleicht ist jener Gliedmaßenaustausch[231] durch die Vorgeschichte zum obigen Abenteuer beeinflußt worden. Hier heißt es nämlich:


Der Fuchs entdeckte ein Hummelnest und möchte gerne den Honig haben, er fand auch Rat, steckte seinen Schwanz zu ihnen hin, und da er sie alle dort hatte, lief er mit ihnen weg, später kehrte er zurück und aß den Honig auf.


  • Literatur: Cavallius, Wärend II, XXVI.

Fußnoten

1 Vgl. Krohn S. 45. Voretzsch, Zeitschr. f. rom. Phil. 16, 14. Sudre p. 180. Grimm, KHM. Nr. 48 Anm. Lehemrbe, Volksvertelsels S. 52 Nr. 32.


2 Cavallius, Wärend II, XXVI–XXVII.


3 Vgl. Sudre p. 184.


4 Reinhart Fuchs v. 1550: »daz houbet er in daz bloch stiez.«


Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 232.
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